So lässig die Farbe aufgetragen wurde – man erkennt die Blumen auf Max Liebermanns „Blumenstauden am Gärtnerhäuschen nach Osten“ von 1923. Foto: Burda Museum

Nicht nur die Franzosen haben impressionistisch gemalt. Auch in Deutschland wagten sich einige An die neue flirrende Malerei. Können sie mit den Franzosen mithalten?

Mit etwas Abstand kann man die Dinge häufig klarer sehen. Deshalb muss man mindestens zwei Meter zurücktreten, weil man sonst nur Geschmier sieht – Schlieren und klumpige Farbklekse, die ausschauen, als hätte sie jemand mit dem Spachtel platt gezogen. Mit etwas Distanz entpuppt sich das Chaos als Blumenbeet, in dem, wer weiß, üppige Rosen und Gladiolen köstlich blühen, Lilien und Löwenmäulchen. Das hemmungslose Geschmier entpuppt sich als Max Liebermanns Garten am Berliner Wannsee, den er sehr frei und impressionistisch malte.

 

Es flirrt und flimmert vor den Augen

Impressionismus? Sind da nicht die Franzosen vorneweg gewesen? Auch wenn sofort Namen wie Monet, Renoir und Pissarro zur Hand sind, gab es auch deutsche Impressionisten. Und einer der ersten, der auch in Deutschland versuchte, den Pinsel so frei und lässig zu schwingen, dass die Striche auf der Leinwand tanzen, war Max Liebermann. Er wurde zum Vorreiter – und schon bald wollten auch andere Maler Gegenstände nicht mehr nur brav abkupfern. Und was Lovis Corinth, Max Slevogt oder Fritz von Uhde produzierten, kann sich durchaus mit den berühmten Franzosen messen.

Deshalb wird das Publikum zweifellos ins Museum Frieder Burda in Baden-Baden in Scharen in die Ausstellung „Impressionismus in Deutschland“ strömen, in der es nur so flirrt und flimmert vor den Augen. Es wurden viele bedeutsame Werke aus anderen Museen zusammengetragen – herrliche Gartenbilder oder sommerliche Szenen aus dem Biergarten. Auch um 1900 ließen es sich die Menschen sehr gern gut gehen.

Dass viele dieser Bilder so ansprechend und sinnlich sind, liegt vor allem daran, dass sie im Freien entstanden – und nicht mehr im düsteren Atelier gemalt wurden. Es waren nun auch neue, leuchtende Farben verfügbar. Im Freien musste es allerdings fix gehen, wenn man eine Momentaufnahme auf die Leinwand bringen wollte – schnell, bevor die Wolken weiterzogen oder die Sonne sank. Deshalb versuchte man erst gar nicht, jedes Detail sorgfältig auszuformulieren wie auf einem Foto – sondern ließ den Pinsel zügig fliegen.

In Deutschland nimmt der Impressionismus zeitlich erst später Fahrt auf als in Frankreich, wo er schon um 1860 beginnt. Das ändert nichts daran, dass etwa der Maler Lesser Ury im nächtlichen Berlin höchst stimmungsvoll die Lichter der Scheinwerfer und Laternen einfing. Man atmet auch förmlich den Duft von Charlotte Berend-Corinth, die ihr Mann 1910 gemalt hat, wie sie genüsslich im Bett liegt.

Max Liebermann ist eine zentrale Figur

Es gibt auch einige weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler in der Baden-Badener Ausstellung, denn natürlich begannen auch andere, diese neue Malweise zu erproben. Dora Hitz (1853–1924) war um die Jahrhundertwende eine prägende Figur der Berliner Kunstszene und gründete mit Max Liebermann und anderen die Berliner Secession. Die Künstler fuhren auch gern nach Paris, um Originale von Edgar Degas, Monet oder Renoir zu sehen, deren Werke auch bald in Deutschland gehandelt werden – ganz vorneweg von Paul Cassirer in seinem Berliner Kunstsalon. Auch der Direktor der Berliner Nationalgalerie kaufte in den 1890er Jahren Werke von Franzosen, was den Kaiser allerdings sehr empörte.

Max Liebermann kaufte auch selbst Werke an und baute eine umfangreiche Sammlung zur Malerei des französischen Impressionismus auf, die heute in alle Winde verstreut ist. Er blieb die zentrale Figur und pflegte einen engen Austausch mit Frankreich. Er wurde sogar als erster Deutscher in der edlen Société des Beaux-Arts und in die französische Ehrenlegion aufgenommen. Das war im konservativen Deutschland nicht nur gern gesehen, zumal er jüdisch war.

Sinnlich: Lovis Corinth „Lesende“ von 1911 Foto: Ketterer Kunst/Marc Autenriet

Schade, dass die Baden-Badener Ausstellung, die gemeinsam mit dem Museum Barberini in Potsdam konzipiert wurde, so uninspiriert ist – und man die an sich schönen Werke auf die langweiligste Art gehängt hat: thematisch. Alltagsszenen, Kinderbildnisse oder Stadtansichten zusammenzupacken, mag Ordnung ins bunte Potpourri bringen, aber der Erkenntnisgewinn ist gering, wenn die „Kinderstube“ von Fritz von Uhde neben einem Doppelbildnis von Sabine Lepsius hängt. Die Zeiten, als das Burda-Museum auch kuratorisch Maßstäbe setzte, sind leider vorbei.

Stattdessen verlässt man sich auf die berühmten Werke, die zweifellos Qualität haben – vor allem die Gartenbilder von Max Liebermann, die allerdings im Obergeschoss etwas unter Wert verkauft werden. Max Liebermann ließ sich nicht nur malerisch von den Franzosen inspirieren, sondern auch von Claude Monets fantastischem Garten. Der Nutz- und Blumengarten bei Liebermanns Berliner Villa fällt zwar etwas weniger pompös aus als Monets riesige Blumenbeete in Giverny, das Anwesen am Wannsee ist aber noch heute einen Besuch wert. Hier wachsen sogar die Birken noch so kreuz und quer wie auf Liebermanns Gemälde vor hundert Jahren.

Wie der Maler gerade bei diesen späten Gartenbildern die Farbe förmlich auf die Fläche schmierte, ist imposant. Allerdings hatte die Kunst zu dieser Zeit bereits neue Wege beschritten – was in der Ausstellung nicht weiter thematisiert wird. Ausgerechnet Liebermann, der als Vorreiter des Impressionismus in Deutschland so viel Spott hatte einstecken müssen, wollte im Alter von den aufkommenden Tendenzen und einer sich stets weiterentwickelnden Kunst nichts wissen. „Der Fluch unserer Zeit ist die Sucht nach dem Neuen“, erklärte er entschieden, „der wahre Künstler strebt nach nichts anderem, als: zu werden, der er ist.“

Trauriges Ende

Verfolgung
Sein Erfolg schützte die jüdische Familie Liebermann nicht. Der Maler starb 1935 – zwei Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Seine Frau sollte 1943 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert werden – sie brachte sich vorher um.

Info
Ausstellung bis 8. Februar, geöffnet Di bis So 10 bis 18 Uhr. adr