Der CDU-Kandidat Christoph Naser geht im Wahlkreis Tübingen-Hechingen siegreich aus der Bundestagswahl hervor und zieht dennoch nicht in den Bundestag ein. Damit bleibt der Wahlkreis ohne Abgeordneten im Bundestag. Grund dafür ist eine Besonderheit im Neuen Wahlrecht.
Der Gewinner der Bundestagswahl im Wahlkreis 290 Tübingen-Hechingen steht fest. Der Verlierer auch: Es ist Christoph Naser, Direktkandidat der CDU. Er erhielt mit Abstand zwar die meisten Erststimmen (31,7 Prozent), zieht aber nicht in den Bundestag ein. Damit bewahrheitet sich, was die Grünen-Kandidatin, Asli Kücük, bei der Wahlparty in Tübingen sagte: Entweder sie gewinne das Mandat für den Bundestag oder niemand gewinnt es im Wahlkreis.
Nicht alle siegreichen Kandidaten ziehen in den Bundestag ein
Genau so ist es gekommen: Der Wahlkreis bleibt, wie die Bundeswahlleitung berichtet, ohne Bundestagsabgeordneten. Grund dafür ist das von der Ampelkoalition geänderte Wahlrecht, das am Sonntag zum ersten Mal greift. Es ziehen nicht mehr automatisch alle in den Wahlkreisen siegreichen Kandidaten in den Bundestag ein. Sie erhalten nur noch ein Mandat, wenn ihre Partei auf genügend Zweitstimmen kommt. Andernfalls gehen die siegreichen Kandidaten leer aus.
Christoph Naser hat am Montagmorgen gemischte Gefühle: „Ich bin sehr dankbar für die große Vertrauensaussprache der Bevölkerung und habe in einem für die CDU schwierigen Wahlkreis fast 32 Prozent der Erststimmen erhalten.“ Er würde daher am liebsten die Ärmel hochkrempeln und nach Berlin fragen, um die „drängenden Probleme der Region voranzutreiben“. Er spüre einen klaren Auftrag, den die Wähler ihm gegeben hätten.
CDU will Wahlrecht wieder reformieren
Entsprechend groß ist der Frust Nasers über das neue Wahlrecht: „Das Ampel-Wahlrecht ist einfach ein schlechtes Wahlrecht“, spart der 33-Jährige nicht an Kritik. Bundesweit würden Tausende Wähler nicht repräsentiert, was „absurd“ sei. Zudem sei das neue Wahlrecht nicht gut für die Demokratie.
Er kündigt daher angesichts einer wahrscheinlich CDU-geführten Regierung an: „Wir wollen das Wahlrecht wieder reformieren. Das haben wir im Wahlprogramm stehen.“ So solle das Direktmandat wieder gestärkt werden.
Naser möchte Menschen vor Ort dennoch vertreten
Seinem politischen Auftrag, wie Naser mehrfach betont, möchte er auch ohne Bundestagsmandat nachgehen: „Ich werde nicht zulassen, dass die Menschen vor Ort ohne Vertretung in Berlin sind.“ Der 33-Jährige wolle daher seiner Funktion als CDU-Kreisvorsitzender weiter nachkommen und „so viel Zeit wie möglich, in mein politsches Ehrenamt stecken“.
Weitere fünf Wahlkreis im Land sind betroffen
Naser setzt auch auf das breite Netzwerk der Christdemokraten in der Region, das in dieser Form keine andere Partei im Wahlkreis Tübingen Hechingen habe. Bürgermeister, Landräte, Regierungspräsident – unter anderem mit ihnen will Naser die Kommunen im Wahlkreis in Berlin vertreten. Trotzdem räumt Naser ein: „Ohne Mandat ist es natürlich schwieriger.“
Auch der CDU-Stadtverband Hechingen kritisiert das neue Wahlrecht in einer Pressemitteilung: „Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt: Unser Wahlkreis wird nicht mehr im Deutschen Bundestag vertreten sein.“ Es sei daher kein Trost, dass die CDU den Wahlkreis gewonnen und ein ordentliches Ergebnis erreicht habe.
Betroffen von der Wahlrechtsreform sind in Baden-Württemberg neben dem Wahlkreis Tübingen-Hechingen indes weitere fünf Wahlkreise: Rhein-Neckar, Lörrach-Müllheim, Heidelberg, Mannheim und Stuttgart II. Jeweils haben dort die CDU-Kandidaten die meisten Erststimmen erhalten.