Hunderttausende sind auf der Flucht, weil im Ostkongo ein Bürgerkrieg tobt. Jetzt will Kenias Ex-Präsident Uhuru Kenyatta vermitteln.
Und wieder säumen sie die Straßen: Schlangen an Flüchtlingen, Familien mit Kindern, ganze Dörfer. Sie balancieren Gegenständen auf dem Kopf und viele der Frauen tragen auch noch ein Kind auf dem Rücken in ein Tuch geschlungen. Sie steuern die kongolesische Provinzhauptstadt Goma an, die ihnen zumindest vorübergehend Schutz bieten könnte. Wenn nicht wieder passiert, was vor zehn Jahren geschah, als die Rebellen der „Bewegung 23. März“ (M23) die rund eine Million zählende Stadt kurzerhand überrannten.
Schon hat die Armee der Kinyarwanda (ruandisch) sprechenden Rebellen das Städtchen Kibumba nur noch zwanzig Kilometer nördlich von Goma eingenommen. Als nächstes wäre das Dorf Kibati dran, das gegenwärtig noch von Regierungssoldaten gehalten wird – mitsamt seiner drei Flüchtlingscamps, deren Bewohner in den vergangenen Wochen auf mehrere Zehntausend angeschwollen sind.
Ein Waffenstillstand ist bereits vereinbart
Seit Beginn der jüngsten M23-Offensive Ende Oktober sollen sich in der ostkongolesischen Nord-Kivu-Provinz fast 200 000 Menschen auf der Flucht befinden: Ein Drama, das sich im Osten des Riesenreichs im Zentrum Afrikas seit drei Jahrzehnten ständig aufs Neue abspielt. Seit der Völkermord im Nachbarland Ruanda und der von ihm ausgelöste Flüchtlingsstrom die gesamte Region erschütterte.
Noch gibt es einen Hoffnungsschimmer: Als Friedensbote seines Landes soll Kenias Ex-Präsident Uhuru Kenyatta mit dem ruandischen Staatschef Paul Kagame bereits einen Waffenstillstand vereinbart haben. Ein schon förmlich bedeutsamer Vorgang: Schließlich räumt Kagame damit ein, Einfluss auf die M23-Rebellen auszuüben. Bisher hatte er jede Verbindung zu der von ruandischen Tutsi-Flüchtlingen dominierten Truppe weit von sich gewiesen. Allein schon die gute Bewaffnung der M23-Rebellen spricht allerdings eine andere Sprache: Sie sollen neben Geschützen und Panzern auch über Drohnen verfügen, die ihre Aufklärung sichern. Ruanda hat auch ein Interesse an den Umtrieben der Banyamulenge genannten Tutsi-Rebellen: Ihre Erzfeinde sind die nach dem ruandischen Völkermord ins Nachbarland geflohene Hutu-Milizen, die als Forces Democratiques de Liberation du Rwanda (FDLR) aus dem Kongo heraus den Widerstand gegen Kagames Herrschaft über Ruanda organisieren. Kagame wirft der kongolesischen Regierung vor, mit der FDLR gemeinsame Sache zu machen.
Auch die Nachbarstaaten wollen Zugriff auf die Bodenschätze
Die Spannungen zwischen den verschiedenen ruandischen Flüchtlingsgruppen (Hutu und Tutsi) lassen den Ostkongo schon seit drei Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommen. Hinzu kommen mehr als hundert örtliche Milizen und Rebellengruppen, die ihr Dasein vor allem dem sagenhaften Bodenschatzreichtum des Ostkongos verdanken – sowie den Bemühungen der Nachbarstaaten (neben Ruanda auch Uganda und Burundi) an diese Schätze heran zu kommen. Mit der richtigen Rebellentruppe am Drücker fällt der Zugriff leichter – Türöffner für Ruanda ist M23, während Uganda seinen Einfluss über die kongolesische Armee geltend macht.
Dem fast 30-jährigen Bürgerkrieg im Ostkongo sollen bereits mehr als fünf Million Menschenleben zum Opfer gefallen sein. Ihn zu beenden hat sich jetzt die „Ostafrikanische Gemeinschaft“ (EAC) zur Aufgabe gesetzt: 1000 kenianische Soldaten wurden bereits in die Kriegsregion entsandt, neben burundischen und ugandischen Truppen in ähnlicher Stärke. Das Mandat der EAC-Soldaten ist robust: Sie sollen nicht nur den Frieden schützen, den es nicht gibt, sondern auch mit Waffengewalt Rebellen-Vorstöße stoppen. Da die kenianischen Soldaten an der Gomas Stadtgrenze stationiert sind, würde ein Angriff der M23-Rebellen auf die Provinzhauptstadt zu einer Konfrontation mit den Kenianern führen: Eine Aussicht, die Ruandas Präsident Kagame nicht gelegen sein kann. Er wird den Rebellen einen Angriff auf Goma vermutlich verbieten: Doch ein Ende des Bürgerkriegs wäre so noch nicht gekommen. Nach den Vorstellungen Kenyattas soll dieser nun bei Friedensgesprächen in der kenianischen Hauptstadt Nairobi ausgehandelt werden: M23 wurde dazu allerdings nicht einmal eingeladen. Kein verheißungsvoller Versuch.