Hinterm Rohbau tobt der Kampf: Einst geschlossene Vereinbarungen zu dem Millionenprojekt müssen der Stadtverwaltung nun mit Hilfe der Juristen abgerungen werden. Foto: Rapthel-Kieser

Investor stört Eintritt von Ebert in AfD. Bei Fünf-Millionen-Projekt geht fast nichts mehr ohne Anwälte. Mit Kommentar

Burladingen - Hinter dem Rohbau des stetig wachsenden Ärztehauses tobt ein zäher Kampf. Die Anwälte beider Seiten sind eingeschaltet, nichts geht ohne juristisches Gerangel. Von unserer Zeitung auf den AfD-Beitritt des Bürgermeisters Harry Ebert befragt, findet der Investor deutliche Worte.

"Er schadet diesem Projekt und setzt mit der Art und Weise seines bewusst inszenierten und bundesweit verbreiteten AfD-Beitritt das fort, was er seit 12 Monaten versucht: Uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen", so kommentiert der BeneVit-Chef Kaspar Pfister auf Anfrage unserer Zeitung den AfD-Beitritt des Rathauschefs jener Stadt, in der Pfister selbst auch Bürger ist.

Und nicht nur das. Im mehr als einstündigem Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten deutet Kaspar Pfister auch an, dass inzwischen fast nichts mehr ohne Anwälte gehe, wenn es die Planungen seines Fünf-Millionen-Projektes direkt hinter den beiden Rathausgebäuden betrifft. Da sitzt der bundesweit agierende, für sein Konzept preisgekrönte Unternehmer mit der Stadt aber in einem Boot, ist darauf angewiesen, dass Burladingen, dass der Rathauschef Absprachen zur Marktplatzgestaltung, zu Terminen und Umgebungsplanung einhält.

Vereinbarungen, die verbal oder schriftlich vor langer Zeit, als der Haussegen in der Fehlastadt noch nicht schiefhing, getroffen wurden und die jetzt zum Problem werden. Er könne sich aber wehren, sagt Pfister und spricht davon, dass der Stadtchef bei vielen Dingen zurückrudern musste, nachdem Anwälte auf Vertragseinhaltung drängten.

Tatsächlich soll, so erfuhr unsere Zeitung, unlängst ein Kommunalrechtler aus Reutlingen in einer nichtöffentlichen Sitzung den Gemeinderat über diese anwaltlichen Auseinandersetzungen zum Thema Ärztehaus informiert haben. Ebert selbst nahm an der Sitzung nicht teil, überließ dem Reutlinger das Wort. Der musste sich anhören, dass er nicht für die Stadt spreche, den Gemeinderat zuvor ja nie befragt und gehört habe und nur die Meinung des abwesenden Bürgermeisters Harry Ebert vertrete.

Der Erste Beigeordnete Berthold Wiesner, so war zu erfahren, hat auf Anfrage einräumen müssen, dass eben jener Kommunalrechtler für seinen Einsatz und sein Erscheinen aus der Stadtkasse bezahlt werde.

In Burladingen würden inzwischen öffentliche Leistungen und Rechte, die Bürgern zustünden, verknüpft mit der Willkür des Bürgermeisters, kritisiert Pfister. Das zerstöre den Glauben an staatliche Organisationen und in die Demokratie. Alles, was dem Gedankengut des Bürgermeisters entspreche, werde protegiert und befördert. Aber was nicht auf Eberts Linie sei, werde bekämpft.

Schwierig, Mediziner in die Stadt zu locken

Dies scheint zu den Schilderungen Betroffener zu passen. So – ist zu hören – hätten Gemeinderäte anonyme Drohbriefe bekommen, die Parkgewohnheiten kritischer Leserbrief-Schreiber seien vom städtischen Ordnungsbeamten aufs Korn genommen worden, gegen einen Schulrektor, der es gewagt hatte, Ebert öffentlich zu kritisieren, sei Tage später anonym Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht worden, Baugesuche unliebsamer Räte seien monatelang liegengeblieben und Mitarbeitern, die mit der Lokalpresse redeten oder auch nur mal Leserbriefe schrieben, habe der Bürgermeister mit Abmahnung gedroht.

Nachdem Pfister vor mehr als eineinhalb Jahren seinen Baustopp begründet hatte und für Weltoffenheit eingetreten war, bekam er nicht nur markige Hassmails aus der rechten Szene und wurde im Internet getrollt, es blieben auch die Bürgermeister-Besuche im Seniorenheim bei den Jubilaren aus.

Die Stadt schrieb einen Brief, sie wolle wegen des Sparkurses für die Weihnachtsbäume in und vor der Einrichtung nicht mehr aufkommen. "Wissen Sie, ich kann die Weihnachtsbäume kaufen, aber mir geht es um die Symbolik", sagt der BeneVit-Chef. Bei dieser Stimmung und mit diesem Bekanntheitsgrad Burladingens sei es sehr schwierig neue junge Mediziner nach Burladingen zu locken.

Und: "Harry Ebert ist ja nicht als Privatperson in die AfD eingetreten, sondern als der Bürgermeister von Burladingen. Genau so wurde es ja vom AfD-Landesverband in der Pressemitteilung herausgehoben", sagt Pfister. Er kritisiert, dass der Landesverband verlauten ließ, Ebert könne damit den Menschen in seiner Stadt eine starke Stimme verleihen.

"Da fühle ich mich als Bürger Burladingens missbraucht. Ich verbitte mir, dass dieser Bürgermeister in meinem Namen spricht und schon gar nicht in Verbindung mit der AfD. Wenn ich was zu sagen habe, mache ich das schon selber!"

Kommentar: Worum geht es

Von Erika Rapthel-Kieser

Dass Harry Ebert, wie lange erwartet, jetzt der AfD offiziell als Mitglied beigetreten ist, das ist vom Kommunalrecht gedeckt und legitim. Obwohl die rechtskonservative Empörungsmaschinerie jedes Mal, wenn Ebert kritisiert wird oder wegen seiner Äußerungen und Handlungen in die Schlagzeilen gerät, ihn zum Helden und Vorreiter ihrer Bewegung macht: Des Bürgermeisters politische Meinung, egal ob offen oder still zelebriert, ist schon lange nicht mehr der Punkt.

Es geht darum, dass er, wie kein Bürgermeister Burladingens zuvor, die Stadt gespalten hat. Es geht darum, wie er sein Amt führt - oder eben auch nicht. Darum, wie er mit seinem Gemeinderat umgeht, seine Ehrenamtlichen demotiviert, seine Macht gebraucht und seine finanziellen Mittel. Da geht es um das Demokratieverständnis eines auf Zeit gewählten Verwaltungschefs. Und das berührt die Rechte aller seiner Bürger.