Viele Betroffene waren unter den Zuhörern und mit Jutta Pagel-Steidl eine Fachfrau am Pult. Die Veranstaltung der Grünen hat neue Impulse gegeben. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder Bote

Inklusion: Der gut besuchte Vortragsabend beleuchtete das Thema Barrierefreiheit und könnte Impulse geben

Diesmal war der Andrang groß. Rund 40 Zuhörer hatten sich zur Veranstaltung von Bündnis 90/Grüne in der Kornbühlstube des Hauses Fehlatal eingefunden. Das Thema: "Lebenslagen – Barrierefreiheit für Jung und Alt".

Burladingen. Nicht nur Betroffene mit Gehhilfen, Rollatoren oder Rollstühlen waren der Einladung gefolgt, auch einige alte und neu gewählte Gemeinderäte waren gekommen. Zur Freude von Organisatorin Ute Tatzel-Nowel, die hofft, dass der Abend und die Referentinnen auch für die Stadt Burladingen und ihre Entscheidungsträger einige Impulse geben können.

Und die Hausenerin, die selber an MS erkrankt ist, begründete gleich, warum bewusst dafür das Haus Fehlatal ausgewählt wurde. Es sei der einzige wirklich behindertengerechte Raum dieser Größe, den Burladingen habe. Denn zum Thema barrierefrei und behindertengerecht gehöre auch die entsprechende Toilette.

Zu Anfang machte die Referentin Jutta Pagel-Steidl gleich eins deutlich: Die barrierefreie Stadt gibt es nicht. Aber einige Gemeinden seien eben schon weiter als andere. Pagel-Steidl, früher in der Verwaltung tätig, ist jetzt Geschäftsführerin des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg (LVKM BW) und versucht nun, Verwaltungen und Kommunalpolitiker auf ihrem Weg zu mehr Inklusion von Körperbehinderten zu begleiten.

Eine erste, aber wichtige Maßnahme für Städte und Kommunen sei es, einen kleinen Wegweiser aufzulegen oder eine App zu kreieren, in dem alle Angebote und Möglichkeiten für Behinderte aufgezählt werden. Wo gibt es entsprechende Toiletten, welche Gaststätten, Supermärkte und Veranstaltungsräume sind barrierefrei oder haben eine Rampe, welche Arztpraxen sind leicht zugänglich und welche Hilfen gibt der ÖPNV für Menschen mit Einschränkungen?

In ihrem Lichtbildervortrag präsentierte die Fachfrau anschauliche Beispiele für den alltäglichen Hindernisparcours. Geldautomaten, die zu hoch hängen, Behindertentoiletten, die wie eine Rumpelkammer aussehen, oder das Fehlen von Wickeltischen für inkontinente Erwachsene. Leitlinien für Blinde, die sogenannten taktilen Bodenindikatoren, die mit dem Blindenstock erfühlbar sind, aber die zu "Leid-Linien" werden, weil sie zugestellt oder unterbrochen oder gar falsch eingebaut wurden.

Rat: Betroffene sollte man mit ins Boot holen

Und sie gab Anregungen: Schwimmbäder mit großen Kabinen, die rollstuhltauglich sind, Abgänge ins Becken, die auch für Behinderte funktionieren, Spielplätze, die auch behinderten Kindern gerecht werden.

Pagel-Steidl riet den Kommunen, die Betroffenen mit ins Boot zu holen, damit sie in einer Kommission Anregungen und Tipps gemeinsam erarbeiten können.

Lisa Wagner vom Landratsamt des Zollernalbkreises hat das gemacht. Ihr erstes Projekt auf der Behörde war die Entwicklung eines Wanderführers "Wandern wie die Andern", in dem sie elf "berollbare" Wandertouren auf der Zollernalb zusammenfasste. Sie erzählte, auf welche Schwierigkeiten sie dabei stieß, wie genau Steigungen und Neigungen ausgemessen oder die Angebote in der Umgebung abgeklopft werden mussten. Und auch davon, wie sie Schweißausbrüche bekam, als es galt, mit einigen Rollstuhlfahrern an einer Ampel die Straße zu überqueren, es wieder Rot wurde und noch längst nicht alle über den Randstein waren. "Da fing der Verkehr von beiden Seiten schon an zu rollen und es wurde richtig unangenehm", erinnerte sie sich. Auch, dass die Selbsteinschätzung einiger Gastronomen zur Barrrierefreiheit oft falsch sei.

Der Bisinger Konrad Flegr wies auf den erfolgreichen Bisinger Freizeitclub von Behinderten und Nichtbehinderten hin, der seit mehr als drei Jahrzehnten versucht, Inklusion zu leben. "Es geht auch darum, die Barrieren im Kopf abzubauen und Menschen mit Einschränkungen vorurteilsfrei und offen gegenüberzutreten und wo immer möglich, das Miteinander zu fördern", betonte er.