Die Polarisierung zwischen Union und Grünen hat der Linken massiv geschadet. Die Partei hat sich aber auch eigene Fehler geleistet.
Berlin - Am kommenden Wochenende beschließt die Linke ihr Bundestagswahlprogramm und kürt die beiden Spitzenkandidaten Janine Wissler und Dietmar Bartsch. Die Partei kann so einen Impuls gut gebrauchen, denn sie steht am Ende der Wahlperiode nicht gerade gut da. Manche Umfragen sehen sie unter sieben Prozent und die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt brachte eine Enttäuschung. Der Schwung durch die Wahl von zwei Frauen als Parteivorsitzende (Wissler und Susanne Hennig-Wellsow) im vergangenen Februar, ist gründlich abhanden gekommen. Dafür gibt es mehrere Gründe, nicht alle sind selbst verschuldet. Ein Überblick.
Der Höhenflug der Grünen
Das kurzfristige Kopf-an-Kopf-Rennen der Grünen und der Union ist Gift für Wahrnehmung der Linken, weil taktisch orientierte Wähler die Chancen vergrößern wollen, eine Kanzlerin aus dem rot-rot-grünen Spektrum zu bekommen.
Doppelter Profilverlust
Gerade im Osten hat sich gezeigt, dass die gemeinsame klare Haltung der demokratischen Parteien gegenüber der AfD zwar prinzipiell sehr wünschenswert ist. In Sachsen-Anhalt war bei manchem Linken-Wähler der Impuls aber so groß, einen Nicht-AfD-Politiker zum Amt des Ministerpräsidenten zu verhelfen, dass immerhin 18 000 Linke-Wähler direkt zur CDU gingen. Die glasklare Frontstellung zur CDU-Politik wurde jedenfalls unklarer und dafür zahlte die Linke einen Preis.
Unsichtbarkeit in der Pandemie
Die Linke hat in der Pandemie den Regierungskurs prinzipiell mitgetragen. Sie forderte die härtere Einbeziehung der Wirtschaft in Lockdown-Maßnahmen, pochte auf die Finanzierung von Lüftern für die Schulen – aber sie kritisierte nicht pauschal die ganze Regierungslinie. Das war zwar durchaus verantwortungsvoll, aber es kostete Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Die Bühne in Pandemie -Zeit gehörte der Regierung und allenfalls der FDP, die fundamentalere Kritik äußerte, ohne den Schwurblern das Wort zu reden.
Fehler und Kämpfe
Eigene Defizite kamen hinzu. Die neue Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow zeigte sich in ihren ersten Talkshow-Auftritten in Sachfragen nicht sattelfest. Die in solchen Formaten eigentlich immer gut aufgelegte Janine Wissler war noch stark in Hessen gebunden, wo sie Fraktionschefin im Landtag ist. Inhaltlich neue Initiativen kamen kaum von den beiden Chefinnen. Dafür gibt es Ärger mit alten Bekannten. Sahra Wagenknecht polemisiert in einem neuen Buch gegen die „Lifestyle-Linke!“ und ihr Ehemann Oskar Lafontaine ruft im Saarland sogar dazu auf, den dortigen linken Spitzenkandidaten nicht zu wählen. Inzwischen liegen gegen beide sogar Anträge auf Parteiausschluss vor.
Die Linke hofft darauf, wieder in die Offensive zu kommen, wenn die Pandemie in den Hintergrund rückt und wieder über Fragen der sozialen Gerechtigkeit geredet wird. Mieten, gerecht finanzierte Pflege und eine höhere Beteiligung der Reichen an den Folgekosten der Pandemie – das sollen die Themen im Wahlkampf werden. Aber bange Blicke richten sich auf die saarländischen Störer.