Parken Autos auf dem Gehweg, muss die MS-kranke Ute Tatzel-Nowel aus Hausen die Straße benutzen. Foto: Rapthel-Kieser

Alltag von MS-kranker Ute Tatzel-Nowel aus Hausen."Die Ringinger Engstelle ist überall."

Burladingen-Hausen - "Die Welt hat sich gedreht", so kommentiert die 52-jährige Ute Tatzel-Nowel, wie ihr zu Mute war, als sie 2002 die Diagnose erhielt, an Multipler Sklerose zu leiden. Davor war sie Reitsportlerin, ist gewandert, Rad gefahren und nahm an Orientierungsläufen teil.

Jetzt braucht sie Gehhilfen, meist sogar einen Rollstuhl und in dem kommt die Fortbewegung tatsächlich wieder einem Orientierungslauf gleich. Nicht nur, dass viele Wege und Gebäude nicht barrierefrei sind. Oft ist es auch die Gedankenlosigkeit ihrer Mitmenschen, die der Hausenerin ihr Leben mit Behinderung noch zusätzlich erschwert. Dass bei der Diskussion um den besonders engen Gehweg in Ringingen das geflügelte Wort der Barrierefreiheit auch für Rollatoren-Benutzer, Mütter mit Kinderwagen oder Menschen mit anderen Gehhilfen in aller Munde war, hat sie mit Interesse zur Kenntnis genommen. Aus eigener Erfahrung aber weiß sie: "Die Ringinger Engstelle ist überall." Dem Schwarzwälder Bote hat Ute Tatzel-Nowel ein wenig aus ihrem Alltag erzählt und er hat sie bei einer Rollstuhlfahrt durch den Ort begleitet.

Ein Problem sind Gehwegparker

Die Frührentnerin arbeitet noch stundenweise als kaufmännische Angestellte. "Ich bin klar im Kopf und will am Leben noch teilnehmen", sagt sie. Damit sie ihrem Beruf nachgehen kann, wurde ihr auch ein spezieller Rollstuhl mit Zugmaschine genehmigt. Die schafft es 30 Kilometer weit, kommt sogar - gut für die Alb - eine 20prozentige Steigung hinauf und kann Hindernisse wie Bordsteine oder hohe Kanten mit bis zu zehn Zentimetern Höhe überwinden. "Meinen Rollitraktor", nennt sie das Gefährt fast anerkennend. Eins der größten Probleme: Gehwegparker. "An denen komme ich mit meinem Rollstuhl nicht vorbei, da muss ich oft auf die Straße ausweichen", klagt die Frührentnerin. Mit ihrem Rolli auf der Straße fahren darf sie aber eigentlich nicht. Und jedes Ausweichen mit runter vom Gehweg, rum ums Hindernis und wieder rauf auf den Gehweg, birgt die Gefahr, ein herannahendes Auto zu übersehen und angefahren zu werden. Oder der Asphalt hat plötzlich ein starkes seitliches Gefälle: "Da würde mein Rollstuhl in Schräglage geraten und umkippen", erzählt sie an einer exemplarisch schlechten Stelle auf dem Gehweg in Hausen. Dort angekommen, wo Ute Tatzel-Nowel hin will, fällt ihr dann oft auf: Die Behindertenparkplätze sind zugeparkt. Von Nichtbehinderten. "Dafür habe ich immer kleine Zettel dabei, die ich manchmal unter die Windschutzscheibe stecke", gibt sie sich kämpferisch: Darauf steht: "Ich trete ihnen gerne meinen Parkplatz ab, wen sie meine Behinderung übernehmen."

Froh ist sie, dass es am Hausener Niklolausheim eine Rampe gibt. Problemlos kann sie dort Veranstaltungen besuchen. In anderen, auch öffentlichen Gebäuden, sieht es oft schlechter aus. Da gilt es, bevor sie sich auf den Weg machen kann, oft erst einmal herauszufinden: Gibt es einen barrierefreien Eingang, und wenn ja, wo ist der? Da sind kleine Hinweisschilder an den Eingängen manchmal so angebracht, dass Menschen im Rollstuhl sie nicht lesen können, da sind die Sprechanlagen zu weit oben oder auf Nachfrage in einer Stadtverwaltung weiß niemand Bescheid, welche Gebäude barrierefrei sind und welche nicht.

Ihr Ziel: Ein Komitee aus Betroffenen

"Ein öffentlich zugängliches Verzeichnis solcher Gebäude mit Beschreibung oder auch eine Liste der barrierefreien Wanderwege auf der Internetseite der Stadt veröffentlicht, könnte da so viel weiter helfen", sagt die 52-Jährige: "Man muss Inklusion leben und nicht predigen." Dazu gehört ihrer Meinung nach auch, dass behinderte Menschen nicht immer an das Hintertürchen verwiesen werden. "Das ist auch immer ein Stückweit entwürdigend", findet sie.

Tatzel-Nowel will auch in Burladingen anregen, ein Komitee aus Betroffenen zu gründen, das solche Anregungen aus der Praxis gibt und diese an den Gemeinderat und die Stadtverwaltung weiterleitet: "Gerade das Miteinbeziehen von Betroffenen bei Planungen ist ein Lösungsansatz, somit könnte aus solchen Schritten eine gemeinsame Win-Win Situation entstehen, wenn Betroffene bei angedachten Baumaßnahmen beratend mitwirken. Natürlich kann man nicht alle alten Gebäude über Nacht für viel Geld umbauen oder ausrüsten, aber nach und nach sollte das Thema auch von Kommunen angegangen werden", findet Tatzel-Nowel. Ein Beispiel ist auch das vordere Gebäude des Burladinger Rathauses. Es hat keinen Aufzug, aber drei Stockwerke. Der Sitzungssaal liegt im ersten Stock.