Sofia Kudwien experimentiert gerne, bringt sich Tricks und Kniffe selbst bei. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder Bote

Malerei: Die Künstlerin Sofia Kudwien widmet sich derzeit vor allem Porträts aus Kohle und Bleistift

"Heute kann ich es besser", sagt die 64jährige Burladinger Malerin Sofia Kudwien und zeigt das erste Porträt, das sie vor vielen Jahren schuf. Eine Bleistiftzeichnung von ihrer Schwiegermutter.

Burladingen. Der Betrachter mag sich fragen, was an dem ausdruckstarken Bild verbesserungswürdig wäre. Die Schattierungen und Abstufungen hat die Künstlerin damals schon fein herausgearbeitet. Die alte Frau mit der Brille, die sie da gemalt hat, hält den Blick nach unten gerichtet, die Lippen sind zusammengepresst, die Wangen eingefallen und das lockige Haar nach hinten gekämmt. Ihr faltiges Gesicht erzählt Geschichten aus ihrem Leben.

Seitdem sind Jahrzehnte vergangen und Sofia Kudwien hat sich in vielen Bereichen der Kunst und Malerei getummelt. Sie malte in Aquarell, Acryl und Öl, hielt Landschaften im Bild fest, gestaltete eine Reihe von Karikaturen und Comics. Auch Wände und Häuser hat sie schon bemalt und erregte Aufmerksamkeit, als sie aus tausenden von industriell gefertigten Stricknadeln eine großformatige Madonna fertigte. Aus Speckstein schuf sie eine Skulptur des Dolinscheck-Gebäudes auf dem Heim Areal in Burladingen, hier hatte sie einige Jahre ein Atelier.

Dann entdeckte Kudwien das Schnitzen und schuf Christusfiguren am Kreuz, Krippenfiguren, Madonnen und Heilige, Putten und Propheten. "Ich habe meine Phasen, ich kann nicht immer bei einem bleiben", sagt die Autodidaktin mit ihrem charmanten polnischen Akzent.

Nur Lippen. Geschlossen, geschwungen, geöffnet

Derzeit sind es Porträts, denen sie sich mit ganzer Hingabe widmet. Erste Voraussetzung damit das gelingt: anatomische Studien. Da gibt es im Atelier in ihrem Wintergarten Blätter mit Lippen, nur Lippen. Geschlossen, geschwungen, geöffnet als Kohlezeichnung, Bleistift oder Kreide. Auf anderen Blättern sind es Augen, dann wieder Arme oder Beine. "Wie die Muskeln verlaufen, wo Knochen zu erkennen sind, die Formen des Körpers, das ist die Grundlage und das muss sitzen. Das erzähle ich auch immer wieder meinen Schülern", sagt Kudwien.

Sie selber porträtiert manchmal auch Prominente, schneidet sich Bilder aus Zeitschriften aus und macht sich ans Werk. Sylvie Meis hat sie schon gezeichnet oder William und Kate, das Herzogspaar von England. Die Charakterköpfe haben es ihr angetan. Eines ihrer nächsten Werke soll der französische Komiker Louis de Funes werden.

Gelegentlich macht Sofia Kudwien auch Auftragsarbeiten. Da war der angehende Ehemann, der seiner Frau zur Hochzeit eine Bleistiftzeichnung des Paares schenkte oder der Rechtsanwalt, der ein Porträt von sich in seiner Kanzlei aufhängte. Manche Personen entspringen ihrer Fantasie. "Die gibt’s gar nicht auf der Welt. Nur in meinem Kopf", sagt sie und lacht.

Die vielen Schattierungen und Graustufen mit denen die Zeichnungen so lebendig und authentisch wirken, durch die sie Tiefe bekommen, beherrscht Kudwien meisterhaft. Haare hält sie so im Bild fest, dass der Betrachter denkt, er könne hineingreifen und sie spüren.

Beim Material, ihren Pinseln, Stiften und Kreiden ist sie wählerisch, kauft nur das Beste. Viele Techniken, auch das Verwischen des Materials auf dem Papier, mit Watte oder Leder hat sie schon ausprobiert.

Und sie experimentiert gerne. "Ich will mir alle Tricks und Kniffe beibringen", sagt die 64-Jährige. Was sie besonders freut: Ihr Sohn hat jetzt, mit 40 Jahren angefangen es der Mutter gleich zu tun und begann zu malen. "Für Kreativität ist man nie zu alt", sagt die Wahl-Burladingerin.