Strahlende Gesichter, beherzte Spatenstiche und knallende Sektkorken: Am Montagmorgen ist in Rottweil der Startschuss zum Bau der Hängebrücke gefallen. Vorfreude und Erleichterung sind gleichermaßen groß.
„Fast so viel los wie am Fasnetsmontag“, freut sich Projektleiter Roland Haag schmunzelnd angesichts der vielen Menschen im Bockshof. Ganz so viele waren es zwar nicht, dennoch wird der Spatenstich zur lang ersehnten Hängebrücke von vielen begleitet. Die Stimmung ist feierlich und gelöst, jetzt also geht es endlich los.
Daneben bezeugen Bagger, die schwere Betonquader abladen, dass hier nun wirklich eine Baustelle entsteht – und zwar eine, die weit über Rottweils Grenzen hinaus für Aufsehen sorgen wir. Hier entsteht die 606 Meter lange Neckar Line, die längste ihrer Art in Süddeutschland.
Zwölf Millionen Euro werden investiert für diesen Brückenschlag, der, wie Oberbürgermeister Christian Ruf betont, den Bogen spannt zwischen Tradition und Innovation und der so auch zu einem Symbol werden soll für eine Stadt, in der richtig was geht.
Der Spatenstich findet im Bockshof, direkt in der Innenstadt statt – freier Blick herrscht auf den Punkt auf dem Berner Feld, wo die Brücke andocken wird und so über das Neckartal hinweg eine Verbindung zwischen Testturm und Rottweil schafft.
Verrückte Idee
OB Ruf erinnert sich, dass er die Idee „schon ein bisschen verrückt“ fand, als er 2015 davon hörte. Aber dieses ambitionierte Projekt sei auch mit ausschlaggebend dafür gewesen, dass er sich damals als Bürgermeister beworben habe, in einer Stadt, in der etwas bewegt werden kann.
Beim Neujahrsempfang 2016 wurde der Hängebrückenplan dann öffentlich bekannt – und auch wenn nun etliche Jahre dazwischen liegen, betont Ruf: „Die Brücke ist jetzt genau so wichtig, wie sie es seinerzeit war.“
72 Prozent Zuspruch
Ziel sei es, Besucher des Testturms – auf den der Ansturm ungebrochen ist – in die Innenstadt zu bringen. Dafür habe man einen langen Weg beschritten, weiß der OB. Ruf erinnert an die Bürgerbeteiligung, aus der Themen wie die Barrierefreiheit hervorgegangen seien, und er erinnert an den Bürgerentscheid. 72 Prozent Zustimmung, ein klares Votum. „Das würde wohl jede Partei jetzt gerade gerne nehmen“, schmunzelt er.
Und der OB geht auch auf die technischen und architektonischen Herausforderungen ein. Zunächst war das Bauwerk mit Stützen geplant, jetzt geht es ohne Pfeiler übers Neckartal. Elf Fachbehörden mussten angehört werden – trotz vieler auch konstruktiver Gespräche ein langwieriger Prozess. „Willkommen am Wirtschaftsstandort Deutschland“, so Ruf. Das Ganze zeige, wie schwierig es ist, Großprojekte umzusetzen. Man müsse in Sachen Entbürokratisierung nun „endlich in die Pötte kommen“.
100 000 Besucher mehr
Dafür werde es jetzt Schlag auf Schlag gehen, versichert er. Und dass sich generell in der Stadt etwas bewegt, könne man deutlich spüren angesichts der vielen Projekte. „Wir machen das gar nicht so schlecht“, lobt er „auf die schwäbische Variante“.Ganz wichtig: Rottweil erhofft sich durch den Brückenschlag enorme Impulse für die Innenstadt. „Mindestens 100 000 Besucher mehr in der Stadt können wir sehr gut gebrauchen“, betont der Oberbürgermeister. Diese Frequenz brauche man dringend für Einzelhandel und Gastronomie.
Stein zurück an Eberhardt
Ruf übergibt dann nicht nur das Wort an Investor Günter Eberhardt, sondern auch einen Stein – einer, den Eberhardt ihm ganz zu Beginn gegeben hatte, als man „den Stein ins Rollen“ brachte. Zwischenzeitlich habe es mit dem Rollvorgang etwas gehapert – jetzt gehe es dafür umso flüssiger.
Günter Eberhardt freut sich gewohnt unaufgeregt, dass es nun losgeht. Und er sei überwältigt von der Zahl der Gäste. „Während überall geschafft wird, ist in Rottweil heute Brückentag“, scherzt er. Und auch er geht gedanklich ins Jahr 2015 zurück. Damals baute sein Unternehmen, die Firma Eberhardt Bewehrungsbau, das Fundament für den Testturm in minus 30 Metern Tiefe. Auch nachts sei er oft auf der Baustelle gewesen – und da begegnete er Alfons Bürk, mit dem die Idee entstand.
Schon jetzt 1,3 Millionen Euro
Es habe Zeit gebraucht, „um alles ordentlich zu planen“, betont Eberhardt, aber jetzt werde die Brücke „vom Feinsten“. Er dankt auch den Kritikern, durch deren Stimmen man die Brücke weiter optimiert habe.
Diese Optimierung hat ganz schön gekostet. Wie Projektleiter Roland Haag verrät, wurde bis zum Spatenstich bereits 1,3 Millionen investiert – „nur in Papierform“. Bei anderen Projekten liege man bei 300 000 Euro. Die s-förmige Konstruktion in Rottweil sei absolut einzigartig, versichert er.
So geht es weiter
Und so geht es weiter: Ab nächstem Montag werden im Bockshof archäologische Grabungsarbeiten stattfinden. Ab dem 10. März starten dann die Gründungsarbeiten auf der östlichen Talseite für den rund 60 Meter hohen Brückenpylon. Im Hochsommer wird dann die eigentliche Brücke gebaut. In 3,50-Meter-Teilen geht es übers Neckartal voran – eine sehenswerte Aktion, wie Haag versichert. Die Fachleute der Firma HTB aus Österreich werden das ganze Projekt umsetzen.
Die Baustelle am Bockshof direkt wird allerdings mit einem Holzverschlag versehen. „Genau da, wo jetzt der Sekt steht und es was zu essen gibt, geht die Brücke los“, erklärt Haag. Man könne also jetzt noch einmal den Blick genau dort genießen, ohne Eintritt zu zahlen, wie er schmunzelt.
Großer Dank
Haag, Eberhardt und Ruf danken unisono allen Beteiligten, inklusive Gemeinderat und der beteiligten Behörden – auch dem ganzen Verwaltungsteam der Stadt und dem Ersten Landesbeamten Hermann Kopp – für die Unterstützung.
Und jetzt freuen sich alle auf den ersten gemeinsamen Gang über die Brücke, auch wenn Christian Ruf einräumt, dass er bis dahin noch an seinen „wackeligen Knien“ arbeiten müsse. Rund 13 Monate hat er dafür Zeit. Das ist machbar. In Rottweil geht schließlich immer was.
Info
Technische Daten
Länge 606 Meter, Gewicht 79475 Kilogramm, Höhe Pylon 60 Meter, Gewicht Pylon 185 283 Kilogramm, Gewicht der Seile 95 000 Kilogramm, Höhe über Grund 60 Meter.