"Europafeinde" wurden in ihre Schranken verwiesen, so der Grünen-Rechtsexperte Montag.

Karlsruhe - Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Euro-Hilfen ist nicht die Machtdemonstration gegenüber Europa, die mancher von den Karlsruher Richtern erhofft hatte. Vielmehr wurden „notorische Anti-Europa-Kläger“ und „Europafeinde“ in ihre Schranken verwiesen, wie der Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag sagte.

Das Verfassungsgericht erklärte den Euro-Rettungsschirm und sein Zustandekommen für verfassungsmäßig und stärkte die Parlamentsrechte weiter - wie schon zuvor im Lissabon-Urteil. Der Zweite Senat machte unverrückbare Auflagen, die das Bugdetrecht des Parlaments unterstreichen, auch für weit in der Zukunft liegende Entscheidungen.

Dies gelang letztlich durch einen juristischen „Trick“, wie Dietrich Murswiek, der Freiburger Staatsrechtler und Prozessbevollmächtigte des CSU-Abgeordneten Peter Gauweilers sagte. Das Gericht hat die Gesetze vom Mai 2010, die gigantische Garantiesummen für Griechenland und andere hochverschuldete Euro-Länder vorsehen, zwar nicht für verfassungswidrig erklärt.

Die Richter entschieden aber, dass das Gesetz zum Euro-Rettungsschirm „nur bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar“ sei. Es sei „dahingehend auszulegen“, dass die Bundesregierung vor Übernahme von Gewährleistungen verpflichtet sei, die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses einzuholen. Es genüge nicht für die Bundesregierung, „Einvernehmen“ mit dem Ausschuss herzustellen.

"Grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungfähigkeit"

Auch wenn diese eher kleine Ausschuss-Lösung nicht der etwa von Murswiek erhoffte „Parlamentsvorbehalt“ in Reinkultur ist, hat das Urteil dennoch wegweisenden Charakter in der gegenwärtigen Euro-Krise: Denn dem Verfassungsgericht ging es letztlich um nichts Geringeres, als die Grundsätze der Demokratie in Erinnerung zu rufen.

Die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand müsse „in der Hand des Bundestages bleiben“, heißt es in dem Urteil. Denn dies sei „ein grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungfähigkeit“.

Die Abgeordneten müssten als gewählte Repräsentanten des Volkes die Kontrolle über fundamentale haushaltspolitische Entscheidungen behalten. Der Bundestag dürfe keine Finanzmechanismen begründen, die zu nicht überschaubaren und für den Haushalt bedeutsamen Belastungen führen könnten, ohne dass der Bundestag erneut zustimme.

Und dann gab es noch einen interessanten Hinweis aus dem Mund des Berichterstatters in dem Verfahren, Richter Udo di Fabio: Der Bundestag dürfe keine dauerhaften völkervertragsrechtlichen Mechanismen etablieren, „die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen“, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden seien.

"Unbegrenzte Ausgabe von Euro-Bonds"

Das Gericht machte zwischen den Zeilen deutlich, dass es in einer „Transferunion“ und einer Vergemeinschaftung von Staatsschulden ein grundsätzliches Problem sehen würde - auch wenn es noch nicht so weit sei. Nicht ganz zu Unrecht meinte danach der beschwerdeführende Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, eine „unbegrenzte Ausgabe von Euro-Bonds“, also gemeinsamen Staatsanleihen aller Euro-Staaten, sei nach diesem Urteil nicht mehr möglich.

Die Richter entschieden im Übrigen nicht darüber, ob durch die Milliarden-Bürgschaften eine „objektive Beeinträchtigung der Kaufkraft des Euro von erheblichem Umfang“ ausgehen könnte. Denn für eine solche mögliche Verletzung des Eigentumsrechts hätten die Kläger „nicht hinreichend Tatsachen vorgetragen“.