"Wo wir sind, isch vorne": Kathrin Kestler, Stefan Hallmayer und Bernhard Hurm in der Tragikomödie "Global Player". Foto: Becker Foto: Schwarzwälder Bote

Premiere: Regisseur Hannes Stöhr und dem Lindenhof gelingt mit der Theaterversion von "Global Player" ein Bravourstück

"Das hat das Zeug, zum Renner zu werden. So wie der Entenklemmer", urteilte ein Mitglied des Stiftungsrats des Theaters Lindenhof nach der Premiere. Tatsächlich: Regisseur Hannes Stöhr und dem Ensemble ist ein Bravourstück gelungen.

Burladingen-Melchingen. Spielerisch ist es ihnen gelungen, sich von den Vorgaben des Films zu lösen. Wo der Streifen sich stellenweise etwas verzettelt, weil er so viel will, wirkt das Stück durch Kürzung und Komprimierung deutlicher, dichter und deshalb um so drängender.

Hannes Stöhr, der die Komödie seinerzeit als Hommage an die Heimat gedreht hatte, geht die Bühnenversion gänzlich anders an. Der Zuschauer merkt, dass der Regisseur auch voll hinter dieser Version steht und dabei das Ensemble inspiriert.

Wohl deshalb ist das Stück voll von Paraderollen: allem voran Bernhard Hurm als greiser Firmenpatriarch, der im Nachthemd wie mondsüchtig durch die Villa geistert und von der Ostfront faselt, während er sein Lebenswerk, die Firma, durch die globalisierte moderne Welt, die er nicht mehr versteht, bedroht sieht. Oder Kathrin Kestler, die als slawische Haushaltshilfe und Altenbetreuerin so wie schon in Ringsgwandels "Der verreckte Hof" mit Akzent, Geduld und etwas Sex-Appeal den Senior betreut, nebenher Weltpartien im Schach nachspielt und auf Bitte des Juniorchefs Michael – überzeugend gespielt von Gerd Plankenhorn – blitzschnell die Darstellung wechselt.

Herrlich komisch, wenn Agnieschka Gutek den Bänker nachäffend ins Business-Englisch wechselt, die Metzgereifachverkäuferin gibt, dem Greis Bogenschütz die virtuelle Welt erklärt und mit ihrem Tablet Familienfotos von seinem 95. Geburtstag macht. Dazu kommt Stefan Hallmayer als verlorener Sohn, einstiger Berliner Hausbesetzer und weltenbummelnd kiffender Aussteiger mit Strandbar "Tropi" in Jamaika. Der Lebenskünstler bekommt Szenenapplaus vom lauthals lachenden Publikum, wenn er erzählt, dass sein kleines Unternehmen nach einer Albstädter Diskothek benannt wurde, in der er seinerzeit 1978 mit der Clique abhing.

Linda Schlepps spielt die Tochter Marlies, die mit Anschubfinanzierung des Vaters ihre Yoga-Studios ausgebaut hat und nun mit ihrer ökologisch und fair produzierten Freizeitware wohl die Firma und den angekratzten Stolz des Bruders retten wird.

Nicht nur dieses und die allzeit im Hintergrund thronende Burg sorgen für Lokalkolorit. Auch die Rundstrickmaschine, an der Berthold Biesinger als Arbeiter Kalle Kleinmann über Zungen schwäbelt, die er reparieren muss, und augenzwinkernd kritisiert, dass mal wieder nur Akademiker im Publikum sitzen. Er, dessen Vater und Großvater schon in dieser Fabrik gearbeitet haben, und der sich um den Alten sorgt, weil der seinerzeit den Vater Kleinmann von der Ostfront mit nach Hause geschleppt hat.

Das Bühnenbild, das Claudia Rüll Calame-Rosset dazu kreiert hat, ist nur eines, aber für Szenenwechsel simpel verwandelbar. Mit Scheinwerfer, Rollen und Tontechnik, die mal die Strandbar, mal den Armsessel des Seniors, die Flaggen Chinas und Europas, die Blaumänner der Firmenarbeiter oder die zwei Flugzeugsitze samt Flugbegleiter-Durchsagen in der Economy in den Fokus rücken, wird es nie langweilig, sondern wechselt je nach Bedarf die Perspektive.

Und immer dann, wenn Hurm als Bogenschütz von seiner verlorenen Jugend, vom Krieg, von der Verlogenheit des Nazi-Regimes erzählt, dem er anfangs auf den Leim gegangen war, wird die Tragikomödie dicht, fast beklemmend, und das Publikum ganz still. So wie die Kinder des Seniors.

Ein Stück prägender Geschichte der Region

"Dieser Generation noch einmal zuhören, bevor sie geht", war das Anliegen Stöhrs. Nochmal nachdenken über die dieses Stück prägende und so lang nachwirkende Wirtschaftswundergeschichte in der Region Neckar-Alb. Das Theaterstück setzt der Textilindustrie von der Alb und ihren Firmenpatriarchen ein ebenso kritisches wie respektvolles Denkmal.

Den verdienten Schlussapplaus holten sich zum Regisseur und den Schauspielern auch Dramaturg Franz Xaver Ott und die Regieassistenten Peter Höfermayer und Marie Österle ab. Bis Ostern wird das Stück noch in der Scheune in Melchingen gespielt, danach geht es im Südwesten auf Tournee.