Derzeit nicht in Form: Tamas Hajnal. Foto: Pressefoto Baumann

Spielfluss stockt: Bei der Ursachenforschung landet man schnell im zentralen offensiven Mittelfeld.

Stuttgart - Die Auftaktpartie des VfB in der Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg war ein Schockerlebnis. Da war die turbulente Schlussphase mit verschossenem Elfmeter und dem Tor des VfL in letzter Minute. Da war aber auch der spielerisch schwache Auftritt des Teams über die gesamte Partie. Der war ebenfalls ein bisschen schockierend, zumal es gegen Dynamo Moskau (2:0) in der Europa-League-Qualifikation ein paar Tage vorher auch nicht viel besser lief.

Das verwundert nach den tollen Leistungen in der vergangenen Rückrunde, weil das Team ja weitgehend zusammenblieb und viele Profis von der Eingespieltheit sprachen, die von Vorteil sein könnte. Vor dem Rückspiel bei Dynamo an diesem Dienstag (18 Uhr/Kabel eins) stellt sich deshalb die Frage nach dem Warum.

Bei der Ursachenforschung landet man schnell im zentralen offensiven Mittelfeld. Aus der Mitte des VfB entspringt kein Fluss – was vielschichtige Gründe hat. Regisseur Tamas Hajnal etwa steckt in der Formkrise. Der Ungar überzeugte in der vergangenen Rückrunde. Jetzt hängt er durch.

Hajnal gab gegen Moskau und den VfL kaum Impulse, er setzte seine Mitspieler nicht in Szene, und obendrein waren seine Standards ungefährlich. „Hajnal hat ein Problem, wenn der Gegner tief gestaffelt steht“, sagt der ehemalige VfB-Profi Maurizio Gaudino, der früher ebenfalls für die kreativen Momente im Mittelfeld zuständig war: „Er ist darauf angewiesen, dass er Doppelpässe spielen kann und dass sich auf dem Platz permanent Dreieckssituationen mit Mitspielern bilden.“

Hajnal schafft durch kurze, schnelle Zuspiele Kreativität

Hajnal hing gegen Wolfsburg aber meist in der Luft. „Der VfL hat das exzellent verteidigt – wenn die nächsten Gegner des VfB schlau sind, nehmen sie sich ein Beispiel daran“, sagt Gaudino. „Die Außenstürmer Ibrahima Traoré und Martin Harnik waren zugestellt. Und weil die beiden Sechser Christian Gentner und William Kvist nur selten nachrückten oder ebenfalls zugestellt waren, hatte Hajnal keine Anspielpartner. Er war in der Mitte isoliert.“ Der Abstand zwischen dem offensiven Mittelfeldmann und den Sechsern sei zu groß gewesen.

Dem VfB fehlten die Überraschungsmomente

Obendrein ließ ihm die Wolfsburger Defensive wenig Platz – und das war fatal. Denn Hajnal schafft durch kurze, schnelle Zuspiele Kreativität. Spielen, wieder anbieten und dann den Vordermann in Szene setzen, davon lebt der Gestalter auf dem Platz. Zuletzt klappte das nicht – weshalb dem VfB die Überraschungsmomente fehlten. „Schnelle, wendige Profis wie Marco Reus oder Mario Götze von Borussia Dortmund sind auf einer ähnlichen Position wie Tamas zu Hause. Sie haben meist kein Problem damit, wenn sie auf sich allein gestellt sind und wenn es eng ist“, sagt Maurizio Gaudino. „Sie mischen Abwehrreihen dann eben durch ihre Dynamik und Sprints mit dem Ball am Fuß auf – Hajnal ist ein anderer Spielertyp.“

Trainer Labbadia sagt über den Offensivmann Torun, dass er ein feiner Techniker sei

Ob der Ungar in den nächsten Wochen die Form aus der vergangenen Rückrunde wiederfindet, scheint fraglich. Klar ist aber, dass der VfB einen Profi in seinen Reihen hat, der das Potenzial hat, um das Kreativproblem zu lösen. Tunay Torun, der ablösefrei von Hertha BSC kam, ähnelt zumindest von der Spielanlage her Mario Götze und Marco Reus. Trainer Bruno Labbadia sagt über den Offensivmann, dass er ein feiner Techniker sei und eine hohe Spielintelligenz habe: „Wir sehen jeden Tag seine Fortschritte, aber er muss noch mehr an seinen Fähigkeiten arbeiten. Er muss stabiler werden.“

Torun kann auf allen Positionen in der offensiven Dreierreihe spielen. Seine Stärken liegen in der Dynamik, im Tempodribbling, auch für überraschende Pässe ist der türkische Nationalspieler gut. Torun kann ein ständiger Unruheherd sein – wenn er denn sein Potenzial abruft. Bisher kam er beim VfB noch nicht über die Rolle des Ersatzmannes hinaus – wenn es nach Ex-Profi Maurizio Gaudino geht, könnte sich das bald ändern: „Ich sehe ihn zentral hinter der einzigen Spitze am stärksten, da kann er seine Stärken ausspielen.“ Ob es dazu kommt, werden die nächsten Wochen zeigen.

Daniel Didavi, ein weiterer Kandidat für die Position hinter der einzigen Spitze, fällt übrigens wegen eines Knorpelschadens im Knie wohl noch bis zum Beginn der Rückrunde aus.