Hinter den Kulissen des Melchinger Theaters führen derzeit die Bauarbeiter Regie. Größer, moderner und energieeffizienter soll die Spielstätte werden. Foto: Rapthel-Kieser

In Deutschlands einzigem Regionaltheater geht Ära zu Ende. Kosten: rund 2,45 Millionen Euro.

Burladingen - Als ihre Scheune ausgebeint wurde, damit renoviert werden kann, sind sie mit wehmütigen Augen dabei gewesen, die gestandenen Männer und Gründerväter des Lindenhofs in Burladingen-Melchingen (Zollernalbkreis). Hinter den Kulissen des einzigen deutschen Regionaltheaters führen derzeit Bauarbeiter die Regie.

Wer da mit verschwörerischem Zwinkern über Mannen mit fast-feuchten Augen räsoniert ist Christel Krink, selber schon ein Urgestein im Lindenhof-Theater und seit vielen Jahren für Kasse, Buchhaltung und Personal zuständig. Während große Teile der Verwaltung interimsweise in eine benachbarte ehemalige Textilfabrik im Dorf in Melchingen umgezogen sind, hält sie im Altbau aus dem Jahre 1900 noch die Stellung und versucht, während zwei Wände weiter die Betonmaschinen sich drehen, die Bagger röhren und der Riesenkran aufgestellt wird, den Überblick über Zahlen und Gehälter zu bewahren – und auch die Haltung.

Bevor der Vorhang fällt, wird ein letztes Mal Global Player aufgeführt

Global Player, so erzählt sie, jene tragikomische Theaterversion des Erfolgsstreifens von Regisseur Hannes Stöhr, war die letzte Vorstellung im Lindenhof, bevor vor wenigen Tagen der Vorhang fiel. Danach ging es ans Weg- und Ausräumen von Requisiten und Theatergarderoben und der Boden, auf dem die Zuschauerränge sich reihten, kam Brett für Brett hinaus. Die zweite Bauphase der groß angelegten Renovierung beginnt. Im vergangenen Jahr wurden im ersten Abschnitt der neue Treppenaufgang, das Foyer und die Garderobe gebaut. Das vordere Hauptgebäude der Gaststätte ist jetzt mit dem landwirtschaftlichen Teil dahinter, mit der Scheune, verbunden.

Allen im Ensemble des Lindenhofs, egal, ob sie regelmäßig auf der Bühne stehen oder dahinter, ist bewusst: Es geht eine Ära zu Ende. Das Scheunenidyll der alternativen Alt-68er rund um Uwe Zellmer und Bernhard Hurm, die 1981 den Gasthof "Linde" in Melchingen auf der Schwäbischen Alb erwarben und mit Paukenschlag, Pioniergeist und einem Tabubruch anfingen, in der Provinz Theater zu machen, dieses Scheunenidyll wird zumindest teilweise weichen, um einem modernen Anbau Platz zu machen.

Die Sanierung, sie wird insgesamt 2,45 Millionen Euro kosten, soll das einzige deutsche Regionaltheater zu einem großen Player machen, es in Bereiche katapultieren, in denen die Nachbar-Ensembles, etwa das Landestheater Württemberg Hohenzollern in Tübingen oder die Württembergische Landesbühne Esslingen längst sind.

Nicht was den Ruf, die Kreativität oder die Spielfreude angeht. Da mischen die Melchinger mit regelmäßigen Einladungen zum Theaterfestival nach Recklinghausen, mit Preisen und Auszeichnungen in Hamburg und Berlin, mit Bürgertheater, das bundesweit Kritiker aufhorchen lässt, längst kräftig mit. Aber der Provisorien-Charme einer Beiz mit Scheune als Stammspielstätte ging zu Lasten der praktischen Arbeit.

Insgesamt 45.000 Zuschauer hat das Lindenhoftheater im Jahr. 25.000 bei Gastspielen in der Region. In die Spielstätte nach Melchingen, jenem 924 Einwohner zählenden Teilort der Stadt Burladingen, kommen in jedem Jahr weitere 20.000 Zuschauer. Und die standen vor Vorstellungsbeginn bislang im Regen, hatten keine Garderobe und in der Pause keine adäquate Aufenthaltsmöglichkeit. Die Toiletten für Schauspieler und Zuschauer – alt und sanierungsbedürftig. Die Energieeffizienz des Gebäudes sei "einer Gemeinde, in der sich die ersten Windräder Baden-Württembergs drehten", nicht würdig, wie einer der beiden Intendanten, Stefan Hallmayer, es einmal formulierte.

Die Hälfte des Etats erspielen sie selbst – Spitze im Südwesten

Mit dem Umbau kommen erweiterter Brandschutz, optimierte Fluchtwege eine regenerative Heizung und ein barrierefreier Zugang. Denn bislang gibt es nicht einmal einen Lastenaufzug. Der Technische Leiter Philipp Knöpfler und seine Crew müssen die Bühnenbilder und Ausrüstung vor und nach jedem Auswärtstermin steile Treppen rauf- und runterhieven. Eine besondere Belastung für ein Regionaltheater. Aber das soll und will, so sieht es der Stiftungsvertrag von 2011 vor, mit zahlreichen Gastspielen eben auch jene benachbarten Landkreise bedienen, aus denen die Zuschüsse fließen. Die Hälfte ihres Etats erspielen die Lindenhöfler selber, das schafft sonst keine Bühne im Südwesten, betont Christel Krink.

Und während sich die Techniker auf den Lastenaufzug freuen, freuen sich die Darsteller auf besseren Schallschutz und extra Probenräume im Lindenhof. Gab es eine Aufführung in der großen Scheune, war der kleine danebenliegende Saal bislang nicht bespielbar. Auch das wird sich ändern.

Derzeit sind die Theaterleute mit ihren Inszenierungen in die Mössinger Pausa, ins Wilhelma-Theater nach Stuttgart, oder in die Balinger Stadthalle ausgewichen oder machen bald mit der Komödie "Waidmannsheil" am Melchinger Waldrand ein Open-Air Sommertheater. Derweil müssen die Bauleute im Zeitplan bleiben. Der Zimmermann, das wurde ihm vertraglich auferlegt, darf keine Handwerkerferien machen, ein Umbau-Akt soll sich pünktlich an den anderen Reihen, denn im Dezember wollen die Melchinger Theatermacher wieder in ihrem Stammhaus spielen. Bis dahin soll auch ein Pächter für die Gaststätte gefunden sein. Die Suche läuft.

 Kostenverteilung

Von den insgesamt 2,45 Millionen Euro Baukosten trägt das Ministerium aus dem Topf für Entwicklungen im Ländlichen Raum eine Million Euro. Die Landkreise Reutlingen und Tübingen schossen je 100.000 Euro dazu, der Zollernalbkreis 250.000 Euro und die Stadt Burladingen als Sitzgemeinde 200.000 Euro.

 Bau-Euro auf Tickets

Seit dem 1. Januar 2003 verlangt das Theater auf jede verkaufte Eintrittskarte einen Bau-Euro, das brachte rund 100.000 Euro ein.

 Finanzierungslücke

Trotzdem bleibt bislang noch eine Finanzierungslücke von 700.000 Euro, die der Lindenhof derzeit mit kreativen Sponsoren-Aktionen und dem Verkauf von Bühnenbrettern oder Patenschaften für eine Treppenstufe im Foyer zu schließen versucht.