Auf den Jubel über den Wahlkreissieg folgt mancherorts Frust: Etliche Wahlkreise verlieren ihren Vertreter in Berlin. Im Kreis Rottweil sorgt die AfD dagegen für einen Doppelschlag.
Früher war klar: Wer seinen Wahlkreis gewinnt, der zieht in den Bundestag ein. Gemäß neuem Wahlrecht ist das nicht mehr so. Die Kandidaten erhalten nur noch ein Mandat, wenn ihre Partei entsprechend auf genügend Zweitstimmen kommt.
Nach einer spannenden Wahlnacht steht nun fest: Für Maria-Lena Weiss hat es gereicht. Sie hat im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen für die CDU 34,4 Prozent der Zweitstimmen und 38,9 Prozent Erststimmen geholt. Erst im Laufe der Nacht zeigte sich dann im Vergleich mit den anderen Kreisen, dass sie ihr Bundestagsmandat verteidigt hat.
Ganz im Gegensatz beispielsweise zu Christoph Naser: Der CDU-Kandidat holte im Wahlkreis Tübingen-Hechingen den Wahlsieg – für den Einzug in den Bundestag hat es jedoch nicht gereicht. Bitter: Der Wahlkreis ist damit nicht mehr in Berlin vertreten.
Beide sind hochzufrieden
Der Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen ist das dafür gleich doppelt. Denn AfD-Kandidat Joachim Bloch zieht ebenfalls in den Bundestag ein. Er hat für die AfD 27,1 Prozent der Zweitstimmen und 27,5 Prozent der Erststimmen eingefahren – und dieses Erststimmenergebnis macht bundesweit Schlagzeilen. Die AfD hat damit im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen das beste Erststimmenergebnis der Partei in Westdeutschland geholt.
Jetzt zweifach vertreten
Zudem verbesserte Bloch damit das AfD-Erststimmenergebnis in seinem Wahlkreis von 2021 um 13,8 Prozentpunkte. Auf der Homepage des Deutschen Bundestags ist der Neuling neben Maria-Lena Weiss bereits aufgeführt – ein Bild muss er da noch nachreichen.
Zwei Abgeordnete also, beides übrigens Juristen, die sich im Wahlkampf große Ziele gesetzt und einiges versprochen haben. Nun geht es an die Arbeit. Übrigens: Von 1969 bis 1994 hatte der Wahlkreis mit Martin Grüner auch einen Bundestagsabgeordneten der FDP, von 1976 bis 2005 war Klaus Kirscher für die SPD in Berlin – und von 1949 bis heute siegte im Wahlkreis durchgängig die CDU.
Maria-Lena Weiss jedenfalls zeigt sich am Montag nach der Wahl sehr zufrieden, wie sie auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt. „Die CDU hat die Bundestagswahl gewonnen. Darüber freue ich mich. Ich sehe Union und SPD nun aber auch in der Pflicht, schnell eine arbeitsfähige Regierung zu bilden, die die Probleme in unserem Land angeht.“
Sie sei auch mit ihrem persönlichen Erststimmenergebnis sehr zufrieden. „Es ist eines des besten in Baden-Württemberg und ich danke den Wählerinnen und Wählern sehr für diesen Vertrauensbeweis und die Wertschätzung meiner Arbeit der letzten dreieinhalb Jahre für den Wahlkreis.“
FDP will sich neu aufstellen
Krone richten, weitermachen, lautet derweil das Motto bei der FDP: Der Rottweiler Landtagsabgeordnete und Bezirksvorsitzende der FDP Südbaden Daniel Karrais sagt am Montag: „Das Wahlergebnis ist für die FDP enttäuschend. Trotzdem danke ich allen Wählerinnen und Wählern, die der FDP ihr Vertrauen geschenkt haben.“ Bedauerlich sei, dass viele Wähler der FDP von 2021 im Wahlkreis wohl stattdessen zur AfD abgewandert seien. Deutlich werde, so Karrais, dass die Menschen in der Region „keine linke Politik wollen, sondern bodenständige Antworten auf ihre Sorgen“. In der Ampel hätte die FDP leider nicht klar machen können, dass man genau diese anbiete.
Die Idee der Freiheit, Eigenverantwortung und realitätsorientierter Politik werde in den kommenden Jahren aufgrund der politischen Entwicklungen im Inland und Ausland dennoch stärker an Bedeutung gewinnen, ist er sich sicher.
Viele Neumitglieder
Karrais sagt, die FDP in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg stehe mit zahlreichen Landtagsabgeordneten und Gemeinderäten, vielen Neumitgliedern und motivierten Parteigängern „so gut da, wie lange nicht mehr“. Es gebe offenbar viele Menschen, die an den organisierten politischen Liberalismus glauben. Er appelliert an diese, „am Wiederaufleben einer demokratischen Alternative der Mitte mitzuarbeiten“. Man werde in den kommenden Tagen „den hierfür nötigen personellen Neuanfang mit einer breiteren Aufstellung und mehr Bodenhaftung einleiten“.
Karrais lässt sich nicht entmutigen: „Für meine Arbeit bedeutet das Ergebnis noch mehr als bisher das direkte Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen.“ Bis zur Landtagswahl im nächsten Jahr gebe es noch viel zu tun – er sei entschlossen für ein gutes Wahlergebnis der FDP bei der Landtagswahl im kommenden Jahr zu kämpfen.“
Ungewollte Spannung
Klar ist: In einem Jahr kann sich schon wieder vieles ändern. Es bleibt spannend.
Für ungewollte Spannung am Sonntagabend sorgte im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen übrigens die Gemeinde Spaichingen. Dort gab es Ungereimtheiten, was die Bekanntgabe des Gesamtergebnisses erheblich verzögerte. Am Mittwoch ist die Kreiswahlausschusssitzung in Rottweil – dort wird das Ergebnis der Bundestagswahl mit möglichen Änderungen dann offiziell festgestellt.