Erinnerungskultur: Film über Theaterproduktion und Generalstreik in der Hauptstadt-Gedenkstätte

Dass die Mössinger die ersten waren, die Hitler nach der Machtergreifung mit ihrem Generalstreik Paroli boten, dass das Melchinger Theater Lindenhof daraus eine bewegende Inszenierung machte, das ist jetzt in der "Gedenkstätte Deutscher Widerstand" in Berlin ein Thema.

Burladingen-Melchingen/ Berlin . In der Hauptstadt wird heute Abend der Dokumentarfilm "Widerstand ist Pflicht" der Tübinger Journalistin und Filmemacherin Katharina Thoms gezeigt. Danach wird der wissenschaftliche Leiter der Gedenkstätte, Peter Steinberg, einen Vortrag halten. Er gilt nicht nur unter Historikern als Koryphäe, wenn es um Erinnerungskultur und Widerstandsgeschichte geht. Und bei der anschließenden Podiumsdiskussion ist auch Katharina Thoms dabei. Sie hat vor vier Jahren das Melchinger Theater Lindenhof während der Proben in der Mössinger Pausa, also direkt am Ort der Ereignisse vom Januar 1933, mit der Kamera begleitet.

An der Theaterproduktion unter der Regie von Philipp Becker waren nicht nur die Ensemblemitglieder des Lindenhofs beteiligt, sondern mehr als 100 Laiendarsteller, Bürger, Schüler und Musiker aus Mössingen selbst. Einige von ihnen waren Nachfahren der Widerständler und Streikenden, die nach der Machtergreifung 1933 zu den ersten Aufständischen in Deutschland gehörten. Andrea Ayen ist eine der zentralen Figuren in dem Film. Ihr Vater war einer der Anführer des Streiks, ihr Großvater und ihr Onkel waren dabei.

Thoms begleitet mit ihrer Kamera Andrea Ayen, wenn sie sich mit Martin Rottach, der in dem Theaterstück ihren Vater Paul spielte, auf Spurensuche durch Mössingen begibt. Sie lässt sie von ihren Kindheitseindrücken erzählen und von ihrem Wunsch, das den Widerständlern von einst endlich Gerechtigkeit und ein Gedenken wiederfahre. Dazwischen gib es immer wieder Szenen der Proben, frierende Darsteller, einen fast verzweifelnden Regisseur, Menschen, die sich im Spiel mit fast vergessenen Geschichte ihren Ortes auseinandersetzen.

Auszeichnung für die Arbeit des Theaters

Der Streifen der Tübinger Journalistin ist so zu einem beeindruckenden Dokumentarfilm über deutsche Widerstandsgeschichte geworden. Dass der wissenschaftliche Leiter der Gedenkstätte, Peter Steinbach, dazu heute einen Vortrag halten wird, dass sie selber danach mit aufs Podium zur Diskussion eingeladen ist, dazu sagt Thoms unserer Zeitung: "Ich freue mich über die Einladung. Ich finde es wichtig, dass der Mössinger Generalstreik jetzt zum ersten Mal in dieser wichtigen Erinnerungsstätte thematisiert wird". Sie selber hat Geschichte und Politikwissenschaften studiert und findet es "großartig", dass ihr so ambitioniertes Projekt ausgerechnet zum 85. Jahrestag der Ereignisse in der Widerstandsgedenkstätte in Berlin gezeigt wird. "Ich hoffe, dass es ein weiterer Impuls ist, sich wissenschaftlich mit dem Mössinger Generalstreik zu beschäftigen."

Die Veranstaltung kann auch ein wenig als Auszeichnung für die Arbeit des Melchinger Theaters Lindenhof verstanden werden. Was dieses Stück betrifft, übrigens nicht die erste. Im Juni 2014 gewann der Lindenhof in Berlin den BKM-Preis für Kulturelle Bildung der Bundesregierung für ihr Theaterprojekt "Ein Dorf im Widerstand". Vor der Preisverleihung präsentierte eine Delegation der rund 150 Darsteller das Theaterstück in Genshagen bei Berlin. Teil der Präsentation war auch der kurze Film mit Eindrücken aus der Inszenierung und aus den Proben davor.