Reinhard Mayer zeigt sein neues Werk – und die fünf Dokumentationen, mit denen alles begann. Foto: Schweizer

Seit 50 Jahren lebt Reinhard Mayer in Burgfelden; in dieser Zeit ist sein Interesse an seiner Wahlheimatort und dessen Geschichte stetig gewachsen. 2010 erschien sein erstes Heimatbuch – jetzt folgt das zweite.

Albstadt-Burgfelden - Der Titel ist Programm: "Ereignisse in Burgfelden. Was war wann? – Wer war was?", so hat der heute 74-Jährige sein neues Werk betitelt und damit den Inhalt auf beispielhaft prägnante Weise auf den Punkt gebracht. Welches 300-Seelen-Dorf besitzt schon eine eigene Enzyklopädie? "Wenn du nach Burgfelden kommst und etwas wissen willst, musst du nur in dieses Buch schauen", verspricht der Verfasser.

Und damit nicht zuviel. Begonnen hat alles mit fünf Dokumentationen im DIN-A5- Format. Reinhard Mayer hielt darin alle Informationen über Burgfelden fest, auf die er im Lauf der Zeit gestoßen war: zum Gesangverein, zu den bald 1000-jährigen Fresken der Alten Kirche St. Michael, zur Feuerwehr, die auch schon über 200 Jahre alt ist. Ein Heftchen ist der Kirchengemeinde und ihrer Geschichte gewidmet, ein weiteres enthält alle Ansichtskarten mit Burgfelder Motiven, die Mayer auftreiben konnte.

Sogar in Neuseeland gibt es ein Exemplar

Aber trotz mustergültiger Ordnung blieb, wie so oft, ein widerspenstiger informationeller Rest, der sich der Katalogisierung entzog. "Eine Vielzahl blieb übrig – da habe ich beschlossen, ein großes Heimatbuch zu verfassen." 2010 erschien es, 248 Seiten dick, in einer Auflage von 360 Stück; der Titel lautete "Vom Weiler zum Stadtteil – 400 Jahre Burgfelden von 1570 bis 1970". Darin dokumentierten 1232 Fotos und viel Text die Geschichte des kleinsten und höchstgelegenen Albstädter Stadtteils, und zwar anhand der Häuser, welche einst durchnummeriert waren. Die Arbeit fand großen Anklang; sogar in der Schweiz, Neuseeland, in Berlin, auf Sylt und am Main stehen Buchregale, in denen Mayers Werk seinen festen Platz hat.

Muße dank der Pandemie

Gleich nach diesem ersten Erfolg machte sich Reinhard Mayer sich daran, so viele Ereignisse wie möglich chronologisch zu sortieren. Anfangs lief alles nach Plan, doch dann starb Reinhard Mayers Frau Rosemarie, und dieser Schicksalsschlag traf ihn so hart, dass eine vierjährige Pause die Folge war. Danach nahm er die Arbeit wieder auf; sie ging ihm vergleichsweise langsam von der Hand. Bis Corona kam. "Die Pandemie war ein Segen für mich", stellt Mayer fest. "Ich hatte viel Zeit, konnte alles aufarbeiten, was ich begonnen hatte, konnte die gesamten Gemeinderatsprotokolle durchlesen." Bis zu sieben Stunden täglich sei er am Schreibtisch gesessen – den Ruhestand stellt man sich anders vor.

Das erste Wort hat Goethe

Doch die Arbeit hat sich gelohnt. Das neue Buch ist 300 Seiten dick und beginnt erstens mit einem Goethezitat – "Eine Chronik schreibt nur derjenige, dem die Gegenwart wichtig ist" – und einem Bibelvers, der berühmten Sentenz "Alles hat seine Zeit" aus dem Buch Prediger. Es enthält 2507 historische Positionen, beginnend in der Jungsteinzeit um zirka 4000 vor Christus, in der sich anhand von Keramikfunden und einem Steinmesser erste Siedlungsstellen auf der Hochfläche nachweisen lassen. Mit Position 2507 schließt sich gewissermaßen der Kreis: Im Mai 2022 veranstaltete der Förderverein Burgfelden erstens eine Führung zur Schalksburg und zweitens eine Ausstellung mit Exponaten aus allen historischen Epochen in der Alten Schule.

Einstmals gab es drei Cafés

Darüber hinaus ist praktisch das gesamte Burgfelder Vereinsleben dokumentiert – wer war wann Vorsitzender oder wurde Ehrenmitglied? Das Geschehen im Gemeinderat wird ebenso thematisiert wie das Wirken von Ortschaftsrat, Schultes, Pfarrern, Lehrern und sonstigen Amtspersonen; die chronische Wasserknappheit früherer Zeiten kommt ebenso zur Sprache wie der unverhoffte Wohlstand, zu dem etliche Burgfelder Familien kamen, als 1911 die Trikotfirma Ammann & Bitzer eine Filiale im Ort eröffnete und den Frauen Arbeit gab.

Der Leser erfährt, dass es mit "Post", "Sternen" und "Krone" einst drei Wirtschaften im Ort gab, ebenso drei Cafés, nämlich Maier, Herter und Wedel. In letzterem wurde 1954 die Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz im Fernsehen gezeigt – es war die erste Direktübertragung der deutschen Mediengeschichte, und die Leute standen bis auf die Straße.

Bebildert ist das Werk mit mehr als 300 Fotos, jede Position ist mit einem Quellennachweis hinterlegt, und ganz am Ende findet sich eine 14-seitige Suchhilfe, die zu jedem Registereintrag die dazugehörige Position und die entsprechende Seite liefert.

Mehrere tausend Stunden Arbeit, in Archiven, bei der Lektüre und am Computer, stecken in diesem Buch. Gelohnt haben sie sich allemal.