"Puderzucker" auf dem privaten Gehweg, aber tief verschneite Friedhofstreppen und ein Bußgeldbescheid, den der Burladinger Max Pfister nicht zahlen will. Der Rentner guckt seiner Stadt jetzt auf die Finger und dokumentiert mit dem Smartphone, wo die Verwaltung seiner Meinung nach ihren Pflichten nicht nachkommt. Foto: Rapthel-Kieser

Einige Burladinger haben vom Ordnungsamt Strafe aufgebrummt bekommen. Bei jeder Schneeflocke gleich schippen?

Burladingen - Einige Bürger hat das Bußgeld in Höhe von 30 Euro regelrecht kalt erwischt. Vorwurf des städtischen Vollzugsbeamten Michael Stehle: Der Schnee auf den Gehwegen war nicht korrekt geräumt. Im Ordnungsamt gaben sich erboste Bürger hernach die Klinke in die Hand.

Einer, der 70-jährige Rentner Max Pfister aus der Straße Im Hölderle, weigert sich, das Bußgeld zu entrichten. Pfister will "bis nach Karlsruhe", wie er sagt. "Da bleibe ich hart", droht er juristische Schritte an, falls die Stadt nicht einlenkt. Für ihn ist der Bußgeldbescheid reine Willkür. "Wegen jedem Puderzucker gehe ich doch nicht mit der Schaufel raus", stellt er klar und legt das Foto vor, das eine dünne Schneedecke auf dem Gehweg vor seinem Haus dokumentiert.

Er war nicht der einzige, der deswegen direkt mit dem Schreiben in der Hand auf dem Ordnungsamt reklamierte. "Da waren noch andere", berichtet Pfister. Die meisten, so wie Pfister, aus dem Wohngebiet Mettenberg, wo der Ordnungsbeamte Michael Stehle am 8. Februar ausgiebig kontrollierte und fotografierte.

Dort, in der Panoramastraße, wohnt auch Siegmar Beck. Auch er sollte 30 Euro zahlen, spricht in einem Schreiben an unsere Zeitung von "Abzocke", gegen die er sich wehren wollte, weshalb er mit der unliebsamen Post sofort zum Ordnungsamt ging. "Dort waren schon andere mit demselben Anliegen anwesend", berichtet er weiter. "Zwei ältere Damen waren noch im anderen Zimmer. Der vor mir war schon weg, und der nächste wartete schon."

Auf dem Computer habe man ihm dann als Beweis das Foto seines nicht geräumten Gehweges gezeigt und auf das Gesetz zur Räumpflicht hingewiesen. Mit dem städtischen Vollzugsbeamten hat Beck dann gestritten. Er fragte, was mit den städtischen Flächen sei, die nicht geräumt sind. Das wiederum, so beschied ihm Stehle, gehe ihn nichts an, sondern es sei der Bauhof zuständig. An den solle Beck sich wenden. "Geht’s noch? Da, wo man kassieren kann, ist der Sheriff zuständig, und bei allem, was der Stadt gehört, soll sich der normale Bürger beim Bauhof beschweren? Kann man auf den städtischen nicht geräumten Flächen der Stadt etwa nicht ausrutschen?", fragt Beck kritisch nach.

Geräumt wird morgens vor der Arbeit

Ihm geht es wie einigen anderen, die morgens als Berufspendler die Fehlastadt verlassen. Er räumt, bevor er zur Arbeit geht. Die ist aber in seinem Fall 75 Kilometer entfernt. In der Mittagspause kommt Beck nicht nach Hause, Schneeräumen muss bis abends warten. Das Argument, dass er dann jemanden beauftragen müsse, stößt ihm bitter auf. "Ich habe die Herren auch darauf hingewiesen, dass ich öfters die Bushaltestelle in der Panoramastraße räume, damit die Kinder nicht im Schnee stehen müssen und dass der Räumdienst genau diese Bushaltestelle ab und zu wieder zuschiebt. Dass ich außerdem seit Jahren beim Umweltaktionstag in Hausen mitmache. Weil die Stadt ja sparen muss, lässt man das Freiwillige machen. Ob ich da nochmals helfen werde?", merkt er erbost an.

Auch der 53-jährige Maurer Jochen Steinhilber, er wohnt in der Straße Am Mettenberg, ist Berufspendler. Ihn erwischte es ebenfalls am "Schmotzigen Donnerstag". Der Bußgeldbescheid erging für ein Grundstück in der Blumenstetter Straße, das Steinhilber vor einigen Jahren gekauft hat. Es ist noch nicht einmal bebaut. Auf dem Foto, das das Ordnungsamt an diesem Tag von dem betreffenden Gehweg machte, sieht man zwar drei, vier Zentimeter Schnee. "Aber unpassierbar war der Gehweg nicht", sagt Steinhilber. "Hinterhältig und unangemessen", sei der Bußgeldbescheid. Nach einigem Hin- und Her auf dem Ordnungsamt, wo er ebenfalls persönlich war, hat er die 30 Euro aber schließlich gleich in bar an Ort und Stelle bezahlt. Er wünscht sich aber, "dass die Stadt künftig wieder etwas fairer mit ihren Bürgern umgeht", wie er sagt. Deshalb war er vor zwei Tagen noch einmal im Rathaus, und zwar im Bürgerbüro, um zu beantragen, dass der Gemeinderat sich in der nächsten Sitzung der Sache annimmt und Bußgelder erst erteilt werden, wenn wiederholt gegen die Räumpflicht verstoßen wird.

Max Pfister will hart bleiben und nicht zahlen. Und nicht nur das. Er guckt seiner Stadt künftig genau auf die Finger. "Aufgefallen ist mir da schon öfter was. Aber bisher war mir das eben sch…egal", sagt der deutlich. Aber jetzt macht er Fotos. Von seit einer Woche 20 Zentimeter hoch verschneiten Treppen auf dem Burladinger Friedhof, von Flaschen und Müll entlang der Bahnlinie. "Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen", kritisiert er die Stadt.

Mit gutem Beispiel voran gehen

Erst im vergangenen November hatte die Stadtverwaltung dem Gemeinderat einen ausführlichen Bericht über den städtischen Gemeindevollzugsdienst erstattet, den Burladingen vor mehr als einem Jahr eingerichtet hat. Dabei musste die Verwaltung auch einräumen, dass sie sich, was die Höhe der eingenommen Bußgelder betrifft, bisher schwer verkalkuliert hatte. Statt der erhofften 35 000 Euro werden es wohl höchstens 15 000 Euro sein, musste der Amtsleiter einräumen. Und CDU-Rätin Dörte Conradi hatte in dieser Sitzung die Stadt darauf hingewiesen, dass sie auf eigenen Flächen Ordnung halten und mit gutem Beispiel voran gehen müsse, wenn sie Bürger zur Kasse bitten will.

Info: Stellungnahme der Stadtverwaltung

Die Burladinger Stadtverwaltung reagiert auf die Proteste aus der Bevölkerung: Die "Höhe der Bußgelder soll nochmals überprüft" werden, sagte Hauptamtsleiter Michael Schäfer auf Anfrage unserer Zeitung.

Warum wurden im Wohngebiet Mettenberg die Bürger gleich mit einem Bußgeld von 30 Euro belegt, wenn doch erklärtes Ziel war, bei Ordnungswidrigkeiten zuerst die Bürger zu informieren und das Gespräch mit ihnen zu suchen und dann erst die so genannten Knöllchen zu verteilen?

Schäfer: Die damaligen Vorgaben des Gemeinderats wurden auch in diesem Fall umgesetzt (Amtsblattartikel, Zettel in Briefkasten, persönlicher Hinweis in Gesprächen, Anschreiben an Grundstückseigentümer…).

Wie groß ist der Ermessenspielraum im Bußgeldkatalog bei Verstößen gegen die Räumpflicht? Hätten auch Bußgelder unter 30 Euro ausgesprochen werden können?

Im Fall der Räum- und Streupflicht sind wichtige Schutzgüter betroffen (Gesundheit, hoher Schadenersatz): Der Betrag von 30 Euro sollte im Vergleich zu anderen Verstößen deshalb ein deutliches Zeichen sein (zum Beispiel kostet Parken in zweiter Reihe über 15 Minuten laut bundesweitem Bußgeldkatalog ebenfalls 30 Euro). Es wäre auch ein Bußgeld unter 30 Euro möglich gewesen.

Wie hoch ist die Summe der Bußgelder insgesamt, die am 8. März in Burladingen wegen Verstoßes gegen die Räumpflicht ausgesprochen wurden?

Generell nehmen wir die Rückmeldungen zum Anlass, die Höhe unserer Bußgelder nochmals zu überprüfen. Wir wollen die Einwohner nicht schröpfen und hohe Bußgelder wirklich nur in gravierenden Fällen verhängen. Das muss im Einzelfall überprüft werden.