Jede Alltagssituation benutzt die Sprachförderkraft Marina Laile, um mit ihren Schützlingen ins Gespräch zu kommen. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder-Bote

Integration: Der Kindergarten St. Fidelis profitiert von einem bundesweiten Projekt des Familienministeriums

"Mit Ottern stottern mit Drachen lachen", steht auf einem Buch im Regal des Kindergartens St. Fidelis. Man ahnt es: Es ist eines der vielen Bücher und Spiele zur Sprachförderung. Die wird hier großgeschrieben.

 

Burladingen. "Ohne Spracherwerb keine Integration" sagt Kindergartenleiterin Silvia Wilhelm.

Der Kindergarten St. Fidelis, in dem zur Zeit 80 Kinder untergebracht sind und annähernd 60 Prozent einen Migrationshintergrund haben, profitiert von einem Projekt, das das Familienministerium 2012 ins Leben rief. Es hieß: Frühe Chancen – Sprache und Integration. Die Kindertagesstätten, Krippen und Kindergärten, die daran teilnahmen, bekamen spezielle Kräfte zugewiesen, deren Gehalt nicht die Kommune, sondern das Ministerium übernahm. Die Erzieherinnen wurden zu Fortbildungen geschickt und versuchten, auch die Eltern mit einzubinden.

Federführend ist dabei im Burladinger Kindergarten St. Fidelis die Fachkraft für alltagsintegrierte Sprachförderung Marina Laile. Das Projekt lief 2015 aus, aber der Kindergarten St. Fidelis kam auch ins Nachfolgeprojekt, "Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist" heißt es.

Silvia Wilhelm weiß, wie nötig diese spezielle Sprachförderung für viele ihrer Kindergartenkinder ist. Denn nach St. Fidelis kommen die Kinder aus der Innenstadt. Hier ist der Ausländeranteil hoch, auch weil Mieten oder ein Hauskauf für Migranten hier erschwinglich sind.

Die elf Erzieherinnen betreuen Kinder aus 16 Nationen

Da herrscht zu Beginn manchen Kindergartenjahres ein geradezu babylonisches Sprachgewirr: die elf Erzieherinnen betreuen Kinder aus 16 Nationen.

Nicht nur, dass viele Lieder, Reime, Fingerspiele und Kniereiter den Kleinen ein Gefühl für Worte, Satzbau und Grammatik vermitteln. Laile weiß: Es ist die sprachliche Begleitung bei den alltäglichen Dingen, die Kinder schnell die Sprache erlernen lässt. "Egal, was wir mit den Kindern machen, ob wir wickeln oder den Älteren beim Anziehen helfen, wir sprechen in jeder Situation mit den Kindern und fordern sie auf, uns Antworten zu geben", berichtet die 40-Jährige. Alltagsintegrierte Sprachförderung heißt das im Pädagogendeutsch.

"Nach einem Jahr kamen Dreiwortäußerungen in Deutsch"

Und Laile erzählt nicht ohne Stolz von den Erfolgen, die sie und ihre Kolleginnen da verbuchen können. Da gab es den kleinen Felix, seine Eltern kamen aus Spanien, er sprach kein Wort Deutsch, als er als Zweijähriger am ersten Tag in St. Fidelis ankam. Seine Fortschritte in der deutschen Sprache waren von Monat zu Monat sichtbar. Inzwischen spricht er fast fehlerfrei, und seine Betreuerinnen haben keine Bedenken, dass er bis zur Einschulung mit seinen deutschsprachigen Altersgenossen gleichziehen kann.

Oder Ayse. Ihre Mutter spricht zwar Deutsch, weil sie zur sogenannten zweiten Generation türkischer Einwanderer gehört, mit ihrer Tochter hat sie aber immer nur Türkisch geredet. Zwischen ihrem zweiten und fünften Lebensjahr machte Ayse eine erstaunliche Sprachentwicklung durch."Nach einem Jahr kamen die ersten Dreiwortäußerungen in Deutsch und irgendwann setzte sie auch die Artikel hinzu", berichtet Marina Laile.

Und riesig gefreut hat sich die Sprachförderkraft, als Ayse ihr unlängst erzählte: "Meine Katze hat extrem spitze Krallen." Laile sagt: "Ein toller Moment." Und sie betont, dass bei den kleinen Kindern die persönliche Bindung zu den Betreuerinnen wichtig ist, dass Sprache sich leichter lernt, wenn das Gegenüber einem sympathisch ist: "Ohne Bindung keine Bildung."

Wichtig ist den Erzieherinnen in St. Fidelis deshalb, auch jene mit einzubinden, zu denen die Kinder die stärkste Bindung haben: die Eltern. Die sollen, wenn sie selber zwei Sprachen sprechen, ihren Nachwuchs ruhig gleich zweisprachig aufwachsen lassen. In Workshops wird das vermittelt. Das derzeitige Projekt läuft bis Ende 2019. Und Marina Laile und Silvia Wilhelm wünschen sich, dass es danach weiter geht mit der Förderung und der 50-Prozent-Stelle: "Es wäre schön, eine Sprachförderkraft permanent zu haben." Denn der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund wird sicher nicht kleiner.

"Wir schaffen das!" Aber wer schafft es und wie? Wie sieht konkrete Hilfe für Migranten an der Basis aus? In einer Serie mit dem Titel "Integration" will der Schwarzwälder Bote dem auf den Grund gehen und von positiven Beispielen aus Firmen, Schulen, Kindergärten und Sportvereinen berichten. Heute erzählen wir vom Kindergarten St. Fidelis und der Bedeutung der Sprache für die Integration.