Michael Lehrer (53) in seinem Büro im Aichhalder Rathaus Foto: Niklas Ortmann

Michael Lehrer will Bürgermeister von Aichhalden bleiben. Einen Konkurrenten bei der Wahl gibt es nicht. Ob er sich einen solchen gewünscht hätte, warum er wieder antritt und was seine Ziele sind, verrät er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Michael Lehrer empfängt zum Interview in seinem Büro im Aichhalder Rathaus. Von dort aus will er auch in den nächsten acht Jahren die Gemeinde entwickeln. Wie genau, das kann er den Bürgern in diesen Tagen in Ruhe erklären – bei der Wahl am Sonntag, 6. April, gibt es keine Konkurrenz.

 

Herr Lehrer, hätten Sie sich einen Gegenkandidaten gewünscht?

Es ist so deutlich entspannter. Wahlkampf ist anders, wenn man einen Gegenkandidaten hat. Ich kann in den Bürgergesprächen jetzt mehr darauf eingehen, was ich die nächsten acht Jahre vorhabe, und schauen, ob sich das mit dem deckt, was die Bürger sich vorstellen.

Warum möchten Sie Bürgermeister von Aichhalden bleiben?

Ich mache den Job hier sehr, sehr gerne. Das ist meine Berufung. Mein Gefühl ist: Es passt zwischen mir und der Gemeinde. Und es gibt nichts Schöneres, als seine Heimatgemeinde voranbringen zu können.

Auf welches Projekt aus den vergangenen acht Jahren sind Sie besonders stolz?

Das größte Projekt war sicher die Dreifeldhalle. Aber es sind auch kleinere Dinge wie der Anbau an den Kindergarten Rötenberg. Überraschend war für mich, dass wir einen Bauboom hatten, durch den wir unsere Wohngebiete entwickeln konnten und diese auch sofort voll waren. Manchmal muss man auch ein glückliches Händchen haben: Ich wollte etwas für die Senioren tun, habe aber nicht an ein so großes Pflegeheim wie das Menetatis gedacht.

Was haben Sie bisher nicht umgesetzt?

Ich habe von einem Erlebnisweg gesprochen, mit dem ich den Tourismus stärken wollte. Da sind wir zwar dran, aber das dauert lange. Das Gasthaus Engel ist das Thema, bei dem ich sage: Da müssten wir deutlich weiter sein. 60 Prozent konnten wir zurückkaufen, jetzt sind wir an den anderen 40 Prozent dran.

Das sind 14 Eigentümer, die auf der Welt verstreut sind. Denen wurde gesagt, dass sie eine voll renovierte Wohnung kaufen – für 200 000 Euro. Und ich kann ihnen gerade mal 6000 Euro anbieten.

Wie geht es weiter?

Ziel ist es weiterhin, das Gasthaus in Gemeindehand zu bringen. Es gibt Investoren. Die werden ein Konzept vorlegen, dann werden wir entscheiden. Das Ziel ist immer noch, wieder Gastronomie reinzubringen.

Welche Projekte möchten Sie außerdem in den nächsten Jahren voranbringen?

Für mich steht das Lehrschwimmbecken weit vorne. Hier haben wir einen Investitionsbedarf, bei dem klar ist: Das Geld sehen wir nie wieder. Aber es wird genutzt und soll erhalten bleiben. Klar ist auch, dass wir uns bei den Gemeindegebäuden Gedanken zur Wärmeversorgung machen müssen. Ich möchte, dass Senioren Möglichkeiten zur Begegnung haben. Da gibt es schon viele Angebote, aber die würde ich gerne koordinieren. Ich will auch sicherstellen, dass Baugebiete und Gewerbeflächen vorhanden sind. Daneben haben wir eine Menge an Infrastruktur, die erhalten werden muss.

Die teils marode Infrastruktur in Deutschland ist eines der bestimmenden Themen in der Bundespolitik – und auch in Aichhalden?

Ich bin jetzt mal arrogant und sage, dass bei uns nicht alles marode ist. Aber das fordert einen dauerhaft. Es ist toll, Neues zu bauen – aber wir müssen auch schauen, dass wir das Alte erhalten.

Inwieweit ist da Bürokratie eine Herausforderung?

(lacht). Vorhin habe ich gesagt, es ist ein toller Job – aber die Bürokratie ist eine Katastrophe. Wir haben am Bauhof fast ein dreiviertel Jahr gebraucht, bis wir die Baugenehmigung bekommen haben. Plötzlich brauchen wir einen Beauftragten für Gewässerschutz. Dann müssen wir ein Risikomanagement für Trinkwasser machen. Da sollte sich die Politik fragen: Müssen wir alles regeln?

Die Wirtschaft in Deutschland lahmt, es herrscht Krisenstimmung: Ist der Beruf des Bürgermeisters heute schwieriger als zu Beginn Ihrer ersten Amtszeit?

Die Verunsicherung spüre ich. Auf der anderen Seite denke ich, dass wir sehr angstbesessen sind in Deutschland. Vor sieben Jahren hatten wir eine boomende Wirtschaft, und trotzdem hatte man Angst. Jetzt werden überall Stellen abgebaut, das will ich nicht kleinreden. Aber zu sagen, Deutschland wird eine Wüste werden, ist völlig überzogen. Da wird es auch als Bürgermeister schwieriger, Visionen zu entwickeln.

Die schwache Konjunktur schlägt sich auch in den Finanzen der Kommunen nieder. Trotzdem planen Sie für 2025 mit Rekordinvestitionen. Ein Zeichen gegen die Bedrücktheit?

Genau. Mir hat man antizyklisches Verhalten beigebracht –wenn es der Wirtschaft schlecht geht, müssen wir aufs Gas treten. Aichhalden wird das Bruttosozialprodukt nicht spürbar verändern, aber es geht mir auch um das Zeichen.

Sie finanzieren Ihre Investitionen aus Rücklagen. Im Bund werden nun Hunderte Milliarden an neuen Schulden gemacht. Ist das jetzt der richtige Schritt?

Das kann ich sagen, wenn ich weiß, was mit dem Geld passiert. Grundsätzlich sind Schulden nicht böse. In unseren Eigenbetrieben haben wir Schulden – das ist so gewollt: Wenn ich eine Kläranlage baue, dann klärt die das Wasser für die nächsten 40 Jahre. Warum soll sie dann nur die jetzige Generation bezahlen? Man muss schauen, ob in Dinge investiert wird, mit denen wir langfristig unsere Infrastruktur sichern.

Wie nehmen Sie die Stimmung in Aichhalden wahr? Bei der Bundestagswahl wählte fast ein Viertel die AfD, was auf Unzufriedenheit hindeutet.

Man ist unzufrieden und wählt etwas, weil man denkt: Die machen es besser. Wenn ich mir die Ideen der AfD anschaue, verstehe ich das nicht. Die AfD hat beantragt, die Kreisumlage auf 30 Prozent zu erhöhen. Das bedeutet, dass ich als Gemeinde ein Loch in der Kasse habe. Dadurch muss ich die Bürger mit höheren Steuern belasten – während die AfD verspricht, die Steuern zu senken.

Sind Sie als Politiker, auch im Kommunalen, nun besonders gefragt, um das Vertrauen in die Politik und die Demokratie zu stärken?

Da ist ein Politiker immer gefragt. Wenn ich das Agieren von Friedrich Merz beim Thema Schulden sehe, muss ich fragen: Ist das ehrlich? Ich will nichts beschönigen, aber auch nichts dramatisieren. Verlässlichkeit fehlt mir in der Politik.

Ihr Vorgänger Ekhard Sekinger war 24 Jahre lang im Amt. Können Sie sich das auch vorstellen?

Das hängt in acht Jahren von meiner Gesundheit und den Rahmenbedingungen ab, aber ich kann mir das vorstellen.

Zur Person

Persönliches
Michael Lehrer (53) ist verheiratet und hat drei Kinder. Er absolvierte sein Studium zum Diplom-Verwaltungswirt an der FH in Kehl und sein Einführungsjahr dazu bei der Gemeinde Aichhalden . Vor seiner Wahl war er Kämmerer in Sulz.

Bürgermeister
Lehrer wurde im Mai 2017 im zweiten Wahlgang gewählt. Er löste Ekhard Sekinger ab, der nach 24 Jahren nicht mehr angetreten war.