Zehn Punkte sind nicht viel, der zweitletzte Tabellenplatz nicht lustig. Und dann erwischt auch noch der Schiedsrichter einen schlechten Tag. Nürnberg in Aufruhr.
Zehn Punkte sind nicht viel, der zweitletzte Tabellenplatz nicht lustig. Und dann erwischt auch noch der Schiedsrichter einen schlechten Tag. Nürnberg in Aufruhr.
Hannover - Es war Halbzeit, und Mirko Slomka, Fußball-Lehrer des Fußball-Bundesligisten Hannover 96, durfte sich erste Gedanken darüber machen, was ihn sonst noch im Leben interessieren würde. Seine Mannschaft lag gegen den 1. FC Nürnberg mit 0:3 zurück, die Zuschauer kühlten energisch pfeifend ihr Mütchen, und in den Vip-Lounges der HDI-Arena begannen die Diskussionen darüber, welcher Coach die 96er nach der Winterpause aus der sportlichen Depression holen könnte. Als der größte anzunehmende Unfall dann doch noch verhindert worden war, sprach ein nachdenklicher Trainer über „alle Dämme“, die kurzzeitig gebrochen waren, und beschrieb die Seelenlage so: „Das war schon finster.“
Doch weil seit Sepp Herbergers Zeiten ein Spiel nun mal neunzig Minuten dauert, sollte der Sportsfreund nie vergessen, dass sich manchmal jemand findet, der wieder das Licht anknipst. „Ich hatte die Anweisung gegeben, das vierte Tor zu schießen“, berichtete Nürnbergs Trainer Gertjan Verbeek. Der Niederländer hatte geahnt, was passieren könnte. Mit dem Mute der Verzweiflung stemmten sich Slomkas Jünger gegen die Niederlage und irgendwie auch gegen den Rauswurf ihres Trainers. „Wir haben uns in die Gesichter geschaut und uns gesagt, dass es nur einen Weg gibt: den Kampf“, verriet Leonardo Bittencourt, dessen Treffer zum 1:3 der Fanfaren-Stoß war, der sein Team noch einmal wachrüttelte.
Nicht geplant war zu diesem Zeitpunkt allerdings, dass Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer Einfluss nimmt auf das freie Spiel der Kräfte. Weil er übersehen hatte, dass 96-Torjäger Mame Diouf das 2:3 in der 87. Minute aus glasklarer Abseitsposition erzielte, haderten die Franken derart heftig mit ihrem Schicksal, dass Diouf in der Nachspielzeit auch noch das 3:3 markierte.
„Ich erwarte, dass er vernünftig pfeift“
Sekunden später erfreute sich Kinhöfer größter Aufmerksamkeit der Nürnberger Spieler. Wobei sich in dem Schäfer-Stündchen der etwas anderen Art wie gewohnt der Kapitän und Torhüter hervortat. Im Stile eines gereizten Stiers stürmte Raphael Schäfer auf den Unparteiischen zu. Was irgendwie verständlich erschien, weil der Club dem ersten Saisonsieg noch nie so nah gewesen war wie in dieser Partie. „Ich erwarte, dass er vernünftig pfeift“, polterte Schäfer mit Feuerröte im Gesicht, „so ein Scheißding. Jeder im Stadion hat es gesehen, nur drei Mann nicht. Und dann wieder diese Arroganz, mit der man den Spielern entgegentritt.“ Mittelfeldspieler Mike Frantz ließ sich zunächst zu der korrekten Feststellung hinreißen, „dass hier ja keine Hobby-Schiedsrichter pfeifen“. Nicht ganz so korrekt war aber sein Vorwurf, die Franken seien um den Sieg „betrogen“ worden.
Denn der Club versäumte es im behaglichen Gefühl eines 3:0-Vorsprungs während der zweiten Minuten, der Anordnung seines Trainers Folge zu leisten. Reihenweise wurden beste Möglichkeiten zum vierten Treffer vergeben. Jetzt liegt es an Gertjan Verbeek, der Mannschaft vor dem letzten Hinrundenspiel gegen Schalke 04 den Glauben an ihre Fähigkeit zum Sieg zurückzugeben. Andernfalls ist nicht ganz auszuschließen, dass er der nächste Trainer ist, der sich Gedanken machen darf über seine künftige Freizeitgestaltung.
Auch sein Kollege Mirko Slomka sieht nicht nur entspannten Tagen entgegen. Die Lage bleibt prekär. Immerhin geht 96-Sportdirektor Dirk Dufner „davon aus“, dass Slomka auch in der Rückrunde noch Trainer der Niedersachsen ist. Immerhin.