Thomas Oppermann, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion stand bei seinem Redaktionsbesuch Rede und Antwort. Foto: Fritsch

Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion steht Rede und Antwort. Anvisiertes Ziel: 30 Prozent plus X.

Oberndorf - Der gebürtige Münsterländer hat es weit gebracht, obwohl es in seiner Jugendzeit für den zweimaligen Sitzenbleiber keineswegs danach aussah. Doch er hat die Kurve gekriegt. Und wie. Thomas Oppermann (63) ist seit 2013 Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, hat zwei juristische Staatsexamen mit Prädikat hingelegt, war als Verwaltungsrichter tätig und absolvierte in der SPD eine steile Karriere, die ihn schließlich an die Spitze der Bundestagsfraktion führte. Und dabei wollte er eigentlich einmal Sportreporter werden, wie er am Dienstag bei seinem Redaktionsbesuch verriet.

Es ist Wahlkampfzeit, und so tourt Oppermann durch das Land, absolvierte bisher 45 Wahlkampfauftritte. Etwas, was ihm viel Spaß mache, denn dabei lerne er neue Menschen, Themen und Landschaften kennen. Auch Baden-Württemberg erhält lobende Worte, denn in Tübingen habe er zwei Semester Germanistik und Anglistik studiert und die "Predigten zur Literatur" von Walter Jens gehört, ehe er sich doch der Juristerei zuwandte.

Doch es läuft aktuell nicht gut für die Sozialdemokraten und deren Spitzenkandidaten Martin Schulz, will man den Umfragen glauben. Und es klingt schon etwas nach dem Pfeifen im Walde, wenn Oppermann sagt: "Wir Sozialdemokraten wären nicht 154 Jahre alt geworden, wenn wir die Flinte ins Korn geworfen hätten in schwierigen Situationen." Zu kämpfen sei in der politischen DNA der SPD enthalten. Zudem seien viele Wähler noch unentschlossen, und wüssten nicht, wem sie ihre Stimme geben werden. Deshalb wäre ein Ergebnis von "30 Prozent plus X" durchaus möglich.

"Die Union und ihre Anhängerschaft treten auf wie die sicheren Sieger. Wenn sie sich da mal nicht täuschen. Nicht die Demoskopen entscheiden die Wahl, sondern die Wähler", sagt Oppermann. Bei Wahlkampfveranstaltungen, in denen SPD-Themen wie Rente, Bildung, Gesundheit, Steuern aufgegriffen werden, herrsche eine völlig andere Stimmung, als es die Umfragen vermitteln würden.

Und er macht weitere Indizien für ein gutes Abschneiden der SPD aus. "Wir sind eine Volkspartei der linken Mitte", in die seit Januar, also dem Wechsel zu Martin Schulz, 23 000 neue Mitglieder eingetreten seien. Darunter überwiegend junge Leute, die nicht wollen, "dass rechte Spinner und Fanatiker dieses schöne Land kaputt machen". Diese jungen Mitglieder wollten auch nicht, dass das passiert, was in Großbritannien mit dem Brexit passiert ist. Sie stünden zu Europa.

Allerdings: "Unter zwölf Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel hat sich der Zustand der europäischen Union kontinuierlich verschlechtert. Nicht alles ist ihre Schuld, aber das passiert, wenn man an Europa mit spitzen Fingern herangeht wie Frau Merkel." Und dann die Überraschung: "Das hätte Helmut Kohl nie zugelassen", formuliert Oppermann und macht diese Behauptung an Griechenland fest: "Man hätte die Griechenlandkrise von Anfang an völlig anders anpacken müssen. Frau Merkel hat die Neigung, die Probleme auszusitzen und auf Sicht zu fahren. Im Augenblick sieht alles gut aus. Aber unter der Decke sind viele ungelöste Probleme, die wir jetzt lösen müssen, sonst werden sie in Zukunft immer größer."

Oppermann kritisiert auch den Alleingang der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise. Eine Folge: unzählige Falscheintragungen im Ausländerzentralregister. Dies sei unerhört, denn "wir müssen wissen, wer im Land ist. Das kriegt Thomas de Maizière nicht in den Griff." Asylverfahren müssten in drei Monaten abgeschlossen sein, fordert er.

Kritik auch an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und ihr nicht ganz ungetrübtes Verhältnis zur Bundeswehr: "Die Truppe freut sich auf den Tag, ab dem diese Ministerin nicht mehr im Amt ist", so Oppermann.

Geht es darum, die innere Sicherheit zu stärken, würden neue Gesetze nur wenig bringen. Stattdessen fordert Oppermann – hier wieder ganz Jurist – dass bestehende Gesetze konsequenter angewendet werden. Zudem soll die Polizeipräsenz im öffentlichen Raum deutlich erhöht werden, wozu 15 000 zusätzliche Stellen beitragen sollen.

Schulz habe mit dem Thema "Mehr soziale Gerechtigkeit" auf das richtige Pferd gesetzt. Gerade in sozialen Berufen gebe es oftmals Ungerechtigkeiten, die beseitigt werden müssen, so Oppermann.

Und wie ist sein Verhältnis zum CDU-Fraktionsvorsitzenden und Duz-Freund Volker Kauder? Es scheint von Harmonie geprägt zu sein: "Ich komme sehr gut mit Volker Kauder zurecht. Wir haben uns immer aufeinander verlassen können. Es hat mir große Freude gemacht, mit dem absoluten Politprofi und dem Menschen Volker Kauder zusammen zu arbeiten." Dennoch: "Es ist nicht mein Ziel, die große Koalition zur Dauereinrichtung zu machen." Man wird sehen.