Ein Blick in das Archiv der Gemeinde Starzeln, in dem auch irgendwo die alte Ortschronik ruht. Foto: Schwarzwälder Bote

Serie: Burladingen im Wandel, Teil 33: Starzelns Chronik zu Erdbeben, Schwarzmarkt und Aufschwung

Burladingen-Starzeln. Im Jahr 1909 hatte der damalige Starzelner Bürgermeister Heinrich Kuster die Idee, eine Gemeindechronik anzulegen, und das tat er dann auch.

Er führte die Chronik sehr sorgfältig und trug darin alles ein, was ihm aus dem gemeindlichen Geschehen als für die Nachwelt erhaltenswert schien.

Die Einträge des ersten Jahres 1909 geben ein lebendiges Bild der damaligen Gemeindeverfassung. Der Bürgermeister bildete mit seinem Stellvertreter und drei Schöffen den Gemeindevorstand. Die Beschlussfassung stand der aus neun Mitgliedern bestehenden Gemeindevertretung zu, zu deren Wahl – Frauen waren damals noch nicht wahlberechtigt – nach Einkommen und Besitz nach dem bis 1919 geltenden preußischen Dreiklassenwahlrecht in drei Abteilungen eingeteilt waren.

Im Jahr 1909 kosteten Hafer und Gerste 8 bis 9 Mark, Korn 7 Mark, Kartoffeln 3,50 bis 4 Mark je Zentner, der Preis für Obst stieg von 2,50 bis 6 Mark. Im Frühjahr 1910 richteten wiederholt Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen und Hagelschlag Verwüstungen auf den Fluren an. Von einigen Äckern wurde der Boden fortgeschwemmt, ebenso wurden das Wehr der Killermer Mühle und ein Steg mitgerissen. 1911 führten die Besitzer der anliegenden Wiesen gemeinsam eine Korrektion des Starzelbachs bis zum Mühlenwehr durch. Die Gemeinde gab unentgeltlich das benötigte Holz für Pfähle, Schwellen und Faschinenreisig.

Das Erdbeben am 6. November mit heftigen Erdstößen während der ganzen Nacht versetzte die Einwohnerschaft von Starzeln in großen Schrecken. Schornsteine fielen von den Dächern, Wanduhren blieben stehen, der Verputz von Zimmerdecken löste sich. Die Einwohner flüchteten auf die Straßen und verbrachten die Nacht im Freien.

In den Einträgen aus den Kriegsjahren 1914 bis 1916 sind die Namen aller Einberufenen und Kriegsfreiwilligen verzeichnet, mit ihrem Familienstand – darunter Väter mit bis zu acht Kindern.

Am 1. März 1915 erhielt Starzeln den Anschluss an das Stromnetz. In der ersten Zeit bezogen 28 Haushaltungen Strom für elektrisches Licht, fünf schlossen sich mit Kraftstrom an. Die Gemeinde ließ die erste Ortsbeleuchtung installieren.

Die Aufzeichnungen aus dem Jahr 1916 zeigen die fortschreitende Teuerung auf. Danach kosteten – je Pfund – Rindfleisch 2 Mark, Schweinefleisch 1,80 Mark, Butter ebenso viel, Rinderschmalz 2,20 Mark, und 1 Pfund Wolle 8 Mark. Der letzte Eintrag von Bürgermeister Kuster ist auf den 31. Dezember 1916 datiert. Den nächsten Eintrag nahm Franz Diebold im Mai 1950 vor. 34 Jahre lang scheint die Ortschronik verschollen gewesen zu sein.

Bürgermeister Diebold bemühte sich zunächst, einige Lücken in der Ortschronik zu schließen. Er berichtete von der Inflation im Ersten Weltkrieg, die viele Familien um ihr sauer erspartes Geld gebracht hatte. Eine Billion Papier-Mark hatte den Wert von einer Goldmark. Ein Pfund Butter kostete 1 800 000 000 000 Mark. Erst die Einführung der Rentenmark führte wieder zu "normalen" Zuständen.

1930 herrschte große Arbeitslosigkeit. 30 bis 40 Männer gingen zum "Stempeln", das heißt, sie bezogen Arbeitslosenunterstützung. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde im Rathaus eine Kartenstelle eingerichtet, die Lebensmittelkarten und Bezugscheine für Kleidung und Schuhe ausgab. Starzeln musste Evakuierte aus bombardierten und bedrohten Großstädten aufnehmen.

Nach dem Krieg erhöhte sich die Einwohnerzahl durch die Einweisung von Heimatvertriebenen und Flüchtlin-gen erheblich. Das Geld verlor seine Kaufkraft, und Tauschgeschäft und Hamstern standen in der Blüte.

Erst die Währungsreform im Jahr 1948 machte dem Schwarzhandel ein Ende, die entwertete Reichsmark wurde von der Deutschen Mark abgelöst, und die Ladengeschäfte füllten sich wieder. Was folgte, war ein wirtschaftlicher Aufschwung, wie ihn niemand erwartet hatte und der Starzeln doch gemeindliche Leistungen in erheblichem Maße erlaubte.

Der letzte Eintrag von Bürgermeister Diebold handelt vom Jahr 1960. Die folgenden Seiten blieben leer. Wie in anderen Orten auch, hatte sich die Art, eine Chronik zu führen, überholt. Zeitungen, Radio und Fernsehen haben die Aufzeichnung und Dokumentation der geschichtlichen Ereignisse übernommen.