Gericht: Ein Mann verletzt den Freund seiner Schwester schwer und plädiert anschließend auf Notwehr

Ein Mann hat den Freund seiner Schwester mit einem Faustschlag schwer verletzt. Gegen einen Strafbefehl hatte er Einspruch eingelegt. Bei der Verhandlung am Mittwoch vor dem Hechinger Amtsgericht knickte er jedoch ein und zog den Einspruch zurück.

Burladingen. Es war der 21. Juni 2017. Wieder einmal gab es Streit in dem Mehrfamilienhaus, in dem der Angeklagte und seine Schwester ihre Wohnungen haben. Stein des Anstoßes war diesmal die defekte Heizanlage. Der damals 46-jährige Mann tobte herum, verhielt sich aggressiv. Als er in einen Heizraum ging, hielten seine Schwester und ihr Freund die Tür zu. Der wütende Mann verließ daraufhin den Heizraum durch die Garage und betrat das Haus wieder durch die Vordertüre.

Dort traf er den Freund seiner Schwester an. Mit einem Faustschlag streckte er den damals 45-Jährigen nieder. Er traf ihn mit solch einer Wucht, dass dieser schwerste Gesichtsverletzungen davon trug: Seine Nase war gebrochen, ebenso sein Jochbein und die Augenhöhle, ein Zahn war -ausgeschlagen. Der Mann blutete stark. Ein Rettungswagen brachte ihn ins Krankenhaus, wo er mehrere Tage stationär behandelt wurde, eine Metallplatte wurde ihm in seine Gesichtsknochen eingesetzt.

Wegen dieser Tat wurde gegen den Angeklagten ein Strafbefehl erlassen, gegen den er jedoch Einspruch einlegte. Bei der Verhandlung vor dem Hechinger Amtsgericht am Mittwoch schilderte er die Vorgänge ganz anders. Er sei zur Heizungsanlage gegangen, um nach dem Rechten zu sehen. Dort habe ihn der Freund seiner Schwester gleich angegangen, ihn am Hals gewürgt und in den Heizraum gedrängt. Als er wieder ins Haus zurückgekehrt sei, habe er den Freund seiner Schwester zur Rede stellen wollen. "Ich hab ihn gefragt: Was soll das?" Daraufhin habe der Freund ein Wurfmesser aus seinem Stiefel gezogen und ihm damit eine Schnittwunde am Oberarm beigebracht. Aus Notwehr habe er dann zugeschlagen. Anschließend habe er die Polizei alarmiert.

Diese Version konnten die in der Verhandlung befragten fünf Zeugen jedoch nicht bestätigen. Unter ihnen waren die Schwester, die angab, dass sie die Polizei gerufen habe, und zwei Polizisten, von denen einer vor Ort war und der andere vier Wochen später die Beteiligten befragte. Dabei stellte sich auch heraus, dass die Polizei von einer Frau alarmiert wurde.

Umstritten war vor allem das angeblich eingesetzte Messer. Keiner hatte etwas davon am Tatort mitbekommen und auch der Angeklagte hatte bei der polizeilichen Vernehmung am Tatabend weder das Messer noch seine angebliche Schnittverletzung erwähnt. Er sei zu aufgeregt gewesen, um sich daran zu erinnern, gab der Mann nun vor Gericht an.

Der Polizist, der vor Ort war, konnte sich jedoch noch sehr gut daran erinnern, dass alle Beteiligten alkoholisiert waren, einen freiwilligen Alkoholtest jedoch allesamt verweigerten. Die Geschichte mit dem Messer tauchte erstmals bei der polizeilichen Vernehmung vier Wochen später auf. Da berichtete der Angeklagte von dem Messerangriff und zeigte auch eine Kratzwunde am Oberarm – die nach Angaben des Polizisten, der die Aussage aufnahm, jedoch viel zu frisch war.

Als einzige deckte die Ehefrau des Angeklagten die Aussagen ihres Mannes. Der habe ihr gleich nach dem Vorfall von dem Messerangriff erzählt und habe ihr auch die Wunde gezeigt, die sie dann fotografierte. Die Bilder lagen dem Gericht vor, doch sei auf ihrem Mobiltelefon, mit dem sie die Bilder gemacht hatte, kein Aufnahmedatum aufgezeichnet. Und ja, ihr Mann sei es gewesen, der die Polizei herbeigerufen habe.

Der Vorsitzende Richter schenkte den Angaben der Frau jedoch keinen Glauben. Nachdem er sie eindringlich auf die Folgen einer Falschaussage hingewiesen hatte – es drohen zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft – berieten sich der Angeklagte und die Frau mit ihrem Anwalt. Dieser zog daraufhin den Einspruch zurück.