Angesichts der Flut von Beschwerden will der Bund den Klinik-Atlas weiter aktualisieren. Foto: dpa/Soeren Stache

Bundesweit mehrt sich die Kritik am Klinik-Atlas der Bundesregierung. Auch Stuttgarter Kliniken haben in dem Online-Verzeichnis fehlerhafte Angaben über ihre Häuser entdeckt. Welche das sind und wo nachgebessert werden muss, zeigt unsere Übersicht.

Eine glatte Fünf – diese ungenügende Schulnote würde Mark Dominik Alscher gerne dem Klinik-Atlas der Bundesregierung geben. So sehr ärgern den Leiter des Robert Bosch Krankenhauses Stuttgart die fehlerhaften Angaben über sein Haus in dem Online-Verzeichnis, das seit Mitte Mai für alle interessierten Nutzer im Internet zugänglich ist. „Die Daten, die wir im Bundes-Klinik-Atlas für unser Krankenhaus mit all unseren Standorten vorfinden, sind weitgehend falsch“, sagt Alscher.

 

Mit seiner deutlichen Kritik ist der RBK-Chef nicht allein: Bundesweit mehren sich die Beschwerden seitens der Krankenhäuser über Fehler und falsche Angaben in dem Verzeichnis, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach noch bei der Veröffentlichung Mitte Mai als einen „übersichtlichen Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel in Deutschland“ angepriesen hat. Warum dieses Versprechen nach Meinung von Experten nicht gehalten wird und wo sich Patienten noch einen Überblick über die Kliniken im Land verschaffen können, zeigen wir in dieser Übersicht.

Wie viele Kliniken sind von den fehlerhaften Angaben betroffen?

Vier von fünf Kliniken werden im Bundes-Klinik-Atlas mit zahlreichen falschen Daten aufgeführt, beklagt die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Das sei das Ergebnis einer Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts. Betroffen seien auch viele Krankenhäuser im Land, bestätigt die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG). Einen genauen Überblick über die einzelnen Häuser gebe es zwar nicht, aber „rund 80 Prozent der Krankenhäuser haben Fehler in ihren Klinik-Atlas-Profilen gefunden“, sagt Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der BWKG. „Das ist irreführend und verunsichert die Patientinnen und Patienten. Hier war Schnelligkeit wichtiger als Qualität, und das darf es bei einem so wichtigen Thema wie der Gesundheit nicht geben.“

Was wurde bei den einzelnen Kliniken falsch dargestellt?

Hauptsächlich beklagen die Krankenhäuser im Land falsche Fallzahlen, falsche Personalzahlen und auch falsche Bezeichnungen von Fachabteilungen. Auch werden im Klinik-Atlas nicht oder nicht alle Zertifikate genannt, mit denen Zentren ihre Qualität belegen. Problematisch sei auch die Suchfunktion, die häufig zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen komme, sagt Anette Baumer von der BWKG: „Das ist irreführend für potenzielle Nutzer des Klinik-Atlas.“

Vom Marienhospital in Stuttgart kommt die Kritik, dass auf Bundesebene Kliniken sowie Abteilungen miteinander verglichen werden, deren Datengrundlage aufgrund unterschiedlicher Ländervorgaben bei der Krankenhausplanung nicht miteinander verglichen werden könne. So finden sich in Baden-Württemberg extrem wenige spezialisierte internistische Abteilungen, nur weil die Krankenhausplanung hierzulande diese Differenzierung nicht vorsieht. „Im Klinik-Atlas erscheint Baden-Württemberg diesbezüglich schlecht aufgestellt, obwohl die entsprechende Expertise hier landesweit extrem hoch ist“, so die Sprecherin Sabrina Ullrich.

Welche Fehler beklagen die Krankenhäuser aus der Region?

Im RBK Stuttgart stimmt beispielsweise die Zahl der Betten nicht, sagt Mark Dominik Alscher. „Es fehlt mehr als ein Drittel unserer Betten.“ Eklatant sei auch die fehlende oder falsche Bezeichnung der Notfallstufe, die ein Krankenhaus inne hat. „So wird eine Notfallversorgung der Stufe drei für unsere Standorte Robert Bosch Krankenhaus, Standort City und Klinik Charlottenhaus angegeben, an denen wir gar keine Notfallversorgung anbieten.“

Genau das Gegenteil ist am Klinikum Stuttgart der Fall: „Wir haben festgestellt, dass etwa bei der Notfallversorgung bestimmte Leistungen des Klinikums nicht dargestellt werden, obwohl wir diese beispielsweise mit Traumazentrum Level I, Stroke Unit, Chest-Pain-Unit für etwa 60 000 Notfallpatienten an unserem Standort in Stuttgart Mitte extrem häufig erbringen“, sagt der Medizinische Leiter des Klinikums, Jan Steffen Jürgensen.

Auch das Diakonie-Klinikum Stuttgart beklagt ein Bettenproblem: Laut Klinik-Atlas führt das Krankenhaus 382 Betten, weshalb es als Klinik mittlerer Größe bezeichnet wird. Tatsächlich führt das Diakonie-Klinikum aber 18 Betten mehr, dazu noch eine Tagesklinik mit zwölf Plätzen und würde damit in die Kategorie der großen Häuser fallen: „In der Außendarstellung tatsächlich ein kleiner, aber feiner Unterschied für Patienten – aber auch für Bewerberinnen und Bewerber, um die die Kliniken bekanntermaßen im Wettbewerb stehen“, sagt der Sprecher Frank Weberheinz. Zumal auch eine komplette Fachabteilung im Klinik-Atlas unterschlagen wird: die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Dabei ist diese doch für einen Schwerpunktbereich des Krankenhauses zuständig – nämlich die Behandlung von Essstörungen.

Was aber weitaus ärgerlicher sei: In der Suche des Klinik-Atlas tauche das Diakonie-Klinikum Stuttgart gar nicht auf, sobald der Bindestrich weggelassen wird. „Von einer intelligenten Suchfunktion, wie sie heute eigentlich jeder Kleinunternehmer mit einer einigermaßen auf dem aktuellen technischen Stand befindlichen Homepage anbietet, kann nicht die Rede sein“, so Weberheinz.

Für das Marienhospital bilden die Daten weder in Bezug auf das gegenwärtige Leistungsspektrum noch auf die Fallzahlen oder das eingesetzte Pflegepersonal die aktuelle Situation ab, heißt es seitens der Geschäftsführung. „In der aktuellen Version ist der Klinik-Atlas leider weder für den Patienten noch für den Kliniker zu gebrauchen.“

Wird noch nachgebessert?

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums werde der Bundes-Klinik-Atlas ständig weiterentwickelt und aktualisiert. Basis dafür seien Hinweise aus der Praxis, die auch konkret über ein Kontaktformular eingegeben und verarbeitet werden können.

Immerhin: Einige der Kliniken teilen diese Zuversicht, dass der Bundes-Klinik-Atlas durchaus Potenzial habe. „Der Anspruch, die medizinische Qualität der unterschiedlichen Krankenhäuser miteinander vergleichen zu wollen und so mehr Transparenz zwischen den unterschiedlichen Kliniken zum Wohle des Patienten zu schaffen, ist vom Ansatz her sehr zu begrüßen“, bestätigt Sabrina Ullrich vom Marienhospital.

Auch Jan Steffen Jürgensen vom Klinikum Stuttgart ist sich sicher: „Die ergänzende Ausweisung seriöser Zertifikate und Qualitätssiegel, aber auch die geplante Darstellung von objektiven Ergebnissen oder Komplikationsraten, können für Patienten eine sehr hilfreiche Orientierung bieten.“

Welche Verzeichnisse gibt es noch zur Patienteninformation?

Der Klinik-Atlas ist nicht die einzige bundesweite Übersicht deutscher Krankenhäuser. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hält eine digitale bundesweite Übersicht deutscher Krankenhäuser parat: Im „Deutschen Krankenhausverzeichnis“ (deutsches-krankenhaus-verzeichnis.de) gibt es Informationen über Personal, Fallzahlen, Qualitätsdaten und Komplikationsraten. Es gibt aber keinen direkten Vergleich zwischen den Kliniken. Auch der AOK-Bundesverband betreibt eine Klinik-Datenbank mit aktuellen Fall- und Qualitätsdaten (aok.de/pk/krankenhaus-in-der-naehe).