Bruce Springsteen Foto: promo

Bruce Springsteens neues Album ist zwar nicht sein bestes, aber trotzdem hochanständig.

Stuttgart - „Shackled And Drawn“ ist einer dieser Songs, für den man Bruce Springsteen entweder hasst oder liebt. Er erzählt zum Stampfen eines Folkbeats und begleitet von einem eifrig jauchzenden Gospelchor von dem Mann, der noch an den amerikanischen Traum glaubt, der sich abrackert, bis zur Erschöpfung schuftet, der es mag, wenn sich dieser Schweißfilm auf seiner Haut bildet, und der seinem Sohn die gleiche Arbeitsmoral predigt: „Freedom, son, is a dirty shirt“: Die Freiheit, mein Sohn, ist ein dreckiges Hemd. Doch was nutzt die Maloche, wenn Abzocker einen um das sauer verdiente Geld erleichtern, einem alles nehmen, was man hat: „Gambling man rolls the dice, working man pays the bill / It’s still fat and easy on banker’s hill / Up on banker’s hill the party’s going strong / Down here below we’re shackled and drawn“: Der kleine Mann muss dafür bezahlen, dass die Banker in Saus und Braus leben können. Und wenn er alles verloren hat, helfen nicht einmal mehr Gebete.

Der Optimismus, den Bruce Springsteen auf seinem letzten Album „Working On A Dream“ noch in Barack Obama investierte, scheint weitgehend aufgebraucht zu sein. Die meisten Songs auf „Wrecking Ball“ sind nach dem Ausbruch der Finanzkrise entstanden. Man könnte dem 62-Jährigen natürlich Schwarz-Weiß-Malerei vorwerfen: auf der einen Seite die korrupten, nimmersatten Profiteure der Krise, die gierigen Wall-Street- Banker, „all them fat cats“ und „robber barons“, wie sie Springsteen nennt. Auf der anderen Seite die 99 Prozent, die einfachen Leute, die einfach nur über die Runden kommen wollen, die hart arbeitenden Gutmenschen. Das Album „Wrecking Ball“ könnte so etwas wie der Soundtrack der Occupy-Bewegung sein. Allerdings ein Soundtrack, dem die romantische Zuversicht der Wall-Street-Besetzer abhandengekommen ist.

Zorn und Furcht schleichen sich in die Songs

Allerdings ist der Tonfall der Platte nicht unbedingt traurig, sondern wütend. Der Titelsong „Wrecking Ball“ ist eine streitlustige Kampfansage, aufgeladen mit Rock’n’Roll und Irish Folk und von einer Punkattitüde getragen, die sich der Mann, der selbst vom US-Präsidenten The Boss genannt wird, von den Dropkick Murphys abgeschaut haben könnte, auf deren aktuellem Album er einen Gastauftritt hatte. Verziert von einem Trompetensolo, entwickelt sich dieser Song zu einer Stehaufmännchen-Hymne. „Hold tight to your anger, and don’t fall into fear“ – halt dich an deiner Wut fest, und lass dich von der Angst nicht unterkriegen.

Zorn und Furcht schleichen sich immer wieder in die Songs auf „Wrecking Ball“ ein. In den Aufmarsch von „Death To My Hometown“ ebenso wie in der Ballade „My Depression“. In „Easy Money“, das einen Bluegrass-Einschlag hat, beschließt einer, es endlich den Bankern gleichzutun und kriminell zu werden. Im langsamen Walzer „Jack Of All Trades“ vertont Springsteen die Verzweiflung eines Arbeitslosen, der sanftmütig leidet, aber am Ende bekennt: „If I had me a gun, I’d find the bastards and shoot ’em on sight“ – wenn ich eine Pistole hätte, würde ich die Mistkerle finden und abknallen. Durch „We Take Care Of Our Own“ wirbelt zwar eine fröhliche Popmelodie, doch Springsteen singt bitter von einer Regierung, die die Menschen im Stich lässt, erzählt noch einmal von Katrina und New Orleans und davon, wie alle um Hilfe schrien und keiner kam, um zu helfen.

Erst gegen Ende des Albums gibt es doch noch Platz für Zuversicht. „Land Of Hope And Dreams“, das schon 1999 entstand, stürzt sich in ein Gefühl der Aufbruchstimmung, führt einmal mehr die Qualitäten der E Street Band vor, und Saxofonist Clarence Clemons, der im Juni 2011 starb, ist ein letztes Mal mit einem seiner markanten Soli zu hören.

Bruce Springsteen & The E Street Band spielen im Rahmen ihrer Open-Air-Tour am 25. Mai in Frankfurt in der Commerzbank-Arena.