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Tränen, Dank, Mahnungen: Die Verleihung des bekanntesten deutschen Medienpreises steht im Zeichen von 20 Jahren Mauerfall.

Potsdam - Die Botschaft des Sponsors ist einfach, aber einprägsam. "Ein Abend. Ein Preis. Ein Erlebnis. Viel Spaß" steht da in großen Lettern auf den Werbetafeln neben dem roten Teppich. 1500 Meter des guten Stoffes sind auf dem Teer vor der Metropolis-Halle verlegt worden, riesige Scheinwerfer machen die Nacht zum Tag, muskelbepackte Herren reißen die Türen der vorfahrenden Karossen auf, damit sich die 800 geladenen Gäste in langen Roben und dunklen Anzügen anlassgemäß herausschälen können und im Blitzlichtgewitter der geschätzten 300 Fotografen über den imaginären Laufsteg schreiten.
 

Wenn nicht klar wäre, dass dieses Areal zu den Filmstudios Babelsberg gehört, man könnte glatt meinen, hier würde ein Film gedreht. Möglicher Titel: "Das alljährlich wiederkehrende Spektakel um das goldene Reh" - oder "Eine Branche feiert sich selbst".

Bambi, dieser Medienpreis aus dem Offenburger Burda-Konzern, das ist was fürs Herz, etwas für die Emotionen. Da mag Deutschland seit Monaten unter der Wirtschaftskrise leiden, an diesem Abend ist das alles kein Thema. Da übernehmen Glanz und Glamour die Regie. Nirgendwo ist die Promi-Dichte so hoch wie in dieser Nacht. Da genieren sich Fotografen nicht, am roten Teppich erfolgreiche Schauspielerinnen wie Gudrun Landgrebe und Maria Furtwängler einfach mit dem Vornamen zu rufen, auf dass die im richtigen Moment mit dem richtigen Lächeln in ihre Kamera schauen und es klick machen kann.

Da wird heftig darüber spekuliert, welches Kleid die Schauspielerin Katja Flint trägt, wieso TV-Allzweckwaffe Barbara Schöneberger deutlich sichtbare Probleme mit ihrem Dekolleté hat, warum Till Schweiger einen Bauchansatz mit sich trägt und warum Krawattenmuffel und ARD-Moderator Frank Plasberg plötzlich Schlips trägt. Ist es der Würde des Abends geschuldet?

Der Burda-Konzern, der den Medienpreis seit 61 Jahren verleiht, ist mit dem Spektakel diesmal nach Potsdam gezogen, weil die Stadt 20 Jahre nach dem Mauerfall "wie keine andere für das Zusammenwachsen von Ost und West steht", wie es offiziell heißt. Ein paar Hundert Meter von der Halle entfernt steht die Glienicker Brücke - das Symbol der deutsch-deutschen Teilung. In dieser Nacht ist sie festlich illuminiert, das goldene Rehkitz steht leuchtend daneben.

Mehrfach weht der Hauch dieser Geschichte auch drinnen durch den Saal. Zum Beispiel, als Altkanzler Helmut Kohl den Bambi für seine Verdienste um die deutsche Einheit erhält und ein Kinderchor zusammen mit Peter Maffay das Lieb von "den sieben Brücken" anstimmt. Bis zuletzt haben die Organisatoren gehofft, dass Kohl nach Potsdam kommt und den Preis persönlich entgegennimmt. Aber er hat aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.

Nun sitzt er zu Hause in Ludwigshafen, noch immer schwer gezeichnet von seiner Krankheit - und erhält vor Ort die Laudatio vor Ort von seinem Freund und früheren Finanzminister Theo Waigel. Der lobt ihn "als einzigartige Persönlichkeit", deren Wirken eigentlich "mit einem Mammut, nicht mit einem Bambi" gewürdigt werden müsste. Das meint auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. "Sie haben Ihr Vaterland in Frieden und Freiheit vereint", lobt er den ehemaligen Bundeskanzler und "großen Europäer" in einer Videobotschaft aus Brüssel.

Und noch einmal wird die Brücke zur Vergangenheit geschlagen - als "die stillen Helden der Montagsdemos" für ihren Mut in jenen Novembertagen 1989 geehrt werden. Damals haben es Christoph Wonneberger, Siegbert Schefke und Aram Radomski gewagt, die friedliche Revolution auf den Weg zu bringen - mit Worten, vor allem aber mit Bildern, die sie in den Westen schmuggeln.

Es ist der Durchbruch für den Fall der Mauer. Und eine Mahnung, die bis heute anhält. Die Preisträger werben für gewaltfreie Konfliktlösungen auf der Welt und warnen davor, dass die Stasi-Mitarbeiter von damals heute in deutschen Bundesländern mitregieren dürfen. Bravorufe ertönen aus dem Saal, der Applaus ist heftig. Plötzlich wird diese Glamourveranstaltung politisch.

Das war's dann aber mit der Historie. Die anderen Bambis in den insgesamt 16 Kategorien werden wie immer quer durchs Showbusiness vergeben. Die deutsche Band Silbermond und Pop-Ikone Shakira erhalten die Ehrung für ihre Musik und geben den Dank in ebensolcher Form zurück. Der britische Welt-Star Kate Winslet bekommt das goldene Rehkitz in der Kategorie "Schauspielerin international" für ihre Rolle als KZ-Aufseherin in dem Streifen "Der Vorleser" und ist ob des Bambis so entzückt, dass sie es erst einmal auf dem Boden abstellen muss: "Mensch, ist der schwer."

Und noch zwei Damen gehört an diesem Abend die besondere Aufmerksamkeit. Zum einen Stephanie zu Guttenberg. Eigentlich soll ihr Mann, der Verteidigungsminister, die Laudatio auf Bayern-München-Manager Uli Hoeneß halten, der den Preis in der Kategorie Wirtschaft erhält. Die politischen Turbulenzen in Berlin machen den Minister aber unabkömmlich. So tritt seine Frau ans Mikrofon, packt die Rede aus und meint trocken: "Denken Sie sich den Verteidigungsminister einfach in dieses Abendkleid." Der Applaus ist ihr sicher.

Genauso wie Jessica Schwarz. Während ihr Kollege Edgar Selge als bester nationaler Schauspieler geehrt wird, bekommt sie diese Auszeichnung für ihre Rolle der Romy Schneider im gleichnamigen TV-Streifen. Als Schwarz den Preis in den Händen hält, meint sie mit Tränen in den Augen: "Ich werde verrückt." Schon so oft sei sie für Preise nominiert gewesen, immer ging sie leer aus. Dass sie jetzt den Bambi erhalte, sei eine "unfassbar große Ehre". Oder heißt es doch das Bambi? In diesem Moment ist das herzlich egal.