Die Wünsche sind groß, die finanziellen Spielräume klein: Finanzminister Christian Lindner (FDP) muss eine Lösung finden. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Soll die Bundeswehr mehr Geld bekommen oder führt man die Kindergrundsicherung ein – und vor allem: Wie zahlt man dafür? Diese Frage spaltet die Koalition.

Jeden Euro kann man nur einmal ausgeben. Es ist diese simple Wahrheit, die in Zeiten von Inflation und Krieg die Ampel-Koalition vor große Herausforderungen stellt. Droht der Spielraum für die geplante Kindergrundsicherung deshalb eng zu werden, weil mehr Geld fürs Militär gebraucht wird? Oder geht am Ende doch beides?

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) fordert rund 10 Milliarden Euro jährlich mehr für die Bundeswehr – auch jenseits des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro. Doch er hat zugleich deutlich gemacht: „Wir dürfen militärische Notwendigkeiten, die es wieder neu gibt, nicht ausspielen gegen wichtige soziale Projekte.“ Das dürfte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) gern gehört haben. Sie pocht auf die Kindergrundsicherung als zentrales sozialpolitisches Projekt der Ampel-Koalition.

Lindner skeptisch bei höheren Transferausgaben

Finanzminister Christian Lindner (FDP) muss in seinen Planungen am Ende die Wünsche der Ressorts zusammenbringen – und das, ohne dass dafür Steuererhöhungen notwendig wären. Darauf hat die FDP in der Ampel von Anfang an bestanden.

Lindner hat mit Blick auf die Kindergrundsicherung schon mal deutlich gemacht, dass sich womöglich nicht alle Wünsche von Kabinettskollegin Paus realisieren lassen. „Nicht alles, was wünschenswert ist, geht sofort“, hatte Lindner dem Nachrichtenportal t-online gesagt. Aus seiner Sicht gehe es vor allem um die Digitalisierung und Vereinfachung der Förderung von Kindern, und nicht notwendigerweise um mehr Geld. „Höhere Transfers sind nicht immer der Königsweg.“

Viele Eltern nehmen Leistungen bislang nicht in Anspruch

Jetzt rächen sich gleich zwei Dinge. Erstens gibt es im Koalitionsvertrag keine Prioritätenliste, was als erstes umgesetzt wird, falls das Geld knapp wird. Zweitens ist das Projekt Kindergrundsicherung dort auch nicht mit einem Preisschild versehen. Klar ist: Mehrkosten für den Finanzminister bei der Kindergrundsicherung entstünden schon allein dadurch, dass verschiedene Leistungen zusammengeführt würden. Denn bislang nehmen viele Eltern, die berechtigt wären, Leistungen wie den Kinderzuschlag gar nicht Anspruch – weil sie davon gar nicht wissen. Das soll sich ändern.

In den Eckpunkten des Familienministeriums zur Kindergrundsicherung heißt es aber auch, der Koalitionsvertrag sehen eine Neudefinition des soziokulturellen Existenzminimums des Kindes vor. Der Finanzminister dürfte diesen Satz so lesen: Es wird teuer.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat kürzlich errechnet, notwendig seien 12,5 Milliarden Euro zusätzlich im Jahr. Die Familienministerin wiederum hat darauf hingewiesen, Lindner habe ja selbst noch Vorschläge gemacht, an anderer Stelle Geld auszugeben – etwa den Solidaritätszuschlag für alle abzuschaffen. Das könne den Bund 11 bis 13 Milliarden kosten, so Paus. Ihre Botschaft: Das Geld für die Kindergrundsicherung ist da – wenn Lindner will.

Union plädiert für Schwerpunktsetzung – zugunsten der Bundeswehr

Der Druck auf den FDP-Chef steigt nun jedenfalls. „Es wäre verwerflich, den Kampf gegen Kinderarmut gegen Rüstung auszuspielen“, warnt der Hauptgeschäftsführer der Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider. „Als Sozialverband steht für uns fest: Es führt kein Weg an der Kindergrundsicherung vorbei und es ist Aufgabe des Finanzministers, die Mittel dafür zu besorgen”, betont er. Die Kindergrundsicherung ist wegen der Zusammenlegung verschiedener Leistungen ein hoch kompliziertes Projekt. Im Jahr 2025 soll sie ausgezahlt werden – noch ist also etwas Zeit, um das Geld zu ringen. Druck auf Lindner gibt es von allen Seiten. Auch die Union fordert, der Minister müsse zusätzliches Geld auftreiben – aber vor allem für das Militär. Nach Meinung des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter reicht das Sondervermögen nicht aus, es müsse „eher in Richtung 300 Milliarden gehen“, sagt er, warnt aber gleichzeitig vor einem Ausspielen sozialer und äußerer Sicherheit.

Sein für den Verteidigungsetat zuständiger CDU-Kollege Ingo Gädechens sieht das ähnlich, plädiert aber für eine klare Schwerpunktsetzung. Der Aufwuchs des Verteidigungshaushalts müsse „jetzt die oberste Priorität haben“. Gädechens stellt klar: „Viele andere Vorhaben sind wichtig, wünschenswert und sicherlich dringend. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg dürfte aber allen klar sein, dass die Bundeswehr jetzt Vorfahrt haben muss.“