Der traditionelle Neujahrsempfang der Stadt Freudenstadt hat ein neues Format. Erstmals veranstaltete die Stadtverwaltung einen Bürgerempfang, um den engen Schulterschluss mit den Bürgern herzustellen.
Und die Freudenstädter ließen sich nicht lange bitten, in Scharen strömten sie ins Kurhaus. Das war dann auch fast bis auf den letzten Platz besetzt.
Die Gartenschau im „Tal X“ wirft ihre Schatten voraus, erkennbar auch am Blumenschmuck auf der Bühne des Kurtheaters. Oberbürgermeister Adrian Sonder lobte die Stadtgärtnerei um Leiter Jochen Conrad, die die Bühne in ein Blumenmeer verwandelt hatte.
Bevor Sonder zum Mikrofon griff, eröffnete das Jugendblasorchester mit seinem Dirigenten Bálint Takásc mit „World in Color“ den Abend. „Der Blick ins voll besetzte Kurtheater ist überwältigend“, zeigte sich Sonder begeistert, bevor er sich den ernsten Themen in seiner Ansprache widmete.
Herausfordernde Zeiten
„Es sind herausfordernde Zeiten für unsere Stadt. Selten war die Finanzlage so schwierig wie jetzt“, so Sonder. Für ihn sind fünf zentrale Faktoren der Grund: die schlechte wirtschaftliche Lage, sinkende Zuschüsse des Landes, die steigende Kreisumlage, allgemeine Preissteigerungen und strukturelle Herausforderungen für die Kommunen. Denen würden Bund und Land immer mehr Aufgaben übertragen, sorgten aber nicht für entsprechende Finanzmittel. Allein zwei dieser Faktoren wären zusammen schon genug, aber alle fünf brächten die Stadt in eine problematische Lage.
Die Finanzlage und die Grundsteuer Schon einen Monat nach seinem Amtsantritt musste Sonder eine Ausgabensperre verhängen, vier Wochen später hat der Gemeinderat mit einer Haushaltssperre nachgezogen. Eine Haushaltsstrukturkommission machte sich auf die Suche nach Einsparpotenzial im städtischen Haushalt.
Das machte Sonder auch deshalb so deutlich, weil es seine Antwort sei für die Bürger, die ihn wegen der Grundsteuer anschreiben. Die Kritik entzünde sich nicht nur am Berechnungsmodell des Landes, das große Baugrundstücke wesentlich verteuere, sondern auch an der gleichzeitigen – deutlichen – Erhöhung der Hebesätze.
Dennoch habe die Stadt nur Mehreinnahmen aus dieser Steuerart von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr, da ja auch einige Eigentümer viel weniger zahlen müssen als zuvor. „Das setzen wir ein für gute Kindergärten und Schulen, für unsere Schwimmbäder, für unsere Kultur, für die Infrastruktur“, so der Oberbürgermeister.
Gartenschau als Chance „Ich rede heute Klartext, auch wenn es unbequem und anstrengend ist. Denn ich meine, ich kann den Menschen in dieser Stadt die Wahrheit zumuten“, sagte Sonder. Er rief die Bevölkerung zum Zusammenhalt auf, „denn wir haben alle Chancen in der Zukunft“. Und eine davon sei die Gartenschau, die die Vergangenheit zeige, aber auch in die Zukunft weise. Das Interesse sei riesig, die Partnerschaft mit der Gemeinde Baiersbronn habe ein sehr hohes Niveau erreicht.
Die Podiumsrunde Mit „You Rise Me Up“ leitete das Jugendblasorchester zum zweiten Teil, der Podiumsrunde, über. Jens Zimmermann, gebürtig in Freudenstadt und als Sportmoderator von großen Ereignissen einem breiten Publikum bekannt, führte durch die Gesprächsrunde. Neben den beiden Rathauschefs Adrian Sonder und Michael Ruf diskutierten Cornelia Möhrlen, die Geschäftsführerin der Gartenschau, und Maike Weiss als Vertreterin der Ehrenamtlichen sowie Hardy Hermann als Gartenschau-Botschafter.
Zimmermann gestand: „Das hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal den Bürgermeister von Baiersbronn zu einem Empfang des Freudenstädter Oberbürgermeisters im Kurtheater begrüßen kann.“ Von „alter Rivalität“ war da in der Tat nichts mehr zu spüren.
Eine einmalige Chance
„Mit Julian Osswald hatte ich ein eheähnliches Verhältnis, mit Adrian Sonder gleicht es einem Seitensprung“, so schilderte Michael Ruf seine intensive Beziehung zur Rathausspitze, seit das Projekt Gartenschau begonnen hat. „Diese städtebaulichen Maßnahmen sind eine einmalige Chance. Wir erhalten Zuschüsse bis zu 50 Prozent, und das bleibt uns dann fast alles erhalten. Durch die Daueranlagen erlebt das Tal eine grandiose Metamorphose. Und wir können damit werben – so schön ist es in Freudenstadt und Baiersbronn“, schwärmte Ruf.
Adrian Sonder konnte das bestätigen: „Die Infrastruktur wertet das Christophstal wahnsinnig auf. Wir gewinnen einen ganz neuen attraktiven Bereich dazu. Ich freue mich aber auch auf die 15 Jahre danach.“
Cornelia Möhrlen freute sich darüber, dass die Gartenschau nun voll im Zeitplan liege und warb noch einmal für die Dauerkarten, die noch bis Ende Februar vergünstigt gekauft werden können. 7000 Dauerkarten und 10 000 Tageskarten seien schon weg. Wer jetzt keine kaufe, sei kein Schwabe. Ab dem 1. März werde der Veranstaltungskalender online veröffentlicht.
Das Ehrenamt Mitreißend berichtete Maike Weiss von ihrem ehrenamtlichen Engagement. Über ihre Arbeit im Baiersbronner Gemeinderat sei sie zu diesem Job gekommen. „Eine Frau, die kann das mit Blumen und Garten schon“, so sei das gewesen, als das Projekt begann. „Nun bin ich reingewachsen, war 2021 bei der Gartenschau in Überlingen, das war mein Aha-Erlebnis. Seither wächst das Wir-Gefühl unter uns Ehrenamtlichen. Wir wollen zusammen was reißen, das schweißt uns zusammen. Das wird unsere Show“, ist Weiss überzeugt.
Hardy Hermann, Freudenstädter Urgestein im Tanzsport, hat ebenfalls nicht lange überlegt, als ihm die Aufgabe als Botschafter angetragen wurde. „Wir haben hier so tolle Hotspots. Ich freue mich, mit meinen Enkeln auf die Rutschen zu gehen und auf die vielen Spielplätze.“ Hermann hofft, dass die Gartenschau wieder mehr Leichtigkeit ins städtische Leben bringt, denn die fehle derzeit. Er selbst plane mit seiner Tanzschule mehrere Events auf der Gartenschau, unter anderem eine Charity-Veranstaltung im Spiegelzelt auf dem oberen Marktplatz.
Der Nahverkehr Michael Ruf lobte den deutlich ausgeweiteten öffentlichen Nahverkehr und dabei auch die Bahn. Cornelia Möhrlen dagegen schwört aufs Fahrrad, um am besten das gesamte Tal zu erkunden.
Mit dem musikalischen Schlusspunkt „Summernight Rock“ ging der Abend dann zum gemütlichen Teil im Foyer über. Dort bewirteten die Stadtkapelle, die Musik- und Kunstschule und der Musikverein Wittlensweiler.