Nach zwei Rechtsgutachten zum Haushalt 2025 kochen in der Koalition die Emotionen hoch. Ampel-Politiker wollen nun die Wogen glätten – und Bundeskanzler Scholz meldet sich aus dem Urlaub.
Wegen des neusten Streits in der Ampel-Koalition um den Bundeshaushalt muss Kanzler Olaf Scholz aus Sicht der CSU sofort seinen Urlaub abbrechen und ein Machtwort sprechen. „Wo ist Scholz? Die Ampel zerlegt sich wieder mal in aller Öffentlichkeit, weil sie erneut beim Haushalt scheitert – und der Kanzler urlaubt“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber jüngst der Deutschen Presse-Agentur in München. Das sei unerträglich und respektlos gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. „Deshalb ist klar: Scholz muss seinen Urlaub abbrechen.“
In den vergangenen Tagen war der Streit über den Etat 2025 neu aufgebrochen. Hintergrund sind drei Vorhaben, die die Finanzierungslücke im Etat für das kommende Jahr um zusammen acht Milliarden Euro reduzieren sollten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte wegen rechtlicher und wirtschaftlicher Bedenken Gutachten zur Bewertung der Pläne in Auftrag gegeben und hält diese weiter für rechtlich riskant. Nach Veröffentlichung der Expertisen gab es heftige Kritik am Finanzminister von SPD und Grünen. SPD-Chefin Saskia Esken etwa nannte sein Vorgehen „unanständig“ und warf Lindner Profilierungssucht vor.
Ampel will einvernehmliche Lösung
SPD, Grüne und FDP sind in diesem Zusammenhang offenbar bemüht, den neu entflammten Streit über den Haushalt 2025 nicht weiter anzufachen. SPD-Chef Lars Klingbeil und Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch machten deutlich, dass sie auf eine einvernehmliche Lösung setzen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr mahnte dazu, rhetorisch abzurüsten. Zuvor hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eingeschaltet.
Der Kanzler schaltete sich aus dem Urlaub in den Streit um den Haushalt ein. Im Interview mit „Zeit online“ machte er deutlich, dass er Lindners Bedenken nicht teilt. „Klares Ergebnis des juristischen Gutachtens: Das geht“, befand der Kanzler. Die Bundesregierung werde jetzt vertraulich die nächsten Schritte beraten. Bis Mitte August wollen Scholz, Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nun erneut Lösungen suchen. Dann soll der Haushaltsentwurf an den Bundestag weitergeleitet werden, der viel Zeit zur Beratung braucht. Die noch zu schließende Finanzierungslücke bezifferte Lindner auf fünf Milliarden Euro.
Wo macht Olaf Scholz Urlaub?
Mit der Meldung, dass sich Bundeskanzler Scholz aus dem Urlaub in die Debatte einschaltet, fragt sich der ein oder andere, wo der SPD-Politiker diesen verbringt. Geäußert hat er sich dazu nicht. Bekannt ist allerdings, dass er im Sommerurlaub – wie wahrscheinlich die meisten – entspannen will. Im ZDF-Sommerinterview hatte der 66-Jährige im Juli gesagt, er freue sich darauf, dass Ruhe herrsche, er Sport machen, die Landschaft genießen und Bücher lesen könne.
Außerdem will er viel Zeit mit seiner Frau verbringen. Vielleicht ja wieder in Südfrankreich? Dort war er mit ihr bereits im vergangenen Sommer. Damals postete Britta Ernst ein Foto auf Instagram und schrieb dazu „Der Urlaub in der Provence mit großartigen Eindrücken ist vorbei.“
Offenbar hat es sich der Bundeskanzler auch nicht nehmen lassen, bei den Olympischen Spielen vorbei zu schauen und die deutschen Athleten zu unterstützen. Am Donnerstagabend wurde er auf der Tribüne des Hockeystadions gesehen. Von dort verfolgte er die Finalniederlage des deutschen Teams, das gegen die Niederlande erst im Penalty-Schießen unterlag.
Vielleicht verschlägt es das Ehepaar auch nach Südtirol. Dort war etwa Scholz’ Vorgängerin Angela Merkel (CDU) öfters zum Wandern. In ihrem traditionellen Osterurlaub war Merkel zudem etwa 2023 mit ihrem Ehemann Joachim Sauer in Italien, besuchte die Insel Ischia und die Ruinen von Pompeji.
Klingbeil will einvernehmliche Lösung
Vermutlich wird der Urlaub für den Bundeskanzler aber sowieso nicht ganz so entspannt ablaufen, wie vielleicht gewünscht. Schließlich sah er sich jüngst gezwungen, sich zum einmal mehr neu entflammten Streit um den Bundeshaushalt zu äußern. In dem setzt SPD-Chef Klingbeil nun auf eine einvernehmliche Lösung. „Meine Erwartung ist sehr klar: Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner müssen das gemeinsam bewerten. Die Betonung liegt auf gemeinsam“, sagte Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Dass über Tage jetzt schon wieder ein öffentlicher Zirkus stattfindet, das ist vermeidbar, wenn man sich zusammen hinsetzt“, fügte er hinzu.
Er gehe davon aus, dass die Finanzierungslücke geschlossen werden könne. Nicht denkbar sei, „dass die Regierung dem Bundestag einen Haushalt mit Lücken vorlegt und dem Parlament dann eine gute Reise wünscht“, mahnte Klingbeil mit Blick auf die für Mitte September geplante erste Lesung des Etats im Parlament.
Grüne wollen ebenfalls gemeinsame Lösung
Auch Grünen-Fraktionsvize Audretsch erwartet, dass sich die Koalition einigt. „Die Rechtsgutachten geben alle Möglichkeiten zu einer gemeinsamen Lösung für den Haushalt 2025“, sagte er dem RND. „Kaputtsparen beim sozialen Zusammenhalt und beim Klimaschutz wäre falsch und ist auch gar nicht nötig. Es gibt bessere Wege. Jetzt ist wichtig, dass alle in der Koalition bereit sind, den gemeinsamen Weg auch zu gehen“, mahnte Audretsch.
FDP-Fraktionschef Dürr wies den Vorwurf zurück, seine Partei habe den Haushaltsstreit neu entfacht. „Nein, das ist kein Foulspiel“, sagte er im Podcast des Medienunternehmens Table.Briefings. Die Prüfaufträge seien vereinbart gewesen, machte Dürr deutlich. Manche seien enttäuscht, wenn die Prüfbitte nicht so ausgefallen sei, „wie man es sich vielleicht gewünscht hat“. Zu den Vorwürfen insbesondere aus der SPD sagte Dürr: „Wir sollten ein bisschen ruhiger in der Sprache werden.“
CSU: „völligen Realitätsverlust“
Die CSU wirft dem Kanzler unterdessen einen „völligen Realitätsverlust“ vor. „Olaf Scholz meldet sich aus dem Urlaub, nur um seinen Finanzminister abzukanzeln und zu behaupten, dass der Etatentwurf schon so passt. Wer angesichts des totalen Chaos in der Bundesregierung zu diesem Schluss kommt, handelt absolut verantwortungslos“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der Deutschen Presse-Agentur in München.
Scholz regiere nach dem Motto „Augen zu und durch“, betonte Huber. Damit steuere die Bundesregierung auf den nächsten Verfassungsbruch zu, wie schon beim vergangenen Bundeshaushalt und beim jüngst vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gekippten Bundestagswahlrecht. „Offenbar ist dem Kanzler sein Urlaub wichtiger als ein verfassungsgemäßer Haushalt“, sagte Huber.
Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki warnte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es sollte „grundsätzlich der Eindruck tunlichst vermieden werden, dass der Haushaltsgesetzgeber Tricks anwenden muss, um dem verfassungsrechtlichen Gebot der Schuldenbremse Genüge zu tun.“