In einer bewegenden Feier mit Pfarrer Konrad Bueb, Regierungsvizepräsidentin Grit Puchan und Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutsche Sinti und Roma (oben) wurde gestern in Burladingen das Grab von Josef Reinhard zum Denkmal erklärt. Irmgard Winter-Reinhard (unten links) hatte sich eingesetzt, dass das Grab ihres Onkels nicht abgeräumt wird. Foto: Stopper Foto: Schwarzwälder-Bote

Bürgermeister Harry Ebert kommt nicht zur Feier / Mahnmal gegen die Ausgrenzung von Minderheiten

Von Klaus Stopper

Burladingen. An die Ermordung von Sinti im Dritten Reich erinnert seit gestern ein Denkmal in Burladingen. Auf dem Grab mit den sterblichen Überresten von Josef Reinhard wurde eine Plakette enthüllt. Bemerkenswert: Die Stadt schickte keinen Vertreter.

Es war eine bewegende Feier. Über 40 Angehörige der Familie Reinhard waren gekommen. Pfarrer Konrad Bueb weihte das Grab noch einmal, auf dem nun eine Plakette angebracht ist, die auf das Schicksal von Josef Reinhard hinweist. Er war im KZ Natzweiler an den Folgen medizinischer Menschenversuche gestorben. In Ausschwitz waren zuvor schon seine Frau und die beiden Kinder ermordet worden. Die SS schickte seine Urne zurück nach Burladingen, wo sie im Grab seiner Eltern beigesetzt ist.

Die Familie Reinhard hatte schon seit Generationen in Burladingen gelebt, fühlte sich dazugehörig, bis die Nazis ihnen nachstellten. Das Grab erinnert exemplarisch an die Ausgrenzung und Ermordung von Menschengruppen im Dritten Reich.

Die Erklärung einer Stätte zum offiziellen Denkmal kommt in Burladingen nicht oft vor. Umso erstaunlicher, dass Bürgermeister Harry Ebert nicht einmal einen Stellvertreter schickte. Man habe sich nicht eingeladen gefühlt, ließ die Stadtverwaltung erklären. Es war wohl ein demonstratives Fernbleiben, wie ein Blick auf die Vorgeschichte nahelegt. Seit zwei Jahren kämpft Irmgard Winter-Reinhard, die Nichte von Josef Reinhard, gegen eine Anordnung der Stadt, das Grab ihres Onkels abzuräumen. Die Ruhezeit der in diesem Grab beerdigten Personen sei abgelaufen, erklärte die Stadt mit Blick auf die Friedhofsordnung. Das Grab sei aber auch ein Denkmal für die vielen Sinti, die von den Nazis in Konzentrationslagern getötet wurden und für die es keine Gräber gebe, argumentierte Irmgard Winter-Reinhard. Ein solches Denkmal müsse bestehen bleiben.

Sie wollte mit dem Bürgermeister die Sache besprechen, aber Ebert habe sich am Telefon ihr gegenüber ständig verleugnen lassen, erzählt sie. Erst auf Intervention von Wolfgang Grupp, an den sie sich in ihrer Not wendete und der ihr Anliegen verstanden habe, sei zumindest ein Gespräch mit Ebert zustande gekommen. Nachgegeben habe Ebert aber auch da nicht.

Die Stadt blieb stattdessen hart, verhängte mehrfach Bußgelder in Höhe von 250 Euro und stellte sich damit auch gegen das Regierungspräsidium Tübingen, das gestern demonstrativ mit Grit Puchan, der Regierungsvizepräsidentin, hochrangig bei der Feier auf dem Friedhof vertreten war. Puchan ließ klar durchblicken, dass sie das harte Verhalten der Stadt kritisch sieht. Ohnehin läuft eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel, die Gräber von Sinti und Roma, die im Dritten Reich in Konzentrationslagern waren, grundsätzlich als Denkmäler einzustufen. Noch ist dieses Gesetz nicht in Kraft, aber das Land hat sich in Burladingen klar auf die Seite der Familie Reinhard gestellt und in einer Einzelfallentscheidung erreicht, dass das Grab nun unter Denkmalschutz steht.

Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, war bei der Feier bemüht, die Bitterkeit der Familie Reinhard etwas abzumildern. Wichtiger als der Streit mit der Stadt sei doch die Tatsache, dass dieses Grab nun ein Denkmal gegen die Ausgrenzung von Minderheiten sei, ein Mahnmal, wohin Menschenverachtung führe. Etwa 500 000 Sinti und Roma seien in Europa von Nazis ermordet worden, sagte er. In Deutschland seien von ihnen viele ganz normale Bürger gewesen, einige hätten im Ersten Weltkrieg gekämpft, seien Patrioten gewesen, "erst die Nazis haben sie als nicht dazugehörig ausgesondert". Gegen so etwas müsse man sich immer wehren. Er sei sich sicher, dass Burladingen dieses Grab ehren werde.

Für die Nachkommen von Josef Reinhard war die Feier eine sichtliche Erleichterung. Sie fühlten sich als Bürger der Stadt, versicherten sie. Ihre Familien lebten seit Generationen hier. Dass dieses Grab nun ein Denkmal ist, bedeute für sie die offizielle Anerkennung, dass die Verfolgung ihrer Angehörigen im Dritten Reich ein schweres Verbrechen war.

Drei Sinti-Familienverbände gab es vor dem Zweiten Weltkrieg in Burladingen. Die Nazis wollten sie allesamt ermorden. Unter anderem Pfarrer Richard Biener half einigen dabei, sich in Waldverstecken und an anderen Orten zu verbergen und zu überleben. Viele hatten dieses Glück nicht. Sie wurden deportiert, starben in Gaskammern. Für sie hat es nie Gräber gegeben.