Geschafft! Von Listenplatz 19 aus zieht Derya Türk-Nachbaur nun ins Gremium in Berlin ein.   Foto: Türk-Nachbaur

Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat nach über 20 Jahren nun wieder eine SPD-Abgeordnete in Berlin. Derya Türk-Nachbaur hat es geschafft.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Bis nach 23 Uhr wurde im Café am Riettor in Villingen gefeiert – es gab auch vor Bekanntwerden ihres Einzugs ins Parlament schon kräftig etwas zu feiern, hatten die Sozialdemokraten doch in der Region kräftig zugelegt seit der letzten Bundestagswahl 2017.

Doch irgendwann war Feierabend. "Ich bin tatsächlich irgendwann ins Bett ohne zu wissen, ob ich nun heute Morgen in die Schule zur Arbeit muss, oder ob ich nach Berlin fahre", erzählte die frischgebackene Abgeordnete am frühen Montagmorgen im Gespräch mit unserer Redaktion. Noch ehe sie dann aber online beim Bundeswahlleiter nachschauen konnte, zeigte ploppte es in der Whats-App-Gruppe der SPD-Bundestagskandidaten im Land auf: "Ich bin drin!"

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Derya Türk-Nachbaur kann es noch immer nicht fassen, dabei "habe ich es jetzt Schwarz auf Weiß, ich habe hundertprozentige Sicherheit". Und ihr Ergebnis sei, das freut die überzeugte Sozialdemokratin nicht minder, noch gar nicht mal so knapp, "es sind noch etliche nach mir drin".

Auf Listenplatz 19 rangierte Türk-Nachbaur auf der Landesliste – bis Nummer 22 wurden am Montagmorgen die Kandidaten, die den Einzug ins Bundesparlament geschafft hatten, aufgelistet.

Jetzt werden die Koffer gepackt

"Es ist so der Hammer, so cool", sprudelte es aus der Bad Dürrheimerin und vierfachen Mutter völlig begeistert heraus, "ich habe die Sozialdemokratische Partei unserer Region nach über 20 Jahren in Berlin zu vertreten".

Nun werden erst einmal die Koffer gepackt – noch am Montag reist die 48-Jährige nach Berlin. "Morgen früh um 9 ist die erste Fraktionssitzung" – und Derya Türk-Nachbaur fiebert ihr jetzt schon entgegen, während in dem Einfamilienhaus in Bad Dürrheim nach einer kurzen Nacht die Telefone heißklingeln und die Schar der Gratulanten auf sie einstürmt.

Geruhsamer geht es da parallel schon in Donaueschingen im Hause Frei zu: "Bei uns bestimmen eher die Kinder die Uhrzeit und die habe ich heute Morgen schon zum Bahnhof gebracht", erzählte Thorsten Frei am Montagvormittag. Jamaika hätte für Frei den Reiz des Neuen Auch für ihn geht es noch am Montag, nach einer konstituierenden Sitzung der CDU-Landesgruppe in Stuttgart – nach Berlin.

CDU-Regierungsbeteiligung möglich?

Dort wird der Fraktionsvorsitzende gewählt, Vize Thorsten Frei stellt sich nicht zur Wahl, "weil wir einen exzellenten Fraktionsvorsitzenden haben". Er selbst habe "natürlich ein sehr großes Interesse daran, seine bisherigen Ämter fortzuführen", lässt er wissen. Zunächst aber gehe es nun darum, Sondierungsgespräche zu führen und zu prüfen, inwiefern eine Regierungsbeteiligung der CDU möglich sei.

Er selbst hofft unter den beiden Optionen, die er sieht – "Jamaika oder eine Ampel" – auf die Jamaika-Koalition. "Das hätte den Reiz des Neuen", findet Frei, für den eine große Koalition aus SPD und CDU keine Option darstellt. "Das wäre ein ›Weiter so‹", und im aktuellen Fall das falsche Signal, meint Frei.

Ob es für die CDU gut wäre, nun einmal in die Opposition zu wechseln? Frei schüttelt entschieden den Kopf. "Nein", da hält er es ganz wie der Staatstheoretiker Franz Müntefering (SPD): "Opposition ist Mist!" Der CDU-Abgeordnete Frei meint: "Ich halte es für ein Märchen, dass man sich in der Opposition gut entwickeln kann." Und wie zuversichtlich ist der Donaueschinger, dass die CDU weiterhin regieren darf? "Ich glaube, die Chancen stehen fifty-fifty."

In VS fehlt langeein Briefwahlergebnis

In ganz anderer Hinsicht und an anderer Stelle wurde es am Wahlabend eng: Das Gros der Stimmen der Wahllokale im Landkreis Schwarzwald-Baar war längst ausgezählt und sogar die Ergebnisse zu den parallel stattfindenden Abstimmungen – den Bürgermeisterwahlen in Unterkirnach und Vöhrenbach sowie des Bürgerentscheids zur Unechten Teilortswahl in Hüfingen – waren längst im Kasten, da stand der Zeiger in Villingen-Schwenningen noch immer lediglich auf 73 von 74 Wahlergebnissen, die vorlagen.

Kurz nach 23 Uhr die ernüchternde Anfrage nach Rückfrage bei der Pressestelle im Rathaus in Villingen-Schwenningen: Das Ergebnis liege noch immer nicht vor, es könne sogar noch bis zu einer Stunde dauern, bis das Ergebnis des 74. Wahllokals vorliegt.

Es war ein Briefwahlbezirk, der da noch auf sich warten ließ. Angesichts von 17 413 Briefwählern alleine im Oberzentrum war das Auszählen hier eine Mammutaufgabe. Froh war man indes, dass um 23.24 Uhr dann doch noch gemeldet werden konnte: "Alle Schnellmeldungen eingegangen!", Nummer 74 war im Kasten.

"Keine besonderes Vorkommnisse"

Allerdings: Das Einpflegen des letzten Villingen-Schwenninger Ergebnisses in der Gesamtschau des Landkreises Schwarzwald-Baar ging am Wahlsonntag trotzdem nicht mehr über die Bühne, die Auswertung des vollständigen, vorläufigen Wahlkreis-Ergebnisses musste daher bis Montag warten. Wahlleiter ordnet erneutes Zählen an

Doch was war es, was die Auszählung in der Großen Kreisstadt derart verzögert hat? War da etwa eine waschechte Wahlpanne passiert? Pressesprecherin Madlen Falke von der Stadtverwaltung Villingen-Schwenningen verneint da: "Die Ermittlung des Wahlergebnisses durch die einzelnen Wahlvorstände in den Urnen- und Briefwahlbezirken wurden zügig und ohne besondere Vorkommnisse durchgeführt", erklärt sie.

Vor der Ergebniserfassung im Rathaus Villingen und Schwenningen jedoch werden die Ergebnisse nochmals einer Plausibilitätsprüfung unterzogen – dabei sei es "in zwei Wahlbezirken zu Rückfragen" gekommen, "die nicht geklärt werden konnten". Es habe sich um zwei Briefwahlbezirke gehandelt, deren Anzahl im Vergleich zur letzten Bundestagswahl verdoppelt wurde.

Aufgrund des extrem hohen Briefwahlaufkommens seien jeweils rund 900 Stimmen auszuzählen gewesen. "Von der Wahlleitung wurde daher eine erneute Auszählung angeordnet, was im Ergebnis zu einer erheblichen Verzögerung des vorläufigen Endergebnisses führte", erläutert die Pressesprecherin der Stadtverwaltung.

Kommentar: Doppelt gut

Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist weiterhin mit gleich zwei Abgeordneten in Berlin vertreten – neben dem CDU-Parlamentarier Thorsten Frei aus Donaueschingen  zieht auch die SPD-Frau Derya Türk-Nachbaur aus Bad Dürrheim  in den Deutschen Bundestag ein. So sehr überzeugte Sozialdemokraten und traditionelle CDU-Wähler in den vergangenen Wochen – auch im Wahlkreis Schwarzwald-Baar – uneins waren: Jetzt ist es an der  Zeit, eventuell entstandene Gräben zuzuschütten und die Wahlkampfparolen wieder einzurollen. Stattdessen darf man sich jetzt ruhig einmal einig sein: Die Region hat künftig trotz des Abschieds von FDP-Bundestagskandidat Marcel Klinge aus dem Gremium wieder gleich zwei Stimmen in Berlin – ihre Interessen können also noch lauter und mit noch mehr Nachdruck auf Bundesebene vertreten werden. Fazit: Doppelt gut ist einfach besser.