Die Stadt nutzt die Container in der Rainer-Haungs-Straße notgedrungen für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen – was nicht im Sinne der Integration ist. Doch der Wohnraum in Lahr ist knapp. Foto: Maier

Der Sozialbürgermeister warnt vor einem "Kollaps": Beim Thema Flüchtlinge hat die Stadt die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, teilweise sogar überschritten, sagt Guido Schöneboom.

Lahr – Die Stadt Lahr steht mit ihren Problemen nicht allein: So haben bereits der Deutsche Städtetag und der Landkreistag eindringlich gefordert, die "Migrationsbewegungen über den Balkan und die Binnenmigration in Europa zu stoppen" – sie warnen davor, dass eine neue Flüchtlingswelle die Kommunen überlastet. Der Deutsche Landkreistag befürchtet, dass es bei der Unterbringung von Flüchtlinge zu Zuständen wie in den Jahren der starken Migrationsbewegung 2015 und 2016 kommt.

Vergleich mit der Flüchtlingskrise 2015/16

In Lahr, sagte Bürgermeister Schöneboom im Gespräch mit unserer Redaktion, ist die Situation schon jetzt mit den Jahren 2015 und 2016 – dem Höhepunkt der damaligen Flüchtlingskrise – vergleichbar. Der Unterschied zu damals sei: "Die Werkzeuge gehen uns aus. Was wir 2015/16 bei Sprachkursen und Wohnungen leisten konnten, ist ausgereizt", betont der erste Beigeordnete und fügt hinzu: "Wie sollen wir das bewältigen, wenn mehr Flüchtlinge kommen?"

Die Situation macht Schöneboom an Zahlen fest: Im Rahmen der sogenannten Erstunterbringung, für die der Kreis zuständig ist, leben rund 300 Flüchtlinge in Lahr, allein 75 in den Containern bei der Ortenauhalle, außerdem unter anderem in den Gebäuden Geroldsecker Vorstadt 73 und 81, in der Willy-Brandt-Straße 6 und im Kähnermatt 7. Bereits vorbereitet für die Erstunterbringung von Flüchtlingen ist die Ortenauhalle – laut Kreis als Notnagel.

79 Menschen wohnen in den Containern auf dem Flugplatzgelände

Die Anschlussunterbringung ist Aufgabe der Stadt; seit 2017 bis Ende Oktober 2022 hat die Stadt für rund 547 Menschen Wohnraum vermittelt. Mangels Wohnungen musste die Stadt dabei freilich auf die Container in der Rainer-Haungs-Straße auf dem Flugplatzgelände zurückgreifen: 79 Menschen wohnen dort im Moment. Eine solche Unterbringung trage jedoch nicht zu einer Integration der Menschen bei, was eigentlich Sinn der Anschlussunterbringung ist. Schöneboom: "Mehr Flüchtlinge in der Erstaufnahme bedeuten mehr Anschlussunterbringungen. Wie sollen wir das bewältigen? Sollen wir ebenfalls Sporthallen nutzen?" Schon der Wegfall der Ortenauhalle bedeute Einschränkungen für Vereine. Wenn in der Ukraine durch den Krieg die Infrastruktur weiter Schaden nimmt, "wird es im Winter einen weiteren Zustrom geben", fürchtet Schöneboom.

685 Ukrainer leben in der Stadt Lahr

Derzeit kommen fast die Hälfte der Flüchtlinge im Ortenaukreis aus der Ukraine. In Lahr leben derzeit 685 Ukrainer. Rund 70 Prozent von ihnen sind in Privatwohnungen untergebracht. Allerdings sei der Wohnungsmarkt in Lahr ohnehin sehr angespannt, so Schöneboom mit Blick auf weitere Flüchtlinge.

Auch die Ausländerbehörde der Stadt platze aus allen Nähten, personell und räumlich, so der Bürgermeister. Das gelte auch für die Volkshochschule, die sich darum kümmern soll, dass die Flüchtlinge Sprachkurse erhalten. Das Problem laut Schöneboom: "Es fehlt uns an Räumen und an Dozenten." Dabei sei Sprache entscheidend für die Integration. Ähnlich sehe es bei der Kinderbetreuung aus. "Wir brauchen Kita-Plätze. Da haben wir aber bereits jetzt schon einen großen Rückstau."

"Die Verantwortlichen im Bund müssen endlich aufwachen und mit den Menschen vor Ort reden", fordert Schöneboom deshalb.  "Wenn man den Zugang nicht kontrolliert, wird es zu einem Kollaps kommen", warnt er.

Statistik

Laut Landratsamt sind 47,9 Prozent der Flüchtlinge im Ortenaukreis Ukrainer. 8,1 Prozent kommen aus Syrien, 7,7 Prozent aus Afghanistan, 6,6 Prozent aus dem Irak, jeweils 5,7 Prozent aus Georgien und aus der Türkei, 3,0 Prozent aus Nordmazedonien und 2,7 Prozent aus Nigeria. 66,3 Prozent haben eine andere Staatsangehörigkeit. In den Containern der Rainer-Haungs-Straße, die die Stadt als Anschlussunterkunft nutzt, leben Menschen vorwiegend aus Gambia, Guinea, Syrien und der Türkei.