Der ehemalige Rottenburger Musikschuldirektors Karlheinz Heiss stellt sein neues Buch "Schwarze Pädagogik" vor. Foto: Jansen

"Schwarze Pädagogik" heißt das neue Buch des ehemaligen Rottenburger Musikschuldirektors Karlheinz Heiss. Wie schon in seinem vorherigen Werk "Ein Priester tut so etwas nicht" beschäftigt er sich mit dem düsteren Thema des Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche.

Rottenburg - Dieses Mal hat er sich auf die Knabenseminare und Knabenkonvikte konzentriert. Ab zehn Jahren kamen Jungen, vor allem aus ländlichen Gegenden, in die Schulen, wo sie auf eine Priesterlaufbahn vorbereitet wurden. Unter dramatischen Bedingungen: Gewalt, Hunger, Spitzeleien und Einschüchterung waren an der Tagesordnung.

In seinem Buch stellt Heiss vor allem den 1985 erschienenen Bericht von Josef Hoben heraus, der im Leutkirchner Regina Pacis-Internat war. Die Geschehnisse könnten aber genauso gut im Rottenburger Martinihaus angesiedelt sein. Hoben berichtet ausführlich über die Gewalt im Seminar. "Ich kann nicht vergessen", zitiert Heiss Hoben. Ihrer eigenen Rechte waren sie sich außerdem nicht bewusst, wie Hoben schreibt: "Wer von uns, die nichts anderes als Angst kannten, wäre sich bewusst gewesen, welche Rechte wir hatten?"

Überhöhtes Priesterbild wird aufrechterhalten

Ausführlich berichtet der Seminarschüler Hoben von sexuellen Übergriffen seitens eines älteren Schülers. Hilfe fand er nicht. Die Lehrer ignorierten es. Als er seine Eltern um Unterstützung anflehte, gab ihm seine Mutter die Schuld. "Du hast genauso Schuld wie der andere." Mit diesem "Nestbeschmutzerparadoxon" wird ein "überhöhtes Priesterbild" aufrechterhalten, erklärt Heiss bei seiner Buchvorstellung.

Die Opfer, die mit der Offenlegung von Missständen und Übergriffen dieses Bild ins Wanken bringen, werden dafür sozial geächtet. "Victimblaming" nennt man dieses Phänomen, wenn das Opfer als schuldig dargestellt wird. "Ein Priester in der Familie, das war was Besonderes, vor allem für die Priestermutter", betont Heiss. Um das eigene Prestige, einen Priester zum Sohn zu haben, zu bewahren, wurde jeder Missstand, der dem Bild widersprach, ignoriert.

Hoben selbst wurde kein Priester, sondern Schriftsteller

Hoben wurde erst von seinem Peiniger befreit, als dieser wegen Diebstahls aus dem Seminar flog. Er selbst wurde kein Priester, sondern Schriftsteller. Für Heiss ist die Frage wichtig: "Stimmt das denn, was Josef Hoben schreibt?" Plausibel ist es, wenn man es mit wissenschaftlichen Erkenntnissen vergleicht.

Kurz bevor sein Buch gedruckt wurde, richtete Bischof Gebhard Fürst zusätzlich zur bestehenden Kommission Sexueller Missbrauch eine Aufarbeitungskommission ein. Diese sollte unabhängig sein, Heiss glaubt nicht daran. Die sieben Mitglieder stehen der Kirche mindestens nahe und wurden vom Bischof ernannt und ausgewählt. Sie sollen die Kommission sexueller Missbrauch bewerten – teilweise sind sie dort Mitglieder.

Institution "Kirche" und Glauben getrennt

Heiss kritisiert außerdem die anhaltende Hierarchisierung in der Kirche. "Wir sind gleichberechtigte Menschen in der Gesellschaft und das muss auch in der Kirche passieren." Passend zum Thema Missbrauch: Dieser entstehe durch Machtgefälle, der Mächtige begeht einen "Akt der Demütigung" am Unterlegenen. Heiss trennt dabei die Institution "Kirche" sauber vom Glauben – aber sieht ihre Rolle in der Gesellschaft kritisch.

Deshalb soll sein nächstes Buch von den Verschränkungen der Kirche mit Politik und der Presse handeln.