Eine neue Chance für das Welschensteinacher Projekt? Wie er mit einem Kombimodell aus Kooperation mit der Nahversorger-Kette „Tante M“ und einer Genossenschaft weitergehen könnte, darüber informierten sich die Bürger am Donnerstagabend.
Die Nahversorgung in Welschensteinach mit einem Dorfladen sicher stellen – das hatte sich vor elf Jahren eine Gruppe um die damaligen Ortschaftsräte Björn Krugielka und Alexander Kern zum Ziel gesetzt. Um es zu erreichen, standen seinerzeit mehrere Ideen im Raum, darunter die Bildung einer Genossenschaft oder die Kooperation mit der Kette „Tante M“, unter der mehrere Dorfläden in Deutschland betrieben werden. Als sich jedoch mit Günter Thiem ein eigener Betreiber für das geplante Geschäft fand, wurde die anfänglichen Ideen ad acta gelegt. Ein Verein wurde stattdessen gegründet, der sich im Dorf und rund um das Geschäft zu engagierte. Und anfangs lief auch alles gut: 2017 wurde der Welschensteinacher Dorfladen eröffnet und bis 2022 konnten die Einwohner direkt im Ort einkaufen. Doch dann erklärte Thiem seinen Rückzug; der auf fünf Jahre befristete Pachtvertrag wurde nicht verlängert. Als Hauptgrund für seine Aufgabe gab der Betreiber seinerzeit Personalmangel an. Das gefeierte Projekt fand im März 2022 sein Ende.
Danach blieb es eine Weile ruhig um den Dorfladen. Doch die ursprüngliche Idee, das Geschäft mit „Tante M“ unter der Finanzierung einer Genossenschaft zu betreiben, wurde nun wieder aus der Schublade gezogen. Wie das konkret funktionieren könnte, zeigten am Donnerstagabend bei einer Infoveranstaltung sowohl Jochen Schaub, Expansionsmanager von „Tante M“, als auch der Gündlinger Ortsvorsteher Thomas Vierlinger und Katharina Jurkoweit, Mitglied im Vorstand des Gündlinger Dorfladens. Sie waren in die Welschensteinacher Allmendhalle gekommen, um den zahlreich erschienenen Bürgern das bei ihnen verwendete Konzept vorzustellen und Fragen zu beantworten.
Zahl der Nahversorger nimmt überall ab
Schaub, der selbst drei „Tante M“-Läden „hobbymäßig“ betreibt, führte anfangs aus, dass deutschlandweit die Zahl der Metzgereien, Bäckereien und generell Nahversorger abnimmt. „Es gibt aber auch eine gegenläufige Entwicklung“, führte er an. So würden sich immer mehr sogenannte „Walk-In-Läden“ etablieren, also Geschäfte, in die der Kunde einfach hineinläuft, sich selbst bedient und abkassiert. Es gebe auch „Pick and Go“-Geschäfte, die komplett ohne Kassen funktionieren. Letztere seien aber sehr teuer.
Schoch gab Einblick in die Voraussetzungen, die nötig sind, damit ein Dorfladen funktioniert. So müsse er ein Sortiment von mindestens 1100 Artikeln haben und die Bürger müssten in dessen Gestaltung einbezogen werden. Auch die Öffnungszeiten spielen eine wichtige Rolle. „Die Menschen sind es gewohnt, 365 Tage im Jahr shoppen zu gehen. Deswegen schließen wir den Dorfladen so gut wie nie. Wir haben sieben Tage die Woche, 18 Stunden am Tag und das ganze Jahr geöffnet“, so Schoch.
Zugang erhielten die Kunden über eine „Tante M“-Karte oder über ihre EC-Karte. Was die Kosten für den Betrieb angehe: „Da gibt es zwei wesentliche Faktoren: Strom beziehungsweise Miete und das Personal“, erklärte Schoch. Gerade letzteres sei teuer, deswegen müssten Konzepte gefunden werden, bei denen es auf das mindeste reduziert wird – also solche, bei denen der Kunde selbst einkauft und bezahlt. Damit müsse das Personal nur noch bestellen, einräumen und putzen. Schoch zeigte anhand von Bildern und eines Films auf, wie eine Kasse in einem Selbstbedienungsladen aussieht und wie der Kunde selbst abkassiert.
Die Frage nach dem konkreten Personalaufwand konnte er mit einem Beispiel aus seinen Läden beantworten. Demnach reichten bei ihm zwei 540-Euro-Kräfte gut aus.
Personalkosten auf das mindeste reduzieren
Thomas Vierlinger berichtete schließlich vom Dorfladen in Gündlingen in der Nähe von Breisach. Dieser habe 2020 geschlossen, was die Bevölkerung mit Entsetzen aufgenommen habe. Bei einer Bürgerversammlung sei die Idee einer Genossenschaft aufgekommen und es hätten sich acht Personen gefunden, die das organisieren wollten. Etwa 250 Genossen zeichneten und so kamen innerhalb zweier Wochen 85 000 Euro zusammen.
Wie Jurkoweit berichtete, habe „Tante M“ die Ladeneinrichtung und teilweise die Lieferanten gestellt. Als vorteilhaft habe sich erwiesen, dass die Gündlinger einen Bäcker gefunden, der das Geschäft beliefert. Das Backsortiment mache ein Drittel des Umsatzes aus, der mittlerweile etwa 30 000 Euro pro Monat betrage.
Von den Zuhörern folgten einige Detail-Fragen. So wollte einer wissen, wie viel in Gündlingen ein Genossenschaftsanteil kostete. Laut Jurkoweit waren dafür 200 Euro angesetzt worden. Auch wie viele Menschen im Vorstand und im Aufsichtsrat sitzen sollten, war Thema. Laut Jurkoweit gebe es in Gündlingen fünf Aufsichtsräte und drei Vorstände. Ein Zuhörer wollte wissen, wie hoch das Risiko sei, dass der Laden nicht funktioniere. „Von den 60 ,Tante M’-Filialen in Deutschland haben drei aufgegeben“, führte Schoch aus.
Stimmungsbild
Steinachs Bürgermeister Nicolai Bischler freute sich über das große Interesse und erkundigte sich, ob sich jemand der Anwesenden vorstellen könnte, Teil der Genossenschaft zu werden. Die Hände aller schossen nach oben. Ob jemand Interesse an der Arbeit im Vorstand oder im Aufsichtsrat habe, blieb allerdings unbeantwortet. „Dazu etwas zu sagen,ist noch zu früh“, hieß es einhellig von den Einwohnern.