Die Zuhörer der Diskussion alle ordnungsgemäß mit Maske. Foto: Steinmetz

Prominente Wahlkampfunterstützung für die CDU-Bundestagskandidatin Maria-Lena Weiss: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kam am Samstag nach Sulz. Vor mehr als 100 angemeldeten Besuchern sprach er im Firmengebäude der VBM-Medizintechnik GmbH über die Pandemie und die Corona-Politik.

Sulz - Lautstark empfangen wurde der Minister von einer 30-köpfigen Querdenker- und Impfgegner-Gruppe. Jens Spahn ließ sich von dem Krach vor dem Gebäude nicht beeindrucken: "Wir suchen die Diskussion", sagte er in Richtung der Demonstranten.

Ein schärferer Wind weht ihm drinnen entgegen. Vertreter der Medizintechnikunternehmen in der Region übten massiv Kritik an der EU-Gesetzgebung zur Medizinprodukteverordnung. VBM-Geschäftsführerin Carina Bertram hatte das Thema gleich zu Beginn der Veranstaltung angesprochen und wollte wissen, wie Spahn dazu stehe. Aufgrund dieses Gesetztes verschwänden immer mehr lebensnotwendige Produkte. Ärzte müssten inzwischen auf alte Behandlungsmethoden zurückgreifen oder könnten Patienten schon gar nicht mehr behandeln.

Kritik aus Medizinbranche

Unternehmer in der Medizintechnikbranche sehen mit dem Gesetz ein massives Investitionshemmnis. Die Entwickler widmeten sich inzwischen mehr der Zertifizierung von Bestandsprodukten.

Die Bürokratie verursache zudem Mehrkosten und verteuere die Erzeugnisse. VBM-Seniorchef Volker Bertram veranschaulichte dies: Er zeigte dem Minister eine ein Meter lange Gebrauchsanweisung, verfasst in 27 Sprachen, für ein einfaches medizinisches Behelfsmittel. "Wir haben aber 100 Produkte, für die wir ganze Bücher schreiben müssen", ärgerte sich der Sulzer Unternehmer, der aus kleinen Anfängen in 40 Jahren eine exportorientierte Firma mit mehr als 200 Mitarbeitern aufgebaut hat.

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Hintergrund des EU-Gesetztes ist der Brustimplantate-Skandal 2012 in Frankreich. Das habe die EU dazu veranlasst, die Zulassung von Medizinprodukten zu verändern, sagte Spahn. Die Verbraucherschutzdebatte habe sich mittlerweile verselbstständigt und verhindere, wie er einräumte, Neues. Die Entwicklung finde er nicht gut, "Ich beschäftige mich damit intensiv, aber ich kann das Problem nicht lösen", bedauerte Spahn mit Verweis auf die EU-Politik.

Viel lieber hob er die Erfolge in der Bekämpfung der Pandemie hervor, auch dank der Medizintechnik. Schon nach knapp zwölf Monaten habe ein deutsches Unternehmen einen Impfstoff hergestellt: "Wir dürfen stolz auf die deutschen Forscher sein".

Impfen ist für ihn eine freie persönliche Entscheidung, und das solle auch so bleiben. Allerdings heiße Freiheit auch, Verantwortung zu übernehmen. Spahn appellierte: "Bitte lassen Sie sich impfen. Das gibt für uns alle einen sicheren Herbst und Winter. Wir impfen Deutschland zurück in die Freiheit".

Die Pandemie hat Spahn zufolge Defizite aufgezeigt, so etwa bei der Digitalisierung in der Verwaltung. Bedenklich ist für ihn eine starke Abhängigkeit von China, nicht

nur was die Wirkstoffe für Medikamente angeht. Als weiteres Beispiel nannte er den Halbleitermangel in der Autoindustrie. Spahn betonte: "Wirtschaftlich müssen wir stark sein, um sozial zusammenhalten zu können". Gleichzeitig sei es notwendig, CO2-neutral zu werden. "Die Frage ist nur wie?", so Spahn.

Gegner von Verboten

Von Verzicht und Verboten hält er nichts. Das Auto werde auf dem Land nach wie vor benötigt. Vielmehr sollten Anreize für Investitionen in den Klimaschutz gesetzt werden. Hier verdeutlichte er den Unterschied zu einer möglichen linken Regierung, Spahn distanzierte sich auch davon, die Polizeibeamten, die draußen die Querdenker auf Abstand hielten, unter Generalverdacht zu stellen. "Diese sind die Guten", denen auch die entsprechenden Befugnisse gegeben werden sollten.

Es blieb noch Zeit für die Diskussion: Der Sulzer Arzt Axel Hempfling stellte fest, dass sich durchs Impfen auf dem Supermarkt die Quote nicht erhöhen lässt. Spahn verwies darauf, dass die Impfkampagne in den sozialen Medien und in vielen

Werner Caspar wollte dann noch eine Zahl wissen: Wie viel habe der Minister bei der Beschaffung von Masken verdient? Spahn antwortete: "Nullkommanull". In den sozialen Medien werde viel behauptet. "Mich können Sie beschimpfen, aber lassen Sie meine Familie raus", bat er. Er bekam dafür zustimmenden Beifall.

Lothar Reinhardt vom CDU-Stadtverband Dornhan hätte dem Minister gern noch ein Geschenk überreicht, doch Spahn hatte dankend abgelehnt. Stattdessen bekam er eine weitere Einladung nach Sulz.

Versuchte Störung

Die Querdenker hatten hinter einer Absperrung derweil eine Stunde lang versucht, mit Dauerkrach die Wahlveranstaltung zu stören. Der Lärmpegel hielt sich im Gebäude jedoch in Grenzen. Am Schluss machten sich sich nochmals mit Trillerpfeifen bemerkbar, jedoch war die Gruppe deutlich kleiner geworden.