Erneuerbare Energie: Betriebszeit von "Himmelberg" läuft ab
Woanders gibt’s schon mal Theater unter den Bürgern, wenn die Firma Sowitec aus Sonnenbühl Windmühlen aufstellen will. Unter den Windrädern am Himmelberg in Melchingen, hat der Lindenhof regelmäßig Theater gespielt.
Burladingen-Melchingen. Jetzt werden Eos, Aiolos, und Helios aber bald auf Eis gelegt. Dabei waren wohl nirgendwo Windräder im Landschaftsbild so akzeptiert, gehörten so sehr zur Region und zum Dorf wie im kleinen, aber immer wieder überraschend weltoffenen Melchingen.
Bei seiner Inbetriebnahme im Jahr 1995 war der Windpark Himmelberg der erste in Baden-Württemberg. Anderswo gab es einzelne Windräder, aber gleich drei auf einem Berg, dass machte die Melchinger Anlage zum Windpark – und die Gebrüder Frank und Gerd Hummel, die die Betreiber-Firma Sowitec knapp ein Jahr zuvor gegründet hatten, zu Erfolgsunternehmern.
Mit dem Windpark Himmelberg startete das Sonnenbühler Unternehmen durch, wurde zu einem der weltweit führenden Entwickler von Projekten mit erneuerbarer Energie.
Mittlerweile ist die Firma laut eigenen Angaben in 14 Ländern auf fünf Kontinenten aktiv und hat 200 Mitarbeiter beschäftigt. Sowitec ist außer in Deutschland in Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Kasachstan, Kenia, Mexiko, den Niederlanden, Peru, Russland, Thailand, Uruguay und Vietnam vertreten.
Der Bau am Himmelberg kostete damals 3,4 Millionen Mark und wurde vom Land gefördert. Auch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie unterstützte den Windpark.
Bis heute versorgen die drei Windmühlen, die die Hummels in Anlehnung an die Götterwelt der Griechen Eos, Aiolos und Helios nannten, rund 800 Haushalte mit Strom aus Windkraft. Nachhaltig, aber inzwischen viel zu leistungsschwach. Nur rund 600 Kilowatt beträgt die Nennleistung jedes einzelnen der drei weißen Riesen mit einer Nabenhöhe von 46 Metern und einem Rotordurchmesser von 43 Meter.
Längst haben modernere und effizientere Anlagen, die Produktion des Windparks Himmelberg überholt. Zudem, so rechnet die Fachwelt, komme nach 30 Jahren Lebensdauer für eine Durchschnittswindmühle das technische Aus. Sie wird abgebaut. Auch auf dem Himmelberg ist ein sogenanntes Repowering, also der Aufbau einer moderneren, stärkeren Anlage nicht vorgesehen und wegen der neuen gesetzlichen Rahfmenbedingungen auch nicht möglich, wie es Frank Hummel schon vor einigen Jahren in einem Interview betonte.
Die drei Windmühlen werden ersatzlos gestrichen. Leid tun wird das wohl auch dem Theater Lindenhof. Das hat sich, so wie die Gebrüder Hummel mit ihrer Firma Sowitec, von Eos, Aiolos und Helios immer wieder inspierieren lassen. Da gab es Winterreisen am Himmelberg mit Klavieren, Zelten und verschiedenen Stationen für das Publikum, und auch der Engel der Geschichte breitete unter den Rotorblätter seine Flügel aus und schien abheben zu wollen.
Symbol für Fortschritt
Da wurden Archen aufgebaut und mit Musik aktuelle Themen in moderne Inszenierungen gegossen. Da fanden Schultheatertage statt und das Publikum strömte und schien es zu lieben, dass sich während der Inszenierungen wenige Meter entfernt leise die Rotorblätter drehten. Am Himmelberg war es jeweils ausverkauft.
Bis heute ist der Stolz auf den Windpark in Melchingen ungebrochen. Er ist längst zum Symbol für die Akzeptanz von Fortschritt und das Bemühen um Nachhaltigkeit geworden.
Und so mancher im Dorf kann sich den Melchinger Himmel ohne die Windmühlen am Himmelberg gar nicht mehr vorstellen. Nun ja, sie können sich noch rund fünf Jahre an den Gedanken gewöhnen.