Einmal mehr im Mittelpunkt der überregionalen Berichterstattung: Bürgermeister Harry Ebert. Foto: dpa

Wirtschaftsmagazin Bilanz berichtet über Konflikt in Fehlastadt. Alle zentralen Akteure kommen zu Wort.

Burladingen/Hamburg - Eine der größten Wirtschaftszeitschriften Europas, Bilanz, hat sich in seiner Juni-Ausgabe auf acht Seiten ausgiebig der kleinen Fehlastadt Burladingen gewidmet. Im Mittelpunkt: der Widerstand, der dem AfD-Bürgermeister Harry Ebert von Seiten der heimischen Wirtschaft entgegenschlägt.

Autor des Berichtes ist der renommierte Wirtschaftsjournalist Reinhold Böhmer, der regelmäßig auch für die Wirtschaftswoche und das Handelsblatt schreibt und für Bilanz diesmal unter der Rubrik "Unternehmen und Märkte". Der gelernte Volkswirt und Absolvent der Kölner Journalistenschule war für seine Recherchen im April mehrere Tage in Burladingen unterwegs. Er besuchte auch eine Gemeinderatssitzung, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Allerdings eine Beratung, in der der Stadtchef gar nicht anwesend war und die vom Ersten Beigeordneten Berthold Wiesner geleitet wurde.

"Ratsmehrheit rumort, Unternehmen leisten Widerstand"

Böhmer sprach mit Trigema-Inhaber Wolfgang Grupp, BeneVit-Chef Kaspar Pfister, mit der Gemeinderätin Dörte Conradi (CDU) und auch vielen Burladinger Bürgern, Arbeitnehmern und kleinen Geschäftsleuten, die er in seinem Artikel ausgiebig zu Wort kommen lässt. Mit "Groll & Grimm in Burladingen" ist sein Beitrag betitelt und beleuchtet gleich in der Unterzeile die Problematik, der sich das Wirtschaftsmagazin vor allem widmet. "Der 12.200- Einwohner-Flecken auf der Schwäbischen Alb ist Deutschlands erste Stadt mit einem AfD-Bürgermeister. Die Ratsmehrheit rumort, zwei Unternehmen leisten praktischen Widerstand."

Böhmer beginnt mit dem pakistanischen Flüchtling Ahmeed Waheed, den auch der Schwarzwälder Bote schon portraitierte. Warum und wie Wolfgang Grupp ihn und andere Flüchtlinge eingestellt hat, dass er bundesweit nach ihnen sucht, ihnen bei der Wohnungssuche hilft, vor dem ersten Gehalt Vorschüsse auszahlt, gar für sie bürgt und via Stuttgart politische Strippen zieht, um die von Abschiebung bedrohten Arbeiter oder Auszubildenden behalten zu können, all das erzählt Böhmer auf mehreren Seiten und nennt es "Grupps Gefühl fürs Notwendige".

Unternehmen sind auf ausländische Fachkräfte angewiesen

Der Journalist berichtet auch vom offenen und, wie er sagt, "weniger diplomatisch" ausgetragenen Konflikt des BeneVit-Investors Kaspar Pfister, der den Bau seines Ärztehauses erst mal auf Eis legte, um sich wirkungsvoll und deutlich von Eberts fremdenfeindlichen Äußerungen zu distanzieren. Auch Pfister ist auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, er hat jetzt in einer großen Aktion 50 Altenpflegerinnen von den Philippinen geholt, für die er sicher stellen wollte, dass sie nicht auf eine feindliche Atmosphäre treffen und sich auf der Alb schnell heimisch fühlen.

Die Maxime seines Unternehmens sei schließlich auch "Hilfe für jedermann, ohne Ansehen von Nationalität, Religion oder Weltanschauung". Die beiden Unternehmer mögen gegensätzlich sein, beschreibt Böhmer Grupp und Pfister, aber sie bildeten mit ihrem unternehmerischen Handeln eine Gegenkraft zum Rechtsruck in ihrer Stadt und im ganzen Land.

Plant Harry Ebert AfD-Ortsgruppe?

"Wir fürchten um den Ruf von Burladingen als Standort für Unternehmen und Arbeitsort für Fachkräfte sowie als attraktiven Wohnort. Wer will schon als Kindergärtnerin oder Altenpfleger in einer Stadt arbeiten, deren Bürgermeister gegen Ausländer hetzt?", wird die 50-Jährige CDU-Frontfrau des Gemeinderates Dörte Conradi in dem Wirtschaftsmagazin zitiert. Und Böhmer erzählt auch von den Menschen in Gauselfingen, die jahrelang darauf warten mussten, das eine wichtige Infrastrukturmaßnahme, das schnelle Internet, in ihr Dorf kommt, und von den Ängsten kleiner Handwerker und Ladenbesitzer, den Schaffern, die sich ärgern, dass Flüchtlinge "fast genauso viel haben, ohne einen Finger krumm zu machen".

Zum Abschluss richtet der Bilanz-Bericht den Blick in die Zukunft und lässt Ebert selber zu Wort kommen: "Ich gehe fest davon aus, dass es in Burladingen bald eine AfD-Ortsgruppe und bei den Kommunalwahlen eine AfD-Liste gibt", wird der Bürgermeister zitiert.

Info

Bilanz (Eigenschreibweise: BILANZ) ist ein vom Verlag Axel Springer in Hamburg herausgegebenes deutsches Wirtschaftsmagazin. Es erscheint seit Mai 2014 am letzten Freitag des Monats als Beilage der Zeitungen Die Welt und Die Welt Kompakt. Der deutschlandweite Verkauf im Einzelhandel beginnt am darauffolgenden Samstag. Bilanz gehört mit einer Auflage von ungefähr 200.000 Exemplaren zu den größten Wirtschaftszeitschriften Europas. Seit November 2015 gibt es auf ihrer Website ein Meinungs- und Debattenforum für die deutsche Wirtschaft mit durchaus prominenten Kolumnisten.