Ludwig Schülzle (links) gibt sein Kino nach 66 Jahren auf. Die roten Sessel und der Teppich versprühten im Kino stets Retro-Charme. Fotos: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder Bote

Ablichtspiele: Doris und Ludwig Schülzle machen ihr Kino dicht / Mutige Streifen im Programm

Ganz still und leise ist er im Dezember 83 Jahre alt geworden, der Burladinger Kinobetreiber Ludwig Schülzle. Still und leise hat er sein Kino nach 66 Jahren geschlossen. Leise und nachdenklich, so wie die Filme, die Schülzle in den vergangenen Jahren mutig ins Programm rückte.

Burladingen. "Ihr habt da ja ein Programm-Kino", heißt es vom ein oder anderen Cineasten zu den Burladinger Alblichtspielen. Wahrlich – die Filmauswahl die Ludwig Schülzle in den vergangenen Jahren traf, war immer anspruchsvoll. Wenig US-Action, viel Nachdenkliches, Art-House-Kino und mutige Streifen mit aktuellen Themen, manchmal auch Humoriges.

Ein Jahr erst ist es her, dass Produzent Frieder Scheiffele und Hauptdarsteller Winfried Wagner persönlich zu einer Premiere auf die Alb kamen und die Zuschauer bei den Alblichtspielen mit ihrem Mundartstreifen "Do ghot dr doig" und den Geschichten aus dem imaginären Schafferdingen begeisterten.

Im Jahre 2015 war es "Die Gabe zu Heilen", die die Menschen aus der Region in die Alblichtspiele zog. Ein feinfühliger Film über fünf charismatische Heiler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zu Gast war damals auch die Buchautorin Annette-Maria Rieger, die diesen mit einer besonderen Gabe ausgestatteten Menschen nachgespürt hatte. Im Doku-Streifen "Sauacker" ging es um eine Laizer Bauernfamilie, die den Hof an den Sohn übergibt, der auf Bio umsteigen will.

Was die Landwirte in modernen Zeiten so umtreibt und wie ihr Alltag aussieht, wurde in dem Film charmant-amüsant erzählt. Der Hauptdarsteller, Bauer Konrad Kienle, war bei der Vorführung in Burladingen anwesend und stellte sich hinterher der Diskussion. Der Streifen passte in die Region.

Schwere Kost für Schülzles Besucher auch der Dokumentarfilm von Marion Leonie Pfeifer, den Schülzle ein Jahr zuvor, 2014, ins Programm gerückt hatte: "Zeit der Namenlosen". Er widmete sich dem Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution.

Bürger holen Drama um Hitler-Attentäter nach Kritik zurück ins Kino

Die anschließende Diskussion mit der Frauenbeauftragten des Ostalbkreises, Ingrid Krumm, kam zögernd in Gang, wurde dann aber umso engagierter geführt.

Vollends in die Schlagzeilen gerieten die Alblichtspiele, als Schülzle 2015 den Streifen "Elser – er hätte die Welt verändert", ein historisches Drama um den Hitler-Attentäter Georg Elser zeigte. Schülzle geriet ins Fadenkreuz der rechten Szene, sein Kino wurde mit Nazi-Symbolen beschmiert und er nahm den Streifen eine Zeit lang aus dem Programm. So lange, bis die Bürger Flagge zeigten. Viele Vereine, Gruppierungen, Parteien und Institutionen, auch die lokale Presse riefen damals zum Besuch des Kinos auf. Die Menschen strömten für den Elser-Film ins Kino.

Es hatte nie eine größere Solidaritätsaktion in Burladingen gegeben. Der Elser-Film lief noch viele Wochen.

Tradition ist auch schon fast der Kinobesuch der Senioren aus den Burladinger Pflegeheimen. Mit finanzieller Unterstützung des Fördervereins der Senioren kamen die einmal im Jahr, um sich Kultstreifen aus ihrer Jugend anzusehen. Etwa die Komödie "Das weiße Rössl vom Wolfgangsee" mit dem Schlagerstar Peter Alexander aus dem Jahr 1960. Die Senioren genossen den Ausflug, das plüschig-rote Kino mit dem Retro-Charme verströmte den Hauch der guten alten Zeit. Und immer wieder gerne zeigte Ludwig Schülzle manchen Besuchern die nostalgisch anmutenden alten Filmabspielgeräte, die er nie weggeschmissen, sondern in einer Kammer hinter dem Besucherraum aufbewahrt hatte.

Aber im Alter von 83 Jahren, so findet Ludwig Schülzle, darf er sich zur Ruhe setzen. Er ist dem Erbe seines Vaters mehr als gerecht geworden. Schon vor und nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Schülzles Vater die Gaststätte Saalbau betrieben, immer mal wieder Filme in der Wirtschaft gezeigt. 1966 schließlich entschloss Ludwig Schülzles Vater sich dazu ein Kino zu bauen. Der große und kleine Saal boten Platz für 105 oder 50 Zuschauer. Es blieb immer ein Familienbetrieb, Tante und Nachbarn halfen beim Karten abreißen, der Saalbau wurde zu Feiern genutzt.

Vor einigen Jahren beschloss Ludwig Schülzle aus Altersgründen kürzer zu treten und hatte das Kino montags und donnerstags geschlossen. Jetzt hat er die Kinotüren für immer geschlossen. Burladingen verliert damit eine Institution.