Stieß im Texaskoffer seines Urgroßonkels Johann Adam Kraus auf unbekannte Details aus dem Leben des Ehrenbürgers: Der Ringinger Karl-Moritz Kraus. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder Bote

Dachbodenfund: Notizen, Nummern und Namen erzählen von Kriegsgefangenschaft des Johann Adam Kraus

"So war mein Urgroßonkel, er schrieb immer alles auf und warf nie etwas weg", kommentiert der Ringinger Karl-Moritz Kraus die Akribie seines Urgroßonkels, des Ringinger Ehrenbürgers Johann Adam Kraus. Jetzt ist dessen Texaskoffer wieder aufgetaucht und barg Erstaunliches.

Burladingen-Ringingen. Kraus stieß auf den alten Koffer, als er den Dachboden seines Elternhauses aufräumte und traute seinen Augen nicht. Ein historischer Schatz, voll mit vergilbten Zertifikaten, Bescheinigungen und Notizen, die Johann Adam Kraus in der Kriegszeit in der Normandie und dann später in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Lagern in Texas und Neu Mexico gemacht hat.

Schon die Aufschrift des Koffers verrät, dass das Fundstück etwas ganz besonderes ist, denn es erzählt von der Rückkehr des Gefangenen im Mai 1946 in die Heimat. "Prisoner of war baggage" also "Häftlingsgepäck" steht da drauf, dazu eine Zahl, 3 IG 14140, die Gefangenennummer von Johann Adam Kraus und dass der Koffer über ein Materiallager des Roten Kreuzes von New York, an seinen Bruder Klemens, nach Ringingen, Hohenzollern Germany, verschifft wurde.

Aufgegeben wurde das Gepäckstück in Fort Eustis. In der Militärbasis nahe Newport News im Staat Virginia, bekamen deutsche Kriegsgefangene, Prisoner of Wars, oder kurz POWs genannt, vor ihrer Heimkehr noch ein Entnazifizierungsprogramm. Sechs Tage lang wurden sie in Demokratie geschult, in der Hoffnung, sie würden nach ihrer Rückkehr "demokratische Ideale weiter verbreiten", wie es der Internetauftritt von Fort Eustis noch heute verrät.

Insgesamt waren es 26 000 Deutsche, die in der Militärbasis geschult wurden, Johann Adam Kraus wohl einer von ihnen. In Gefangenschaft geraten war er zwei Jahre zuvor in der Normandie. Dort war er als Sanitäter im Einsatz und erlebte auch, wie rigoros das deutsche Militär gegen Resistance-Kämpfer vorging.

Von einem zum Tode verurteilten jungen Franzosen hat er ein kleines Kreuz aus Kunststoff aufbewahrt, sechs Zentimeter groß, mit einer Christusfigur daran und "von großer Hitze deformiert", wie Kraus aufschrieb. Als vermeintlicher Seelsorger musste er zur Mutter des getöteten und ihr die Nachricht überbringen, das kleine Kreuz ist wohl die Erinnerung an diesen schweren Gang.

Ein Coupon-Buch und eine Prisoner Beer Card erzählen vom Lagerleben im texanischen Gefängnis

Bei einer Weihnachtsfeier spielte er für seine Kriegskameraden auf der Stube den Nikolaus, hat über jeden der Männer nette Verse gedichtet – und aufbewahrt.

Kraus war einer der Augenzeugen jenes legendären D-Days, an dem die Alliierten am 6. Juni 1944 vom Atlantik aus in der Normandie landeten und die große Offensive eröffneten. "Date of Capture", wie es eines der von ihm aufbewahrten Dokumente verrät, am 15. August 1944, da geriet Kraus in Gefangenschaft.

Am 3. September wurde er dann über Schottland nach Amerika verschifft, zwölf Tage dauerte die Überfahrt mit der "Empress of Australia". Mit Kraus, so hat er es in seinen Aufzeichnungen festgehalten, waren 1800 Gefangene auf dem Schiff, das am 14. September in einen Hurrikan geriet. Alles ging gut, das Schiff kam in New York an und Kraus kam ins Kriegsgefangenlager nach Lordsburg in New Mexico, später nach Texas.

"Sogenannte Quittung für die mir von den Amis abgenommenen Ausweise= Nichts", schrieb er verärgert auf die Rückseite einer Bescheinigung. Der Ärger legte sich und Kraus, der Theologe, wurde zum Gefangenenseelsorger, kaufte sich ein Wörterbuch und lernte Englisch. Mit Erfolg schloss er einen Sprachkurs ab, bewahrte sich das Zertifikat auf, das ihm, dem Gefangenen mit der Nummer 3 IG 14140 einen Englischkurs im Lager bescheinigte. Auch das alte Wörterbuch ist noch da.

Vom Lagerleben erzählen zudem das Coupon Buch in Höhe von zehn US-Dollar für die Lebensmittel oder die "Prisoner Beer Card", die Rückschlüsse auf die Bierrationen für die Gefangenen zulässt. Die Umschläge, in denen ihm amerikanische Amtskollegen wie Reverend John Kehoe oder Pater Eugene Geary, von einem benachbarten Kloster die Hostien für die Gottesdienste im Lager zukommen ließen, hat Kraus ebenfalls aufbewahrt.

Zu beiden Geistlichen muss der deutsche Kriegsgefangene ein gutes Verhältnis gepflegt haben, denn beide Namen fanden sich auch im kleinen Adress- und Vokabelbüchlein des Ehrenbürgers, das bis heute erhalten ist. Und beide Geistliche sandten ihm, als er zurück in Deutschland war und in Freiburg wieder als erzbischöflicher Archivar arbeitete, Care-Pakete mit Lebensmitteln.

Johann Adam Kraus starb 1992. Sein Texaskoffer und auch der Seesack enthüllten einige Aspekte aus seinem Leben, die bislang selbst seinen historienbegeisterten Nachfahren nicht bekannt waren. Karl-Moritz Kraus hat das jetzt erst einmal gesichtet, sich Wesentliches notiert und will die Belege und Notizen seines Urgroßonkels auf jeden Fall aufbewahren.