Gerhard Jehle ist einer der fünf Bürgermeisterkandidaten. In einer fünfteiligen Serie lässt unsere Redaktion jeden von ihnen in Form eines Interviews zu Wort kommen. Foto: Stefan Heimpel

Die Bürgermeisterwahl in Furtwangen findet am Sonntag, 19. Oktober, statt. Die Kandidaten stellen sich im Vorfeld unseren Fragen.

Der promovierte Kunsthistoriker Gerhard Jehle (60 Jahre) möchte Furtwangens neuer Bürgermeister werden. Welche Ziele hat er?

 

Wie wollen Sie die Innenstadt beleben, noch mehr Aufenthaltsqualität schaffen und den Einzelhandel stärken?

Die Innenstadt zu beleben, ist ein Anliegen, das jede Gemeinde ihrem Umfang, ihrer historischen Situation und ihren Mitteln entsprechend lösen muss. Die Furtwanger Situation bringt mit sich, dass die Einrichtung einer eigentlichen „Fußgängerzone“ auf Widerstände sachlicher und ideologischer Art trifft. Kultur und kleine Geschäfte beleben die Innenstadt am nachhaltigsten, obwohl dem Exodus des Einzelhandels schwer entgegenzuwirken ist. In Deutschland fehlen Gesetze zum Schutz des Einzelhandels (Kündigungsschutz, Mietpreisdeckel). Die Charta von Leipzig hat 2020 die probeweise Belegung von „Brachen“ angeregt – hier ohne Erfolg.

Die Stadt hat wenig finanziellen Spielraum. Wo sehen Sie Einsparmöglichkeiten?

In den Siebzigerjahren hat ein missverstandener Keynesianismus zur Anhäufung eines monströsen Schuldenbergs geführt, gegenwärtig führt die Ausgleichsrechnung nach P. Thompson zu einer unbilligen Steuerbelastung. Soll die goldene Gans geschlachtet werden? Der schleichenden Sozialisierung des Eigentums muss Einhalt geboten werden. Einsparmöglichkeiten müssen genutzt, überflüssige Projekte storniert werden, aber Austerität ist keine Lösung und darf nicht auf Kosten der Vereine praktiziert werden, übertriebene Austerität führt immer zu einer Rezession. Wir müssen nicht für die Sünden vergangener Wohlstandsjahre büßen.

Wo sehen Sie mittelfristig einen stärkeren Investitionsbedarf in Furtwangen?

Der Ausbau der Tourismusbranche ist ein vorrangiges Ziel, und dazu gehört der Ausbau des kulturellen Sektors durch die Förderung von Bühnen und Galerien. Die Innenstadt muss attraktiver werden, der Müll von der Straße gefegt werden. Bürger können sich als Freiwillige beteiligen an der Beaufsichtigung von „Problemzonen“. Vermieden werden muss, dass die Gemeinde die vergifteten Geschenke scheinbarer Wohltäter annimmt, die im Gegenzug Vergünstigungen bei der Flächenplanung erwarten. Die medizinische Nahversorgung und das Altenheim müssen intensiver unterstützt, die Vereine weiter gefördert werden – um der Integration willen.

Was macht Sie zu dem besseren Bürgermeisterkandidaten im Vergleich zu den vier Mitbewerbern?

Als Kunsthistoriker, Künstler und Kulturwissenschaftler (im akademischen Nebenfach) kann ich meinen Beitrag leisten als Vermittler zwischen konkurrierenden Werte- und Normen-Systemen, die das Zusammenleben in der Stadt zum Problem lassen werden können, wenn nicht jeder Beteiligte eines anstehenden Konflikts bereit ist, auf die Gegenseite zuzugehen. Ich bin kein Technokrat und bin nicht der Meinung, dass Pfennigfuchserei in einer Krisensituation hilft. Mangelnde Sprachkenntnisse und einander ausschließende Vorstellungen über die Polis führen zum Ausschluss des Anderen. Warum sind die Städtepartnerschaften eingeschlafen?