Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Foto: dpa

Der Fall Edathy hat eine Debatte ausgelöst: Wie können Lücken im Sexualstrafrecht geschlossen werden, um Kinder und Jugendliche besser zu schützen? Am Freitag wurde dazu ein neues Gesetz verabschiedet.

Berlin - Kinder und Jugendliche sollen besser vor sexuellem Missbrauch und unerlaubten Nacktaufnahmen geschützt werden. Der Bundestag beschloss am Freitag eine Verschärfung des Sexualstrafrechts.

Demnach macht sich künftig strafbar, wer Kinder und Jugendliche nackt fotografiert oder filmt, um die Bilder zu verkaufen oder in Tauschbörsen einzustellen. Auch Erwachsene sollen besser vor bloßstellenden Aufnahmen bewahrt werden. Die Opposition beklagte, die Gesetzesänderung schaffe neue rechtliche Unsicherheiten und schieße über das Ziel hinaus.

Gesetzentwurf wurde entschärft

Ursprünglich hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine noch weitreichendere Regelung geplant. Er wollte zunächst das unbefugte Ablichten von nackten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen generell unter Strafe stellen. Experten und Rechtspolitiker hatten jedoch beanstandet, dies kriminalisiere auch unverfängliche Handlungen. Daraufhin entschärfte Maas die Pläne kurz vor der Abstimmung.

Nun gilt: Generell dürfen keine Bildaufnahmen weitergegeben werden, die dem Ansehen des Betroffenen erheblich schaden können. Bei Kindern und Jugendlichen greifen strengere Regelungen: Aufnahmen, die nackte Jungen und Mädchen in einer „unnatürlich geschlechtsbetonten Haltung“ zeigen oder ihre Genitalien in aufreizender Form, sind ausdrücklich verboten. Aber auch wer Nacktbilder von Kindern und Jugendlichen macht, die noch nicht als Pornografie gelten, macht sich strafbar - sofern er dies zu kommerziellen Zwecken oder für Tauschgeschäfte tut.

Spätere Verjährung

Weitere Änderungen: Sexualstraftaten sollen künftig später verjähren und verdeckte Annäherungsversuche Erwachsener an Kinder über das Internet umfassender geahndet werden. Außerdem wird der Straftatbestand des Missbrauchs von Schutzbefohlenen erweitert.

Maas erklärte, oberstes Ziel sei es zu verhindern, das Kinder Opfer von Sexualstraftaten würden. „Mit dem Körper von Kindern und Jugendlichen darf niemand Geld verdienen“, mahnte er. Familienfotos, etwa von nackten Kindern am Strand, würden aber nicht kriminalisiert.

Der Minister sprach nicht selbst in der Bundestagsdebatte und fehlte zunächst bei der Beratung im Parlament, was unter den Abgeordneten für Unmut sorgte. Das Parlament unterbrach seine Sitzung deshalb für wenige Minuten, bis der Ressortchef eintraf. Linke und Grüne kritisierten das Gesetzesvorhaben als mangelhaft. Der Linke-Abgeordnete Jörn Wunderlich sagte, es habe zwar hehre Absichten, schieße aber weit über das Ziel hinaus und schaffe neue rechtliche Unsicherheiten. Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katja Keul, beklagte, durch die kurzfristigen Änderungen seien zahlreiche Mängel und unbestimmte Rechtsbegriffe im Gesetz gelandet. „Das ist alles in letzter Minute gestrickt worden.“

Die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker hielt dagegen, das Ergebnis sei deutlich besser als im Ursprungsentwurf. Außerdem dränge die Zeit, um Unrecht gegenüber Kindern zu verhindern.

Die Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, der Weisse Ring, rügte, die Gesetzesänderung gehe nicht weit genug und schütze Kinder nur unzureichend. Die Verbreitung von Kinder-Nacktfotos müsse immer strafbar sein.

Die Änderungen gehen auf mehrere EU-Vorgaben und Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag zurück. Sie sind aber auch eine Reaktion auf die Kinderpornografie-Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy. Er hatte im Internet Nacktaufnahmen von Jungen bestellt, beteuert aber, es handele sich ausschließlich um legales Material. Staatsanwälte werfen ihm jedoch Besitz von Kinderpornografie vor.

 

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Cyber-Mobbing

Generell dürfen keine Bildaufnahmen an Dritte weitergegeben werden, die geeignet sind, dem Ansehen des Abgebildeten „erheblich zu schaden“. Das gilt nicht nur für Nacktbilder, sondern auch für andere bloßstellende Fotos. Auch unbefugte Aufnahmen, die die Hilflosigkeit eines anderen zur Schau stellen, sind verboten. Für Pressefotos von Unfallorten beispielsweise gilt das nicht.

Nacktfotos

Bei Kindern und Jugendlichen gelten strengere Regelungen. Wer Jungen und Mädchen nackt ablichtet, um die Aufnahmen zu verkaufen oder zu tauschen, macht sich strafbar. Private Bilder fallen nicht darunter. Das heißt, Eltern können zum Beispiel weiterhin ihre nackt am Strand spielenden Kinder fotografieren.

Posing-Bilder

Klargestellt wird auch die Rechtslage bei sogenannten Posing-Bildern: Aufnahmen, die nackte oder halbnackte Kinder in einer „unnatürlich geschlechtsbetonten Haltung“ zeigen oder ihre Genitalien in aufreizender Form in den Fokus nehmen. Sie gelten ausdrücklich als Kinderpornografie und sind ebenfalls verboten.

Strafmaß

Wer sich kinderpornografisches Material beschafft, muss künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen - statt bislang mit bis zu zwei Jahren.

Verjährungsfristen

Für schwere Sexualdelikte gilt eine Verjährungsfrist von 20 Jahren. Bislang beginnt diese mit dem 21. Lebensjahr des Opfers - künftig erst mit dem 30. Lebensjahr.

Cyber-Grooming

Umfangreicher geahndet werden sollen Versuche eines Erwachsenen, unter falschen Angaben über das Internet und auf anderen Wegen Kontakt zu Kindern aufzunehmen, um sie etwa zu sexuellen Handlungen zu bewegen.

Missbrauch von Schutzbefohlenen

Der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen wird erweitert. Künftig fallen darunter zum Beispiel auch Fälle, in denen es sich beim Täter um den Vertretungslehrer des Opfers handelt. Diese sind bislang ausgeklammert.