Den 59-jährigen Bremer Michael Ohm zieht es zum "Ziehsohn" in den Südwesten. Deshalb bewirbt er sich als Burladinger Bürgermeister. Foto: privat

Architekt und Diplom-Ingenieur aus Bremen tritt an. Orts- und Kreisverband wussten aber von gar nichts.

Burladingen/Bremen - Nun ist die Grünen-Fraktion im Gemeinderat, die lange nach einem geeigneten Bewerber fürs Bürgermeisteramt gesucht hat, jetzt zu einem Kandidaten gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Vom Architekten und Diplom-Ingenieur Michael Ohm erfuhren sie durch den Schwarzwälder Bote.

Vorgehen des Kandidaten sei unüblich

"Er hat sich bei uns nicht vorgestellt. Auch nicht beim Grünen-Kreisverband im Zollernalbkreis. Ob man ihn unterstützt oder nicht, müsste man dann in einem persönlichen Gespräch klären", kommentierte die frisch gebackene Vorsitzende der Burladinger Fraktion Bündnis 90/Grüne des Gemeinderats, Kamila Novak. Sie räumt ein, dass das Vorgehen des Kandidaten "unüblich" ist, zumal er bis zum Bewerberschluss am 24. August ja noch viele Wochen Zeit für Vorgespräche gehabt hätte.

Er sei eben ein Polit-Neuling, betont der 59-jährige Ohm dann im Gespräch mit unserer Zeitung. Politische Ämter habe er bisher noch keine gehabt, und bei den Grünen sei er seit 2019 Mitglied. Politisch interessiert sei er allerdings seit vielen Jahren, war vor rund fünf Jahren Mitbegründer und Landesvorsitzender der Bremer Partei der Vernunft.

Verwandtschaft zieht Ohm in den Süden

Auf Burladingen sei er sogar beim Internet-Auftritt der Grünen gestoßen, denn er habe gezielt nach Bürgermeisterstellen im Südwesten Deutschlands gesucht. Grund: Seine Familie, genauer gesagt der Sohn seiner einstigen Lebensgefährtin und dessen Frau und Kinder leben am Kaiserstuhl, und da der geschiedene Ohm zu dieser Familie, zu seinem "Ziehsohn" wie er sagt, rege Kontakte pflege und sie regelmäßig Besuche, wolle er auch in ihre Nähe ziehen. Die Vita des Architekten, Unternehmensberater und Diplom-Ingenieur liest sich – Kandidatur für die Grünen hin, Fahrradprojekte in Bremen her – durchaus bunt. Zehn Jahre war er im Ausland, in Vietnam, beruflich tätig, war dort von 2000 bis ins Jahr 2010 unter anderem beim Institut für Urbanisitk einer der Ratgeber und Unternehmensberater für Stadtentwicklung.

In seiner Bewerbung, die er bei der Stadt Burladingen, dem Ersten Beigeordneten Wiesner, abgegeben hat schreibt er über sich selbst: "Seit vielen Jahren bin ich bereits in der nachhaltigen nationalen und internationalen Stadt- und Regionalentwicklung im Bereich Regional-, Stadt- und Gebäudeplanung inklusive Infrastrukturentwicklung tätig.

Weiterhin arbeite ich auch in der nachhaltigen Mobilitätsentwicklung (Umwelt und Verkehr) in verschiedenen Projekten der Mobilitätsplanung mit (Einladungen vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin) zu Workshops in Kassel und Berlin zum Thema nachhaltiger Entwicklungspläne (VEP, SUMP) mit Civitas Prosperity (40 Akteure aus 15 Ländern der EU) – hier Förderung und Zusammenarbeit zwischen kommunalen und nationalen Entscheidungsträgern zur Entwicklung nationaler Programme für nachhaltige, städtische Mobilitätspläne und -programme (SUMP – Sustainable Urban Mobility Plan). Zum Beispiel habe ich die Plattform Mobilitäts-Arena e.V. für Nachhaltigkeit in Bremen gegründet, deren Vorsitzender ich bin."

Für den Drahtesel bringt er zu viele Kilos auf die Waage, gibt er zu

Ohm verweist auf deren Internetauftritt www.mobilitaets-arena.de, der aber gerade überarbeitet werde. Aktuell habe er als Vorsitzender der Mobilitätsarena e.V. Bremen die Bewerbung zum Betrieb des Repair-Cafés an der Hochschule Bremen eingeleitet, es gehe um das erste Fahrradmodellquartier in Deutschland.

Eine ausführliche Vorstellung des Betreiber-, und Entwicklungskonzepts habe bereits bei der Kanzlerin der Hochschule Bremen stattgefunden, und sein Projekt habe bereits den Zuschlag erhalten. Ziel sei es, Veranstaltungen zu organisieren und Gäste und Besucher einzuladen, die sich für Themen der nachhaltigen Mobilität interessieren und sich dafür engagieren wollen, betont Ohm.

In seinem Bewerbungsschreiben an die Stadt Burladingen zählt er zudem seine Referententätigkeiten im In- und Ausland auf und fügt abschließend hinzu: "Ich würde mich sehr freuen, die Stadt Burladingen als Bürgermeister mit hoher Fachkompetenz in den Bereichen Bau-, Stadtentwicklung, Klima-, Umwelt-, Naturschutz und Mobilität, Führungserfahrung und hoher persönlicher und sozialer Kompetenz, Identifikation mit Ideen und Zielen grüner Politik und der Bereitschaft zur engen Zusammenarbeit und intensivem Austausch mit der Gemeinderatsfraktion und dem Kreisvorstand der Stadt Burladingen zu unterstützen."

Fahrradmodellquartier hin oder her, den Drahtesel benutzt der Kandidat Ohm nicht, wie er gegenüber unserer Zeitung einräumt. Ja, er gibt sogar zu, früher begeisterter Autofahrer gewesen zu sein, inzwischen aber nur noch die öffentlichen Verkehrsmittel, Busse und Bahnen zu benutzen.

Für ein Zweirad, sei er, so kommentiert er launig, während des Telefonats bei einer privaten Geburtstagsfeier und einem Gläschen Sekt, mit seinen mehr als 100 Kilo wohl auch etwas zu schwer. Und ja, zugegeben, ein politisches Schwergewicht müsse er erst noch werden.