Legte den eigenen Maßstab an: Ein Anlieger im Schlössle will den Streitfall mit der Stadt vor Gericht klären lassen. Wegen "der Rechtssicherheit", wie er sagt. Verstöße scheinen in der engen Ecke allerdings an der Tagesordnung. Fotos: Rapthel-Kieser/privat Foto: Schwarzwälder Bote

Prozess: In Burladingens ältestem Stadtkern geht’s eng zu / Ein Bürger lässt es darauf ankommen und zahlt erst einmal nicht

"Es geht mir nicht um das Geld sondern ums Prinzip", sagt der 61-jährige. Er ist Anlieger im ältesten Bereich des Stadtkerns, Am Schlössle und bekam im Winter einen Strafzettel über 25 Euro. Weil er das Räumfahrzeug – so die Stadt – behindert hat. Jetzt entscheidet ein Richter.

Burladingen.Tatsächlich ist an diesem Viertel, in dem einst das Jagdschloss des Graf von Zollern stand und heute noch uralte, teils sanierte kleine Bauernhäuschen, die Straßenplanungs- und Verkehrsentwicklung moderner Städte bislang spurlos vorbeigegangen. Modern mutet nur die Rückseite des Discounters Aldi an, die an dieses Gebiet grenzt. Denn noch vor rund eineinhalb Jahrhunderten mussten die Gassen nur für Pferd und Reiter reichen, maximal für einen kleinen Zweispänner. Von Räumfahrzeugen, geräumigen Kastenwagen oder Müllabfuhrautos hätten die Bürger und Knechte damals nicht zu träumen gewagt.

Müll- und Räumfahrzeuge drehen auf dem Gehweg um

Jetzt sind sie Realität. Das Schlössle gibt es längst nicht mehr – aber die Enge ist geblieben. Und sorgt für Zündstoff. Da fahren Auto- und Zweiradfahrer schon mal um Poller herum und über Grünflächen. Oder es schießen behelmte Sportradler an spielenden Kindern vorbei, wie sich eine Anliegerin mit dem Hinweis "Das sind die Schlimmsten" im Gespräch mit unserer Zeitung beschwert. Und über Grünflächen, die ihnen nicht gehören, genehmigen sich Mofafahrer und Fußgänger schon mal eine Abkürzung und hinterlassen Spuren im hochgewachsenen Grün.

Andere Bürger wiederum haben es satt, dass Müll- und Räumfahrzeuge zum drehen den Gehweg vor ihrem Haus benutzen und wollen Zäune ziehen.

Der 61-jährige KfZ-Meister, dessen parkender Sprinter vom Fahrer des Räumfahrzeuges fotografiert wurde, bekam erst den Strafzettel in Höhe von 25 Euro. Und nach der Anhörung den Bußgeldbescheid über 56 Euro "und ein paar Zerquetschte", wie er es formuliert. Er bezahlte erst einmal nicht, sei zwar nicht auf Krawall gebürstet, aber er will, wie er sagt, "die Sache mal geklärt haben. Es geht mir um Rechtssicherheit." Denn das Räumfahrzeug, dass da reklamiert habe, nicht durchzukommen, und dessen Beweisfoto ihm samt Bußgeldbescheid zugeschickt wurde, sei ja nur ein kleines, mit entsprechend kleinerem Schaufelaufsatz.

Für das Ordnungsamt sind Streitfälle "völlig normal" und Alltag

Der streitbare Anlieger hat sogar ein eigenes Foto mit den Maßen vorgelegt. Weil er das Bußgeld nicht bezahlt hat, steht er im August noch vor dem Amtsgericht.

"Für uns ein völlig normaler Vorgang", sagt Martin Paulus, Leiter des Burladinger Ordnungsamtes, der die Sache mindestens so gelassen sieht und dem es eben genauso um das Prinzip geht, wie dem Anlieger. Das gebe es immer wieder, so Paulus, dass Bürger sich ungerecht behandelt fühlen und dann ein Amtsrichter das letzte Wort haben muss. Die Situation in diesem Bereich, zwischen Georgskirche, Schlössle und Zinken, sei eben historisch bedingt eng und heutzutage schwierig.

Und wenn Bürger Zäune bauen auf Grundstücken, die ihnen nicht mehr gehören, "dann müssen die ja genehmigt und mit uns abgesprochen werden", sagt er gelassen.

Das Jagdschlösschen wurde 1490 ursprünglich als Sommerresidenz des geborenen Graf von Zollern, Bischof Friedrich von Augsburg, zwischen Georgskirche und Fehla erbaut. Der quadratische Grundriss wurde mehrstöckig überbaut und mit Giebeldach gekrönt. An den vier Seiten waren schmale Kreuzflügel mit Rundtürmen und spitzbogigen Eingängen zu sehen. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte es öfter den adeligen Besitzer, 1860 wurde es eine Wirtschaft mit Brauerei. 1886 zerstörte es ein Brand. Als Wirtschaft wieder aufgebaut, wurde es danach Textilfabrik, und die ist längst einem Wohnhaus gewichen. An das Schloss erinnert nur noch der Straßenname.