Je tiefer, desto interessanter: Im Unimog werden alle Hindernisse souverän bewältigt. Foto: Unimog-Club Gaggenau Foto: Schwarzwälder Bote

Oldtimer: Club-Regionalbeauftragter Richard Koch: "Ein Unimog muss es sein – alles andere ist Behelf"

Der Club-Regionalbeauftragte Richard Koch ist vom Alleskönner Unimog fasziniert. Die unglaubliche Geländegängigkeit ihrer Fahrzeuge demonstrieren die Unimog-Fans im Klengener Steinbruch.

Brigachtal. Früher wusste ich vom Unimog nur, dass es ihn gibt – und zwar schon ewig lange. Für mich sahen die unterschiedlichen Typen mehr oder weniger gleich aus: große Reifen, hohe Bodenfreiheit, rustikales Erscheinungsbild, optische Unterschiede konnte ich, abgesehen von der Farbe, kaum ausmachen. Jetzt ist vieles anders – dank Richard Koch.

Der Regionalbeauftragte Schwarzwald-Baar des Unimog-Clubs Gaggenau hat mir einige Geheimnisse des Tausendsassas auf vier Rädern enthüllt, und ich kann seine Aussage nur bestätigen: "Es ist ein geiles Gerät."

Und weil alle Theorie grau ist, und ein Objekt der Begierde direkt vor seinem Haus steht, lautet seine Frage: "Zeit für eine kleine Ausfahrt?" Na klar doch. Bereits das Einsteigen in seinen knallroten 404er, den er vor zwei Jahren erstanden hat, gestaltet sich etwas anders als beim Pkw gewohnt: Hand an den Haltegriff oben im Führerhaus, Fuß auf den Ring an der Radnabe, ein kräftiger Zug, und man sitzt in durchaus spartanischem Ambiente. Zündung an, Gang rein, und los geht’s. Der zunächst asphaltierte Untergrund lässt mich entspannt zurücklehnen, auch als Koch auf einen Feldweg steuert, ändert sich an meiner Gelassenheit wenig. Die ersten Schlammrinnen verfehlen ihre Wirkung nicht, mein Griff an den Haltebügel rechts oben wird etwas fester und verkrampft sich, als sich statt einer Wegspur plötzlich ein Grashang vor uns aufsteigt, den Koch mit einem Lächeln anpeilt. Kleiner Gang, lauter werdender Motor, und hinauf geht’s die Rampe.

"Standardprogramm, nichts Besonderes", sagt der 55-Jährige und pilotiert den Unimog hinter dem Scheitelpunkt genauso steil und bombensicher wieder nach unten. Die weiteren Hindernisse werden für mich nach der Nervenprobe zum reinen Vergnügen, und eigentlich bedauere ich, dass die Spritztour alsbald zu Ende ist.

Wie kommt man zu einem Universal-Motor-Gerät – dieser Begriff verbirgt sich nämlich hinter dem Wort Unimog – und schließlich zum Amt des Vorsitzenden der Sektion Schwarzwald-Baar im Unimog-Club Gaggenau? Koch erinnert sich an die Jugendzeit in seinem Geburtsort Furtwangen, wo der Vater eines Kumpels ein solches "Gerät", in der Landwirtschaft verwendete. "Schon damals war ich fasziniert von dessen Vielseitigkeit, mit ihm konnte man einfach alles machen", schildert der Vermögensberater im Rückblick. Dank der Möglichkeit, Anbaugeräte anzubringen und mit einer Zapfwelle anzutreiben gab es fast nichts, was der Unimog nicht konnte: Mähen, Dreschen, Pflügen, Rüben ernten, Holz sägen, selbiges transportieren, dann spalten und, und, und... Immerhin 300 zertifizierte Geräte sind in einem Handbuch von 1962 bereits aufgelistet, die angekuppelt werden konnten. "Heute, bei den neuen Fahrzeugen, sind es 3000", erklärt Koch.

Bis er sich selbst einen Unimog zulegte, dauerte es allerdings noch etliche Jahre. "Als ich 2001 das Haus gekauft habe, war klar, dass zum Mähen des großen Grundstücks nur ein bestimmtes Fahrzeug in Frage kam", erinnert er sich. "Wenn schon ein landwirtschaftliches Gefährt, dann ein Unimog, denn alles andere ist Behelf", zitiert er lächelnd die Meinung aller Fans des Multitalents. Für ihn sind die beiden Konstrukteure der "Allzweckwaffe" schlichtweg Genies. Die Ingenieure Albert Friedrich und Heinrich Rößler entwickelten nach dem Krieg einen "Fronttraktor mit Allradantrieb", wie die Klassifizierung offiziell lautete, der entweder als Geräteträger oder Klein-Lkw zu verwenden war und neben der Landwirtschaft besonders beim Militär, Katastrophenschutz, bei den Gemeinden und nicht zuletzt der Feuerwehr reißenden Absatz fand. Ab 1949 wurde er bei den Gebrüdern Böhringer in Göppingen serienmäßig hergestellt. Ein Jahr später übernahm Daimler-Benz die Produktion, die von 1951 bis 2002 im Werk Gaggenau abgewickelt wurde, seither läuft die Unimog-Herstellung im Werk Wörth. Ausstattung und Komfort haben sich im Lauf der Jahre natürlich gewaltig geändert, das geniale Bauprinzip ist nach wie vor dasselbe: Der Unimog hat einen Leiterrahmen, der sich auf Portalachsen mit Schraubenfedern stützt. Diese Konstruktion erlaubt eine optimale Achsverschränkung, wodurch das Gefährt extrem geländegängig wird. Durch Vorgelege an den Radnaben kann die Drehfrequenz des Antriebsstranges erhöht werden, wodurch zum Übertragen derselben Leistung weniger Drehmoment benötigt wird. Die vier gleich großen Räder ermöglichen überdies eine hohe Bodenfreiheit.

Kochs erster Eigener war ein 411er, Baujahr 1962 (32 PS/50 Stundenkilometer), den er in der Schweiz für 3000 Franken erstand und "auf eigener Achse", wie er es nennt, in die Heimat beförderte. "Der Preis war ein Schnäppchen, heute wird das Modell ab 10 000 Euro aufwärts gehandelt", erklärt er. Vor zwei Jahren verkaufte er das Fahrzeug, seither steht besagter 404er im Hof, ein Benziner mit 80 PS, der auf gutem Belag schon mal mit 95 Sachen zu bewegen wäre, "was man natürlich nicht macht", sagt Koch, der Landschaftserlebnisse lieber mag als Ohrenschmerzen bei hochdrehendem Motor. Das Gefährt (Baujahr 1965), das zuvor unter anderem auch als Feuerwehrfahrzeug auf einem Schweizer Flugplatz im Einsatz war, hat einen Kabinenaufsatz und damit so etwas wie Wohnmobil-Charakter – er wird von ihm und seiner Frau Sibylle auch gerne so genutzt. Zum Mähen der Wiese ist er nicht geeignet, diesen Part übernehmen inzwischen zwei Schafe.

Schon kurz bevor Koch seinen ersten Unimog kaufte, hatte er sich der Regionalgruppe Schwarzwald-Baar des Unimog-Clubs Gaggenau angeschlossen. Bei Letzterem, der 1993 gegründet wurde, waren große Experten, die meisten angestellt im Gaggenauer Werk, unter einem Dach versammelt. Dieser elitäre Zirkel öffnete sich aber schon bald nach außen, was Hans Berger erlaubte, 1996 die Regionalgruppe Schwarzwald-Baar zu gründen. "Sie erstreckt sich allerdings über den Kreis hinaus, zu ihr gehören alle 78er-Postleitzahlen", stellt Koch klar, der Berger 2008 als Chef ablöste. Inzwischen zählen 170 Mitglieder zur Gruppe, die meisten, aber durchaus nicht alle, haben einen eigenen Unimog, "manche jedoch auch fünf", rechnet Koch vor.

Ausfahrten, ein jährliches Treffen, Erfahrungsaustausch am Stammtisch im "Landhaus am Bahnhof" in Brigachtal-Klengen, Schrauber-Treffs ("jeder hilft jedem") sind die Eckpunkte des regen Gruppengeschehens. Besonders die beliebten Events im Klengener Steinbruch, der von der Baufirma Storz aus Tuttlingen betrieben wird, liegen Koch und den Seinen am Herzen. "Wir erhalten von Geschäftsführerin Susanne Gräfin von Kesselstatt große Unterstützung", lobt der Regionalbeauftragte und verweist auf die Tatsache, dass das Unternehmen im Vorfeld von Veranstaltungen sogar das Gelände perfekt gesäubert übergebe.

Die Unimog-Gemeinde darf sich dann einen Parcours nach Gusto erstellen, auf dem die Besitzer die unglaubliche Geländegängigkeit ihrer Fahrzeuge demonstrieren können. Auch auf sozialer Ebene ist ein wichtiges Mosaiksteinchen hinzugekommen. Über eine Bekannte Kochs, die ein krebskrankes Kind hat, wurde der Kontakt zum Förderverein krebskranker Kinder Freiburg hergestellt. Am 8. September ist es wieder soweit: Dann dürfen die kleinen Patienten in Klengen einmal mehr in die Unimogs steigen und sich chauffieren lassen.

Zurück vom Steinbruch in den Koch’schen Fuhrpark. Wird sich der mittelfristig vergrößern? "In zwei, drei Jahren will ich mir noch einen weiteren Unimog zulegen", verrät er. Ein Großer neueren Baujahrs soll es dann sein. Der bisherige wird jedoch nicht mehr aus der Hand gegeben, das hat ihm Tamara, die jüngste seiner drei Töchter ins Gebetbuch geschrieben: "Der wird nicht verkauft, sondern vererbt."