Weil er Cannabis angebaut hat, stand ein Burladinger am Mittwoch vor Gericht. Foto: ©mahony_stock.adobe.com Foto: Schwarzwälder Bote

Justiz: Vor dem Hechinger Amtsgericht muss sich ein Burladinger wegen des Anbaus von Cannabis-Pflanzen verantworten

Das Hechinger Amtsgericht hat am Mittwoch einen 58-jährigen Burladinger zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil er Marihuana angebaut hatte. Der chronisch kranke Mann setzte das Cannabis zur Schmerztherapie ein.

Burladingen/Hechingen. Am 7. April 2016 ging bei der Polizei ein anonymes Schreiben ein. Darin wurden drei Männer aus dem Zollernalbkreis und den Landkreisen Reutlingen und Biberach beschuldigt, Drogen anzubauen. Die Polizei durchsuchte daraufhin am 7. Juni 2016 das Haus des beschuldigten Burladingers. Dabei entdeckten sie eine Indoor-Anlage zum Anbau von Marihuana mit 66 Pflanzen. Insgesamt beschlagnahmten die Beamten 373 Gramm Cannabis.

Vor dem Hechinger Amtsgericht musste sich der gelernte Pfleger und Schreiner nun für den Anbau verantworten. Der Vorwurf lautete: unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln "in nicht geringer Menge".

Der Angeklagte räumte den Vorwurf rundum ein. Er gab jedoch an, die Pflanzen gegen seine chronischen Schmerzen aufgrund einer langen Leidensgeschichte konsumiert zu haben. Vor 20 Jahren wurde er von einer Zecke gestochen und erkrankte an der Infektionskrankheit Borreliose. Diese wurde zwar zunächst erfolgreich behandelt, die Bakterien blieben jedoch im Körper.

Von 2014 an zeigten sich bei dem Mann dann Symptome, die die Ärzte nicht zuordnen konnten. Er bekam eine Gallenkolik, litt unter Rückenschmerzen und Schwindelanfällen. Sein Blutdruck stieg an und sein Darm blutete. Zudem plagten ihn eine akute Prostatavergrößerung sowie Inkontinenz. "Im Januar 2015 ist es ganz schlimm geworden", berichtete der 58-Jährige dem Richter. Nach einem leichten Schlaganfall kam er ins Krankenhaus und anschließend mehrfach in die Reha. Letztendlich wurde ein erneuter Ausbruch seiner Borreliose diagnostiziert. Zudem ist der Mann chronisch an Rheuma erkrankt. Immer wieder konnte er deshalb nicht in seinem Beruf arbeiten, auch wenn er das gerne wollte.

Die Ärzte behandelten die diversen Erkrankungen mit Schmerzmitteln und Psychopharmaka – doch die wirkten nur bedingt. Als er einmal bei einem Bekannten Marihuana geraucht hatte, stellte er fest, dass dies seine Leiden deutlich lindert. Er sprach daraufhin bei drei Ärzten zu dem Thema vor, doch keiner wollte ihm das Marihuana verschreiben – was heutzutage unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Die Verantwortung sei ihnen zu groß gewesen, sagte der Angeklagte. Da die Preise auf dem Schwarzmarkt dafür teuer sind, beschloss der Mann, die Pflanzen selbst anzubauen.

Im Internet bestellte er sich Pflanzenlampen, die ein Gartenbaubetrieb abzugeben hatte und richtete in einem Zimmer seines Hauses eine Indoor-Anlage ein. Da die viele Beleuchtung seiner Gewächse jedoch viel Strom verbrauchte, und somit auch viel Geld, zapfte er kurzerhand die Stromleitung an, bevor sie in den Zähler lief. Die elektrische Konstruktion in dem alten Haus ermöglichte dies.

Ein Jahr lang baute er dort Marihuana an – bis die Polizei im Juni 2016 vor seiner Tür stand. Der Mann zeigte sich gleich geständig und verzichtete auch auf einem mögliche spätere Rückgabe der beschlagnahmten Utensilien. Seitdem habe er auch keine illegalen Betäubungsmittel konsumiert, auch weil sein Körper sich mittlerweile stabilisiert hat und sein Immunsystem die Borreliose im Griff hat.

Mittlerweile hat sich der Mann mit dem Stromunternehmen gütlich geeinigt und seine Ausstände nachbezahlt. Das, und die Tatsache, dass er geständig ist, keine Vorstrafen hat und nie mit dem Gedanken gespielt hatte, sein Cannabis an andere weiterzuverkaufen, machte auch der Staatsanwalt geltend. Er forderte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr. Auch der Verteidiger schloss sich einer Strafe auf Bewährung an, wenn auch in geringerem Umfang.

Der Vorsitzende Richter und seine beiden Schöffen entschieden schließlich, dass eine Haftstrafe von einem halben Jahr, auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, ausreichend sei. Davon sei aufgrund der zu langen Verfahrensdauer ein Monat als bereits abgeleistet anzusehen. Keiner der am Prozess Beteiligten geht davon aus, dass der Mann noch einmal eine Straftat begeht. In seinem Schlusswort sagte der 58-Jährige: "Ich weiß, dass es nicht richtig war, aber ich habe aus einer Not heraus gehandelt."