Drei Tage lang haben rund 700 Journalisten in Hamburg beim Jahrestreffen von Netzwerks Recherche über wichtige Fragen ihres Berufs gesprochen. Foto: sb

Negativ-Preis für selbstherrlichen und respektlosen Umgang mit Presse. Nicht selbst entgegengenommen.

Burladingen/Hamburg - Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche hat den Bürgermeister von Burladingen auf der Schwäbischen Alb, Harry Ebert, mit ihrem Negativ-Preis "Verschlossene Auster" bedacht. Er erhalte die Auszeichnung für seinen selbstherrlichen und respektlosen Umgang mit der örtlichen Presse, heißt es in einer am Samstag in Hamburg verbreiteten Mitteilung der Journalistenvereinigung zum Abschluss ihres Jahrestreffens. «Ebert erhält den Preis stellvertretend für alle Lokalpolitiker, die unliebsame Berichterstattung als Majestätsbeleidigung missverstehen und jeglichen Respekt vor der Arbeit der Journalisten vermissen lassen.»

 

Ebert ist seit 20 Jahren Bürgermeister der 12 000-Einwohner-Stadt im Zollernalbkreis, die meiste Zeit davon parteilos. Mittlerweile hat er sich der AfD angeschlossen und ist damit der erste Bürgermeister dieser Partei im Südwesten.

Nach Angaben des Netzwerks Recherche habe er Lokaljournalisten, deren Berichterstattung ihm nicht gefiel, mit einem regelrechten Strafkatalog überzogen. "Er verweigerte sich Interviews, ließ Anfragen unbeantwortet und wies städtische Mitarbeiter an, nicht mit der Presse zu sprechen. Er ließ im Amtsblatt der Stadt gegen die örtlichen Journalisten wettern und drohte mit dem Entzug von Abonnements, falls eine unliebsame Reporterin nicht abgezogen werde", heißt es in der Preisbegründung.

Rasenmähen statt Rückgrat zeigen

Ebert wollte den Preis - im Gegensatz zu einigen früheren Preisträgern - nicht selbst in Hamburg entgegennehmen. "Was soll ich dort? Der Putin war bestimmt auch nicht da", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Wenn der Putin nicht hingeht, geh' ich auch nicht hin. Mich hat das nicht sonderlich beeindruckt." Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den Preis 2007 erhalten. Ebert bestätigte, dass er den Preisverleihern mitgeteilt habe, er könne nicht nach Hamburg kommen, da er an dem Tag Rasenmähen eingeplant habe. "Das war, um denen zu zeigen, was ich von der Veranstaltung halte", sagte Ebert.

In der Diskussionsrunde zur Preisverleihung machte Martin Wagner, Ressortleiter Lokales beim Schwarzwälder Boten, deutlich, dass die Zeitung auf ihren Auskunftsanspruch pocht. Das sei für die Recherche wichtig und im Sinn der Leser unverzichtbar.

Seit 2002 zeichnet die Vereinigung mit dem Preis Personen oder Institutionen aus, die sich gegenüber Journalisten nicht aufgeschlossen zeigen, sie in ihrer Arbeit behindern oder Informationen zurückhalten und Transparenz verhindern. Im vergangenen Jahr hatten die Verlage der Regenbogenpresse die «Verschlossene Auster» erhalten. Frühere Preisträger waren unter anderem Facebook, der Waffenhersteller Heckler & Koch, der ADAC sowie verschiedene Unternehmen, Industrie- und Sportverbände, Politiker und Funktionäre.