Kann wieder befreit Lachen und will ihre Kunden jetzt so schnell wie möglich vor der Verzottelung bewahren, die Friseurmeisterin Eva Högner. Foto: Rapthel-Kieser

Von Bürokratie positiv überrascht. Friseurmeisterin Eva Högner bangte um ihre Existenz.

Burladingen - "Vor dem Virus habe ich gar nicht solche Angst - aber ich fürchtete um meine Existenz, um meinen kleinen Laden", erzählt die selbstständige Friseurmeisterin Eva Högner. Sie hat in der Krise Positives zu berichten. Die Soforthilfe war unkompliziert und kam sehr schnell.

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Der Friseursalon der 39-jährigen zweifachen Mutter ist seit 2006 in der Panoramastraße. Im Untergeschoss des elterlichen Hauses von Eva Högner. Das ist im Berufsalltag der alleinerziehenden Mutter "einfach praktisch und gut organisiert", berichtet sie. Denn zu Nicht-Corona-Zeiten sind die Kinder nach der Schule oben bei Oma und Opa und kommen auch mal schnell die Treppe heruntergeflitzt, um mit Mutti im Laden was zu besprechen. "Der Salon ist längst auch irgendwie Familienzentrale", erzählt sie und zählt nicht nur ihre Geschwister, sondern so manchen ihrer langjährigen Stammkunden, zu denen es mittlerweile ein gutes persönliches Verhältnis gibt, hinzu.

Angestellte, die sie bezahlen oder jetzt in Kurzarbeit oder Urlaub schicken müsste, hat Eva Högner nicht. Die Burladingerin hat in Gauselfingen gelernt, danach ihren Meister gemacht und schließlich war sie jahrelang in Balingen und Tübingen und hatte die Salonleitung über Geschäfte mit zehn Mitarbeitern. Als sie sich schließlich in der Heimatstadt selbständig machte, wollte sie das so nicht. Sie ist die einzige Beschäftigte bei sich selber, arbeitet nur nach Terminvergabe und hat maximal zwei Kunden gleichzeitig in ihrem Laden.

Die Corona-Krise erwischte die junge Mutter just zu einer Zeit, als eine Mutter-und-Kind-Kur geplant war. "Die Terminbücher waren deswegen leer. Aber dann wurde die Kur wegen Corona einen Tag vor der Abreise abgesagt", berichtet Högner. Also versuchte sie schnell, ihre Stammkunden anzurufen und Termine anzubieten - und dann musste sie ihr Friseurgeschäft - so wie viele andere selbstständige Friseure, Kosmetikerinnen, Barber-Shop-Inhaber, wegen der Infektionsgefahr schließen. Seit dem 21. März sind diese Läden dicht.

Gefahr unterschätzt

"Da habe ich gemerkt, dass ich die Gefahr durch den Virus unterschätzt habe. Es ging ja nicht nur um die Ansteckung für die Kinder, die Großeltern oder mich. Es ging um das wochenlange Überleben ohne Einkünfte", berichtet sie von den ersten panischen Momenten. So wie sie fragten sich erst mal viele bundesweit und auch in Burladingen, wie es finanziell nun weiter gehen soll.

Dann winkte der Bundestag in einer Mammutsitzung - die Abgeordneten im Wechsel im Parlamentssaal unter der Glaskuppel in Berlin und mit vielen Metern Abstand auseinandergesetzt - wie am Fließband die milliardenschweren Hilfspakete durch. Und Eva Högner konnte danach über die Handwerkskammer Soforthilfe beantragen.

Der Deutsche hat ja gemeinhin so seine Erfahrungen mit der Bürokratie und dem Amtsschimmel und wie schwer der manchmal zum Traben zu bringen ist. Auch Eva Högner war gespannt, wie es jetzt wohl werden würde. Sie loggte sich online bei einer Seite des Bundesministeriums ein und musste am Computer ein Formular ausfüllen. Dann ging es zum sogenannten "Liquiditätsengpassberechner". Da musste Eva Högner ihre Geschäftszahlen eintragen, erwartete Einnahmen, feste Kosten, laufende Ausgaben und einiges mehr. Und nach einem Knopfdruck stand unten eine Summe, die die junge Burladinger Mutter beantragen konnte.

Auf den Cent genau überwiesen

Ausdrucken, Unterschreiben und als pdf eingescannt verschicken, das waren die letzten Schritte. "Noch mal ein kleiner Aufwand" sagt sie, weil sie weder Drucker noch Scanner im Salon hat. Aber auch das bekam sie mit Freunden und Nachbarschaftshilfe irgendwie organisiert. Und dann hieß es warten. Da kam dann ein E-Mail vom Ministerium, dass der Antrag eingegangen sei und bearbeitet werde und man konnte sogar sehen, wie viele vor einem in der Warteliste waren. "Na, da dachte ich, das wird wohl dauern", erzählt Högner, jetzt mit einem befreiten Lachen. Denn irgendwann ging sie online, um Rechnungen zu bezahlen und bekam große Augen, als sie auf ihren Kontostand blickte. "Da war auf den Cent genau die Summe überwiesen worden", die der Liquiditätsberechner für sie ausgerechnet hatte. "Das hat mich jetzt erst mal gerettet“ sagt sie erleichtert über die wochenlange Zwangsschließung ihres Geschäftes.

Weiterhin bestehen Unsicherheiten

Trotzdem gibt es Unsicherheiten. "Wie wird das am Ende vom Jahr mit der Steuererklärung und muss ich einen Teil wieder zurückzahlen, wenn ich jetzt früher als erwartet vielleicht wieder aufmachen darf?", fragt sie sich mit Blick auf den Stichtag 4. Mai.

Bundeskanzlerin Angela Merkel teilt am Mittwochabend in einer Pressekonferenz mit, dass Friseure am 4. Mai unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen wieder öffnen dürfen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann ("des Virus ist halt ne gemeine Veranstaltung, die ist auch nicht gerecht und nix") bestätigt diese Regelung für Baden-Württemberg. Die Hygienemaßnahmen verlangen unter anderem, dass die Friseure eine persönliche Schutzausrüstung tragen - unter anderem medizinische Masken - und dass es keine Warteschlangen gibt.

"Es gibt für alles eine Lösung"

Die gibt es bei Eva Högner ohnehin nie. Und Schutzausrüstung und Masken versucht sie sich gerade zu besorgen. Die Erleichterung ist ihr anzumerken. Und sie kann den vielen Wochen im Ausnahmezustand mittlerweile auch etwas Gutes abgewinnen. Sie spricht von einer "sehr intensiven Zeit" mit ihren Kindern. Und die hätten gelernt, dass es nicht immer das Badkap oder die Bärenhöhle mit der weiten Anfahrt und den Eintrittspreisen sein müssen, sondern auch mal die rote Wurst oder das Marshmallow am Stecken auf dem Grillplatz eines Wanderweges richtig abenteuerlich sein können. "Wir haben so Manches neu entdeckt, Freizeit auch mal anders gestaltet und uns wieder an den kleinen Dingen erfreut", sagt Eva Högner. Was sie besonders nett fand: So mancher Kunde rief einfach an, erkundigte sich nach der Familie und man plauderte mal ganz ungezwungen, ohne Salonbetrieb, vor sich hin. Viele nette Sozialkontakte, ohne sich physisch gegenüber zu stehen.

Bis zum 4. Mai, will Eva Högner die Familienzeit noch etwas genießen und auch die Kinderbetreuung umstellen, denn in den Laden sollten Sohn und Tochter dann nicht mehr. Aber als Alleinstehende hat sie Anspruch auf die Notbetreuung in Burladingens Kindergärten. "Es gibt für alles eine Lösung", ist ihre Zwischenbilanz in der schwersten Krise, die Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg je getroffen hat.