Marina Haas, die 13 Jahre in der Gemeindebücherei gearbeitet hat, geht zum 1. August in den Ruhestand. Die vielen Gespräche mit den Bücherei-Nutzern wird sie vermissen. Foto: Kauffmann

Ruhestand? Ein Fremdwort für Marina Haas, die nur noch zwei Wochen in der Bücherei arbeitet. Sie spricht lieber vom Unruhestand. Uns berichtet sie, was ihr Job ausmacht, wie sie dazu gekommen ist und was sie im Unruhestand vorhat.

Bisingen - Marina Haas sitzt auf dem blauen Sofa in der Bücherei. Mit ihr geht nicht nur eine Angestellte in den Ruhestand, die Bücher einsortiert, Bücher bestellt und Bücher liest. Klar, das gehört auch dazu. Wenn sie sich so umblickt, was vermisst sie? Die vielen Begegnungen, die Gespräche, die Lebensgeschichten, die sie im Laufe der 13 Jahren mitbekommen hat, kommt ihr zuallererst in den Sinn. Zuhören, Empathie zeigen – würde auf einer inoffiziellen Job-Beschreibung vielleicht stehen. Getroffen habe sie Menschen im Alter von 14 Tagen bis 90 Jahre. Haas: "Hier her kommen, das hat schon einfach was." Die Bücherei ist eben doch auch ein Ort, an dem man sich trifft, ein Ort zum Wohlfühlen.

Dass es dort auch noch Bücher gibt, ist gleichwohl keine Nebensache: Über sich selbst sagt Haas, dass sie Bücher liebe; interessant zu sehen, was Bücher bewirken, wie sie Menschen verändern. Ein angenehmer Nebeneffekt ihres Berufs: Sie liest auch Bücher, in die sie sonst vielleicht nicht zuerst hineingeblättert hätte. Sie will die Geschichten ja auch guten Gewissens an die Leser weiterempfehlen können – die Vorlieben der Nutzer kennt man mit der Zeit. Haas selbst liest am liebsten gut recherchierte Geschichten mit charakterstarken Protagonisten, etwa "Der Gesang der Flusskrebse" oder "Alles, was wir nicht sehen" – schon "faszinierend" (Haas) wie die Autoren das machen.

Glücklich und ein bisschen aufgeregt am ersten Arbeitstag

Faszinierend auch, dass Haas durch einen Zufall zu dem Job in der Bücherei gekommen ist: Die Zeitungsanzeige mit der Stellenausschreibung hat sie zunächst nämlich gar nicht gesehen. Ihre Schwiegermutter machte sie darauf aufmerksam. Lesen und mit Leuten zu tun haben, das sei das, was sie liebt. Mit der Bewerbung hat es bekanntermaßen auf Anhieb geklappt.

Am ersten Arbeitstag sei sie glücklich und auch ein bisschen aufgeregt gewesen. Diese Gefühle sind jedoch nicht der Routine gewichen, denn jedes Buch, jede Geschichte, jedes Cover ist anders, und kein Gespräch mit den Nutzern ist gleich. Zu den Routine-Jobs gehört auch, die Regale aufzuräumen, schauen, dass alles ordentlich ist; Bücher ins PC-Programm einarbeiten, Barcodes und Nummern verteilen.

Von der Wehmut lässt sich Haas aber nicht packen, denn, wie sie sagt, sei ein Ende ja immer auch der Anfang von etwas Neuem. Ob man bei ihr von "Unruhestand" sprechen kann? "Ja, mit Sicherheit", tönt es wie aus der Pistole geschossen. Sie habe schließlich fünf Enkel, könne spontan verreisen, ein Theater, eine Oper und Städte anschauen. Dafür muss sie aber nicht um den halben Globus reisen. Das könnte sie schließlich auch mit den Geschichten in den Büchern machen, die sie nach wie vor ausleihen kann.