Hautnah und anschaulich erlebten rund 70 Besucher, was die Begriffe Toleranz, Würde und Unmittelbarkeit bedeuten. Das Fest war Teil der „Woche der Demokratie“.
Der Interkulturelle Beirat, der Jugendgemeinderat und das frauenpolitische Forum sprachen mit „Demokratie für die Sinne“ tatsächlich alle Sinne mit einem bunten und vielfältigen Programm an. Neben viel Musik gab es Beiträge, die unterschiedliche Sichtweisen auf den Begriff Demokratie zeigten. In einem waren sich alle einig, Zuschauer und Beteiligte: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – ausgenommen all diese anderen, die man von Zeit zu Zeit ausprobiert hat.“ Das Zitat des britischen Premierministers Winston Churchill wiederholte Wolfgang Meier, ehemals Sprecher des Interkulturellen Beirates, sinngemäß.
Alle plädierten mit viel Leidenschaft für die Demokratie als Form des Miteinanderlebens. Die Beiträge waren aufgrund der individuellen Biografien bemerkenswert. Oleksandra Valter, die zum Interkulturellen Beirat gehört und sich im Freundeskreis Flüchtlinge engagiert, analysierte, wie die Demokratie in ihrer Heimat, der Ukraine, derzeit aussieht. Wie verlässlich ist die Demokratie in dem Land, das seit drei Jahren die russische Aggression abwehrt?
Gleichberechtigung von Mann und Frau ist Thema
Valter verwies auf die Werte, die das Land auch im Krieg aufrechtzuerhalten versuche. Wären Wahlen unter dem Kriegsrecht realistisch? Ihre Antwort: Wie sollten jene fair wählen können, die in Gebieten leben, die die russische Armee besetzt hat? Nicht verwunderlich war die Präzision der Analyse, Valter ist studierte Juristin.
Pascale Simon-Studer stellte nüchterne Zahlen zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern vor. Ein einfaches Beispiel: In Deutschland leben knapp 52 Prozent Frauen. Im Bundestag liegt die Frauenquote bei 31,4 Prozent, mit fallender Tendenz. Beifall bekam Simon-Studer für ihre Anmerkung, dass der Lahrer Gemeinderat mit der Frauenquote im Vergleich zu anderen Kommunen ähnlicher Größenordnung relativ gut dastehe. Von 32 Plätzen sind elf von Frauen besetzt.
Oberbürgermeister Markus Ibert gab eine Weisheit zu bedenken: „Wie der Mensch sich wandelt, wird er als Mensch behandelt.“ Sinngemäß hat das der Lyriker Eugen Roth gesagt. Ibert ergänzte dieses Zitat mit der Tatsache, dass jeder Mensch seine eigene individuelle Geschichte hat und in einer Veranstaltung wie dieser der Mensch im Mittelpunkt stehe.
Unterschiedliche musikalische Beiträge
Sonya Shamsani, eine der Sprecherinnen des Interkulturellen Beirates, hatte den Nachmittag mit diesen Worten eröffnet: „Demokratie ist keine Bühne, wo nur wenige laut sind. Sie ist der Platz für viele Stimmen, für das Kind, den Alten, den Fremden, die Frau, den homosexuellen, den religiösen und dem Behinderten Menschen.“ Thi-Dai-Trang Nguyen (Interkultureller Beirat) und Hadi Sayed-Ahmat (Jugendgemeinderat) moderierten den Nachmittag. Ihre Art, die einzelnen Redner mit kurzen Fragen vorzustellen, war erfolgreich: Die meisten Gäste fanden das rund zweistündige Programm ausgesprochen kurzweilig. Es gab dazwischen einige sehr unterschiedliche musikalische Beiträge, unter anderem mit dem Trio Kurdo, Lisette Noelia und einer jungen Sängerin namens Anastasia. Die brachte es gesanglich auf den Punkt mit einem Hit der Sängerin Tina Turner: „Simply the Best“.
Moderatoren sind mit Veranstaltung zufrieden
Auch eine gelegentliche Tuchfühlung gehörte zu dem Fest im Pflugsaal: Bei Liedern von Kurdo tanzten viele der Zuschauer mit. Und wenn die Liebe durch den Magen geht, dann war das reichhaltige Büfett nach dem Programm ideal, um Toleranz und Miteinander bei internationalen Gerichten weiterzuerkunden.
„Wir sind zufrieden mit der Veranstaltung“, erklärte Nguyen im Nachgang. Der Mut aller Beteiligten, ihre Stimmen für die Demokratie zu erheben, sei lobenswert. Sie sei berührt, dass keiner der Teilnehmer der Veranstaltung überredet werden musste. „Es ist uns allen ein Bedürfnis, für Demokratie, Freiheit, Frieden und Menschlichkeit zu stehen“, berichtete sie. Es sei ein großes Zeichen gewesen, dass Ibert und einige Fraktionen des Gemeinderates gekommen sind. „Demokratie ist für mich verknüpft mit Frieden, Respekt, Vielfalt und Konsens innerhalb des Grundgesetzes. Wir sind uns einig, dass unsere Demokratie in Gefahr ist. Umgekehrt lebt die Demokratie vom Einsatz aller“, so Nguyen.
Auch Sayed-Ahmad betonte, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei. „Sie zu schützen und zu stärken ist eine dauerhafte Aufgabe – nicht nur jetzt, sondern immer. Denn der Einsatz für die Demokratie ist ein täglicher Prozess, der heute wichtiger ist als je“, findet er.
Heute geht’s weiter
Bei der „Woche der Demokratie“ lädt das Scheffelgymnasium am heutigen Mittwoch ab 18 Uhr ins Stadtmuseum. In der Ausstellung „Lahr, Jamm & Kuba“ beschäftigt sich der Literatur- und Theater-Kurs mit dem Thema „Unsichtbare Ungerechtigkeit“. Es geht um Ausbeutung, die man nicht sehen kann oder will. Die Veranstaltung ist die Finissage der Ausstellung. Im Forum Kino wird heute ab 19.30 Uhr „Das weiße Band“ gezeigt. Der Film spielt vor Beginn des Ersten Weltkriegs. Unter anderem wird gefragt, ob Unterdrückung und Demütigung auch heute noch empfänglich machen für extreme Ideologie. Der Eintritt kostet sechs Euro.