Mario Gomez und der VfB Stuttgart, nach dem 0:3 gegen Frankfurt: In allen Belangen unterlegen Foto: Baumann

Seine Frau von der Faszination des Fußballs zu überzeugen, ist eine Lebensaufgabe. Und manchmal vergeblich, schreibt unser Autor Gunter Barner ist seiner Bundesliga-Kolumne.

Stuttgart - Meine Frau interessiert sich nur in seltenen Fällen für Fußball. Zum Beispiel dann, wenn Deutschland Weltmeister wird. Aber wie man inzwischen weiß, wird man das nicht einfach so und bestenfalls alle vier Jahre. Weshalb ich den vergangenen drei Jahrzehnten allerlei Versuche gestartet habe, ihr die Faszination des Spiels zu vermitteln. Die Mühe war vergeblich.

Sie schaut lieber königliche Hochzeiten oder das perfekte Dinner. Manchmal passiert es, dass sie sogar heiraten oder kochen, wenn irgendwer auf der Welt Fußball spielt. Das sind dann die Fälle, in denen das Leben die gegenseitige Toleranz auf eine harte Probe stellt. Der zweite, arg in die Jahre gekommene Fernseher hilft nicht immer: Er hat mehr Streifen im Bild als ein Zebra im Fell. Die Finesse einer gefüllten Kalbsbrust an karamelisierten Roten Beeten ist angeblich aber nur in HD zu erkennen. Ob es Hand im Strafraum war, aber auch.

Der falsche Verein

Ich frage mich deshalb, was ich falsch gemacht habe bei der Überzeugungsarbeit an meiner Frau. Neulich begann es dann zu dämmern: Womöglich habe ich ihr immer vom falschen Verein erzählt.

Ein Freund sagte mir, dass seine Frau seit Jugendzeiten eine glühende Verehrerin von Borussia Mönchengladbach ist. Weil ich außerdem eine Richterin kenne, die sogar den Bäbber der Fohlen auf dem Auto spazieren fährt, denke ich, dass es ein Fehler war, meiner Frau ständig mit den Storys vom VfB Stuttgart zu belabern. Frauen fahren eben lieber Ferrari mit Günter Netzer als Benz mit Guido Buchwald. Hansi Müller war zwar Bravo-Boy, aber dann weit weg bei Inter Mailand.

Kommt beim Geburtstag oder sonst welchen Gelegenheiten das Gespräch zwangsläufig auf den VfB, erzählt sie wie aufgezogen, wie oft sie deshalb einen übel gelaunten Mann ertragen, oder Ausflüge streichen und sogar Urlaube verschieben musste. Und sie eigentlich auch nicht versteht, warum wir seit 24 Jahren den Mitgliedsbeitrag für unseren Sohn überweisen. Gutgemeinte Hinweise auf die Ähnlichkeit mit einer Ehe, auf emotionale Verbundenheit in guten wie in schlechten Zeiten, kontert sie mit der Gewissheit, dass ich den VfB mit all meiner Leidenschaft auch nicht retten werde. Dem kann ich nicht widersprechen: Ich begleite den Verein beruflich seit 1989 und habe seither 31 Trainer erlebt. Zusammenfassend kann ich sagen: Es nicht besser geworden.

Dann verrät irgendein Sportsfreund, dass er Bayern-Fan ist und ein anderer, dass er auf Borussia Dortmund steht. Zusammen erzählen sie dann, dass gegen Frankfurt der Holger Badstuber im Strafraum vor Müdigkeit fast zusammengebrochen ist. Und dass Mario Gomez einen Kopfball neben das Tor setzte, den sogar der schmärbäuchige Mittelstürmer vom FC Holzbein Hintertupfingen aus der Kreisliga B noch versenkt hätte.

Ein Leben lang verbunden

Ich bin mittlerweile ein Meister darin, das Thema aus dem Stand heraus zu wechseln. Ich empfehle den Klimawandel, die Groko oder die Frage, ob sie oder er eigentlich noch diesen alten Diesel fährt?

Ich denke, dass man dem Club ein Leben lang verbunden bleibt, der einem als Kind zum ersten Mal das Gefühl gab, ein zwar kleiner, aber wichtiger Teil einer langen Geschichte zu sein. Neulich gratulierte der VfB Stuttgart in einem Video seinem langjährigen Mitglied Carl Thumm zum 100. Geburtstag. Er sagte, dass ein Leben ohne VfB für ihn nicht denkbar sei. Dass er noch immer große Freude empfinde, wenn der VfB gewinne und sich sehr ärgere, wenn er verliere. Und was seine Frau anlangt: „Sie schaut solange was anderes. Wir haben zwei Fernseher in zwei getrennten Zimmern.“

Ich habe meiner Frau von Carl Thumm erzählt und davon, dass wir einen neuen Fernseher brauchen. Sie hat darauf hingewiesen, dass ich erst sechzig bin. Und gefragt: Soll das mit dem VfB noch vierzig Jahre so weitergehen? Sie hat sich die Antwort selber gegeben. Wir kaufen einen neuen Fernseher. Ich mag meine Frau.